Liebe Frau Do, der Einzelhandel in NRW hat die Geschäfte wieder geöffnet, aber unter starken Einschränkungen: „Click & Meet“ heißt das Schlagwort, aber die Kunden nehmen das, jedenfalls bisher, noch nicht so richtig an, wie Georg Winters berichtet. Tag 1 liegt auch beim Anrecht auf einen Gratis-Schnelltest pro Woche hinter uns, aber auch das funktioniert noch nicht richtig. Und sehr unterschiedlich sind auch die Impfungen von Lehrkräften in den NRW-Kommunen angelaufen: Kirsten Bialdiga bewertet den Stand der Dinge in ihrem Leitartikel. Aber das soll es auch in Sachen Corona für heute gewesen sein. Morgen jährt sich die Reaktorkatastrophe von Fukushima zum zehnten Mal, und wie damals steht in Baden-Württemberg eine Landtagswahl bevor. Damals leitete Angela Merkel die Beschleunigung des gerade erst verlangsamten Atomausstiegs ein, was der CDU im Südwesten trotzdem politisch wenig nützte. Seitdem regiert Winfried Kretschmann als erster grüner Ministerpräsident. Die Energiekonzerne wurden nicht annähernd so schwer getroffen, wie es damals schien: Das arbeitet unsere Wirtschaftschefin Antje Höning in ihrer Analyse sehr deutlich heraus. Und nun? Nahezu gleichzeitig aus der Atomkraft und der Kohleverstromung auszusteigen, mag vielleicht politisch geboten sein, aber die Folgen für den Industriestandort und die Energiepreise sind noch immer nicht absehbar. Eines weiß ich sicher: Spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst wird darüber zu sprechen sein. Bis dahin muss die Groko irgendwie halten. Aber leicht wird das nicht: Das aktuelle Schwarze-Peter-Spiel beschreibt unsere Berliner Redaktionsleiterin Kerstin Münstermann in ihrer ausführlichen Analyse. Das fängt mit der Rolle von Olaf Scholz an, der zum einen als Vizekanzler amtiert, zum anderen als SPD-Kanzlerkandidat agiert. Darin ließe sich auf den ersten Blick schizophrenes Verhalten vermuten – oder ist es nur eine besonders ausgeklügelte politische Strategie? Vor der Bundestagswahl ist allerdings darüber zu sprechen, wie sich Abgeordnete zu verhalten haben. Anlass sind fragwürdige sechsstellige Provisionen für Maskendeals mit dem Staat. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel und sein CSU-Kollege Georg Nüßlein traten gestern nach harscher Kritik aus ihrer Partei aus. Löbel zog sich zudem mit sofortiger Wirkung aus dem Parlament zurück. Auch steht die Forderung im Raum, dass die beiden das verdiente Geld spenden. Ob es dazu kommt, wird sich zeigen (meine Vermutung: nein), aber bedeutsamer ist die Frage, wie sehr der Vorgang auf die Union und die Politik insgesamt durchschlägt. Die Fraktion jedenfalls zog bereits Konsequenzen und hat einen Drei-Punkte-Plan vorgelegt – samt „Verhaltenskodex“. Aber der Schaden ist schon angerichtet. Denn an diesen Einzelfällen, die es hoffentlich sind, bestätigen sich scheinbar die Klischees, mit denen Demokratiefeinde hausieren gehen. Den Stand der Diskussion hat Kerstin Münstermann zusammengefasst. Holger Möhle liefert den Leitartikel. Eine Diskussion über die programmatische Erneuerung der Union will Hendrik Wüst starten. Falls Sie nun denken, dass der NRW-Verkehrsminister dafür nicht erste Wahl ist: Er gilt als aussichtsreicher Kandidat für Armin Laschets Nachfolge als Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender. Insofern lohnt es sich, seinen Gastbeitrag über die CDU und ihre Abgrenzung zum Koalitionspartner FDP genau zu lesen. Angela Merkel hatte einst in einem Gastbeitrag in der FAZ vor gut zwei Jahrzehnten gegen Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble geputscht. Ganz so radikal ist Hendrik Wüst nicht unterwegs – aber schon kernig. Und der Sommer ist ja noch lang. Etwas weiter weg, dafür aber grundsätzlicher ist die Diskussion über das britische Königshaus, die Prinz Harry und seine Frau Meghan in einer US-Talkshow angestoßen haben. Unser Washington-Korrespondent Frank Herrmann informiert Sie über die letzten Details, unser London-Korrespondent Jochen Wittmann ordnet diese in seinem Leitartikel ein: „Dieses Interview gefährdet die Monarchie.“ Und deswegen ist es auch ein Thema für die „Stimme des Westens“, denn es geht um die Führung eines Staates, der eng mit der Geschichte von Europa, Deutschland und NRW verknüpft ist. Harry sagt in dem Interview, dass die beiden England verlassen hätten, „um Luft zu holen“. Nun lässt sich trefflich darüber streiten, was noch alles dahinter steckt und wie das Interview zu deuten ist. Nur: Luft zu holen, Abstand zu gewinnen – das empfinde ich als nachvollziehbares Bedürfnis von uns allen, erst recht in diesen Corona-Zeiten. Holen Sie also Luft, vielleicht müssen Sie nicht gleich alles infrage stellen. Bis morgen! Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |