NRW enteignet Clan | Rente mit 68 | 31 Tage
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Rheinische Post

Morgenausgabe

Stimme
des Westens

Moritz Döbler

09. Juni 2021

Liebe Frau Do,

kriminelle Clans mit libanesischem Hintergrund treiben auch in NRW ihr Unwesen. Über mehr als drei Jahrzehnte ist eine Parallelgesellschaft herangewachsen, gegen die Polizei, Justiz und Finanzamt häufig machtlos sind. Gestern war es mal anders: Bei einer Razzia mit rund 600 Beamten wurden 31 Objekte durchsucht, der Schwerpunkt lag in Leverkusen. Dort wurden ein staatenloser Hauptbeschuldigter (46), seine libanesische Frau (42) und seine beiden deutsch-libanesischen Söhne (24 und 28) in ihrer Villa verhaftet. „Es kann nicht sein, dass eine Familie, die Sozialhilfe bezieht, in einer Villa wohnt. Da platzt mir der Kragen“, sagte eine Düsseldorfer Einsatzleiterin. Die wertvolle Immobilie wurde beschlagnahmt, die Einzelheiten der Razzia und die Folgen schildert Christian Schwerdtfeger.

Mit einer Razzia allein ist das Clan-Problem nicht gelöst. Immerhin gehen Innenminister Herbert Reul und die Behörden es jetzt deutlich beherzter an als noch vor wenigen Jahren. Bei einem Thema von deutlich größerer Tragweite sind wir noch nicht so weit. Dass die Rentenfinanzierung auf Dauer so nicht funktioniert, wissen wir alle seit vielen Jahren. 2014 hatte Arbeitsminister Franz Müntefering für die Groko die Rente mit 67 durchgesetzt und so eine Atempause erreicht. Aber die Lebenszeit der Menschen verlängert sich stärker als ihre Lebensarbeitszeit. Damit die Rechnung vorerst wieder aufgeht, schlägt der Wissenschaftliche Beirat im Bundeswirtschaftsministerium die Rente mit 68 vor. Warum das aber nur der Anfang der Debatte ist, erläutert Antje Höning in ihrer Analyse.

Ob die heutigen Abiturienten einmal auf eine ausreichende gesetzliche Altersvorsorge hoffen dürfen? Heute können sie die Feste jedenfalls nicht so feiern, wie sie fallen: Große Abifeiern werden wohl auch dieses Jahr überwiegend gestrichen, wie Viktor Marinov und Christian Schwerdtfeger recherchiert haben. Auch die heutige Folge unseres „Aufwacher“-Podcasts dreht sich um dieses Thema.

Feiern möchte ich meinen Kollegen Henning Rasche: Gerade hat er den renommierten Axel-Springer-Preis für junge Journalisten in der Kategorie Lokaljournalismus gewonnen. In seinem Text „31 Tage“ berichtet er vom einsamen Sterben eines Corona-Erkrankten – aus der Sicht von dessen Ehefrau. Dorothee Krings stellt Ihnen den Preisträger und seinen berührenden Text vor. Erschienen ist er vergangene Weihnachten, hier können Sie ihn nochmal nachlesen. „Die Hoffnung, sagt man, stirbt zuletzt. Aber das stimmt nicht“, zitiert Henning Rasche die Ehefrau. Dieser Text hilft mir, die Dinge besser zu gewichten – kaum ein Ärger, den ich heute empfinden werde, dürfte der Rede wert sein. Also verzichten wir doch einfach aufs Ärgern. Bis morgen!


Herzlich

Ihr

Moritz Döbler

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