Sehr geehrte Damen und Herren Nach einer kurzen Sommerpause melden wir uns zurück mit einem Update zu China. Seit Ende Juni 2019 steht im chinesischen Taishan der weltweit zweite EPR in Betrieb. Rund einen Monat davor hatte Taishan-2 seine erste Kritikalität erreicht. Dazwischen haben Vertreter der chinesischen und der russischen Nuklearindustrie einen Vertrag zum Bau der KKW Xudabao-3 und -4 unterzeichnet. Bereits im März hatten die gleichen Parteien ihre Unterschriften unter ein Abkommen zum Bau der Blöcke 7 und 8 am Standort Tianwan gesetzt. Dort sind bereits vier Einheiten in Betrieb und zwei weitere in Bau. Bei Tianwan-6 ist im April dieses Jahres der zweite und im Mai der dritte und letzte Dampferzeuger platziert worden. Dieser Reaktor ist seit September 2016 im Bau, Tianwan-5 seit Ende 2015. Tianwan-4 steht seit Ende 2018 im kommerziellen Betrieb. Fuqing-5 soll 2020 als erster Reaktor des chinesischen Typs Hualong One in Betrieb gehen. Ende April 2019 haben dort die sogenannten Kalttests begonnen. Unsere regelmässigen Leserinnen und Leser kennen die interaktive Plattform nuclearplanet, auf der wir Informationen zu allen Reaktoren in China und anderswo auf der Welt sowie zu Lagern für radioaktive Abfälle regelmässig aktualisieren. Zudem haben wir kürzlich die Ausgabe 2019 der Broschüre «Kernkraftwerke der Welt» veröffentlicht. Sie können das handliche Nachschlagewerk auf unserer Website herunterladen oder bestellen. Im Folgenden widmen wir uns heute erneut der Debatte über Vor- und Nachteile der Kernenergie, neuen Kernkraftwerken, dem Klimawandel sowie erneuerbaren Energien in Deutschland und anderswo. Freundliche Grüsse, Nuklearforum Schweiz «We Need to Talk About Nuclear Power»… …findet Michael Liebreich im Blog von «Bloomberg New Energy Finance». Neben den ökologischen und ökonomischen Aspekten ist in diesem Zusammenhang auch Tschernobyl weiterhin ein Thema, zum Beispiel bei der australischen Zeitung «The Age» und bei den Kollegen von «Nuclear Engineering International». In einem unserer Lieblings-Blogs, «Thoughtscapism», haben wir eine Abhandlung über die vermeintlichen und reellen Gefahren von Chemikalien gefunden, die gut zur Diskussion über Kernenergie und Radioaktivität passt – ebenso wie diese Liste. Damit nun zurück zur Kernenergiedebatte, die erfreulicherweise Einzug in das österreichische Privatfernsehen gefunden hat. In den USA findet sie bekanntlich auch auf der höchsten politischen Ebene statt. Fortschritt vs. Alarmstimmung Gleichzeitig mit der entsprechenden Gesetzgebung schreiten in den USA auch die ersten Projekte mit fortgeschrittenen Reaktoren voran, so zum Beispiel im Bundesstaat Utah unter dem klingenden Namen «Carbon Free Power Project (CFPP)». Schon länger in Bau ist Oliluoto-3 in Finnland, dessen Betreiber diese Woche einen aktualisierten Zeitplan für die Inbetriebnahme veröffentlicht haben. Auch zum britischen Neubauprojekt Sizewell C gibt es News. Die dortige Nuklearindustrie stehe am berühmten Scheideweg, findet derweil der Chefwissenschaftler des National Nuclear Laboratory. Auch Tschechien will mindestens ein neues KKW bauen. Es ist kaum verwunderlich, dass diese Pläne von den atomkritischen Nachbarstaaten kritisch kommentiert werden. Doch der tschechische Industrieminister schiesst zurück. Auch Polen will mit Unterstützung der USA in die Kernenergie einsteigen. Kritik aus dem deutschsprachigen Raum haben wir auf die Schnelle keine gefunden, sie dürfte aber kaum lange auf sich warten lassen. Die «Alarmstimmung in Österreich» wegen entsprechender Pläne der slowakischen Nachbarn hat es übrigens auch in die NZZ geschafft. Risiken und Nebenwirkungen für Pioniere In Deutschland selbst sorgt derweil die AfD, respektive die Bundestagsabgeordnete Frauke Petry der Splitterpartei «Die blaue Partei», für einmal mit energiepolitischen Äusserungen für Furore. «Technik ist immer politisch», findet dazu Anna Veronika Wendland. Auf der praktischen Ebene lesen wir Schlagzeilen wie «Energieträger Kohle und Atom verlieren an Bedeutung» und «Rekord für Strom aus erneuerbaren Energien». Auf Rekordniveau sind dafür auch die Strompreise. «Riskiert der Erneuerbaren-Pionier Deutschland, dass ihm der Strom ausgeht?», fragt «Reuters». Einen kleinen Vorgeschmack darauf gab es in der vergangenen Woche in Teilen der Stadt Lübeck. Den «eigentlich kleinen Schaden an einem Kabel» nimmt das «Westfalen-Blatt» zum Anlass für einen Kommentar zur Bedeutung eines funktionierenden Stromnetzes. «Wir verlieren die Kontrolle über das Klimasystem» Wenn ein Klimaforscher Aussagen wie diese macht, können wir uns die Frage nicht verkneifen, wie viel Kontrolle über das Klimasystem die Menschheit tatsächlich hat und je haben wird. Deutsche Klimaaktivistinnen wie Luisa Neubauer stellen sich solche Fragen wahrscheinlich eher nicht. Deren Protestbewegung «Fridays for Future» sucht derweil dringend Autobatterien, Powerbanks und sonstige Akkus für die Stromversorgung ihres Dauerstreiks. Vergleichsweise vernünftig klingt es demgegenüber beim einzigen grünen Ministerpräsidenten Deutschlands. Und während die einen auf den enormen Platzbedarf der Erneuerbaren und andere «unbequeme Energie-Tatsachen» hinweisen, kürzen China und andere Staaten die Ausgaben für Wind-, Solar- und andere saubere Energien – teilweise ziemlich drastisch. Solche Berichte halten die kalifonische Universitätsstadt Berkeley nicht davon ab, als erste Stadt der USA Erdgas für neue Häuser zu verbieten. Es gibt in den USA jedoch auch weiterhin vernünftige Stimmen: «Was Amerika braucht, ist ein Green Real Deal», findet immerhin der ehemalige Energieminister Ernest Moniz. |