Liebe Frau Do, morgen soll es in der Video-Schalte der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten um weitere Lockerungen der Corona-Einschränkungen gehen. Aber Armin Laschet will sich offenbar nicht mehr um die anderen scheren. „Ich gehe davon aus, dass wir ab dann eine Möglichkeit haben, dass die Länder selbst bestimmen können, zu welchem Zeitpunkt was startet“, sagt der NRW-Regierungschef. Kirsten Bialdiga, Maximilian Plück und Eva Quadbeck beschreiben die Ausgangslage. Wer den Alleingang NRWs mit Ansage kritisiert, spricht von Flickenteppich und Kleinstaaterei. Andere sehen genau darin die Chance des Föderalismus. Aber alle sollten sich an Daten und Fakten messen lassen. Doch das ist gar nicht so leicht. Ob es Zufall ist, dass der Bonner Virologe Hendrik Streeck, den Laschet zu Rate zieht, präzise vor der nächsten Entscheidungsrunde eine neue Modellrechnung vorlegt? Der Kern: In Deutschland sollen zehn Mal so viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert sein wie bekannt, nämlich 1,8 Millionen Menschen. Grundlage sind die Daten aus Heinsberg – aber wie repräsentativ sind die? Unser Medizin-Experte Wolfram Goertz hat sich die Studie gründlich angesehen und mit Virologen und Epidemiologen darüber gesprochen. Wenn Sie das Virus besser kennenlernen wollen, kann ich Ihnen neben den Daten auch ein Gespräch empfehlen, das Wolfram Goertz mit Uwe Janssens, einem profilierten Intensivmediziner, geführt hat. Ja, es ist ein langer Text, aber wir lernen viel dabei. Zum Beispiel kann Corona den ganzen Körper befallen. Janssens ist Rheinländer und beschreibt das Virus plastisch: „Das ist ein richtig fieser Kamerad.“ Manche Politiker sehen sich als Kameraden der Autoindustrie, die ja tatsächlich bis heute den industriellen Kern Deutschlands verkörpert. Gerhard Schröder empfand den Begriff des Autokanzlers überhaupt nicht als beleidigend. Heute steht wieder einmal ein Autogipfel an, die Bundeskanzlerin spricht mit den Chefs der großen Konzerne über Staatshilfen. Armin Laschet besuchte übrigens gestern passgenau die Ford-Werke, um öffentlich für Konjunkturimpulse zu werben. Es gibt gute Gründe und Grundsätze, um gegen solche Hilfen zu sein, argumentiert unsere Wirtschaftschefin Antje Höning. Ich denke, dass man sie, wenn überhaupt, mit klimapolitischen Vorgaben koppeln sollte, damit man wenigstens nicht wieder einreißt, was gerade mühsam aufgebaut wurde. Mühsam war auch der Prozess um die Loveparade-Katastrophe vor zehn Jahren in Duisburg. Sie haben vermutlich mitbekommen, dass er gestern eingestellt wurde. Der Tod von 21 jungen Menschen bleibt juristisch ungesühnt. Einer davon war Christian Müller, der gar nicht so auf Techno stand, den aber das große Spektakel angezogen hatte. Seine Mutter hat gestern den Glauben an die Gerechtigkeit verloren, wie sie unserem Reporter Alexander Triesch erzählt hat. Sein Text taucht tief ein in die Hintergründe. Mir fällt es nun noch schwerer zu verstehen, warum es nach der jahrelangen Beweisaufnahme kein Urteil geben soll. Haben Sie es gestern eigentlich zum Friseur geschafft und erkennen Ihr Gegenüber im Spiegel wieder? Wenn nicht, auch kein Problem: Ein paar Tage hin oder her machen keinen Unterschied. Wie ein Düsseldorfer Friseur den Neustart erlebt, hat er meiner Kollegin Sabine Dwertmann berichtet. „Ich habe die Kunden vermisst“, sagt der junge Mann. Diese Wertschätzung soll bitte noch eine Weile andauern, denn bis ich mich zu einem Friseurtermin durchringe, dauert es noch. Ich finde aber, in der Corona-Krise zählen vor allem die inneren Werte. Einverstanden? Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |