  | | |  | | 20. Mai 2024 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| |  | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | an den Pfingsttagen habe ich irgendwo im Radio einen hehren Satz über die Freiheit gehört. Es war wohl eine Sendung über den Ukraine-Krieg und seine nuklearen Risiken. âFreiheitâ, so hieà es da, âFreiheit, das heiÃt: keine Angst haben, vor nichts und niemand.â Keine Angst vor nichts und niemand zu haben ist aber nicht die Beschreibung von Freiheit, sondern die Beschreibung von Dummheit. Der Dumme kennt keine Angst, weil er zu wenig Fantasie hat, weil er sich überschätzt oder die Wirklichkeit nicht versteht oder verstehen will. Freiheit - das heiÃt Angst haben, sich aber nicht von der Angst dominieren zu lassen. Dazu gehört es auch, den Realitätsgehalt der Angst zu prüfen und den Gefahren ins Auge zu sehen. Die Gefahr einer atomaren Eskalation als Ziererei und Zauderei abzutun, ist aber weder ein Ausdruck von Freiheit noch von Verantwortung.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Kalte Krieg und das neue Wettrüsten begannen, hat Bert Brecht versucht, dagegen anzuschreiben. Sein Schreiben hatte Kraft, aber wenig Wirkung; die Aufrüstung konnte er nicht aufhalten. âDas groÃe Karthagoâ, so schrieb er 1951, âführte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.â Das klingt agitatorisch, ist aber die Wahrheit. Und im Ernst der Lage ist Agitation besser als Apathie. Europa erginge es in einem dritten Weltkrieg so wie Karthago, schlimmer noch; die apokalyptischen Reiter sind nämlich heute atomar bewaffnet.
Der Mann, der den Dritten Weltkrieg verhindert hat
Mir sind die Zeilen von Brecht eingefallen, als ich in meinem Kalender unter dem Datum vom 21. Mai, also für den morgigen Dienstag, einen Eintrag las, den ich mir im vergangenen Jahr bei meinen Recherchen für mein neues Buch (âDen Frieden gewinnenâ) gemacht hatte. Der Kalendereintrag verweist auf den Weltbürgerpreis, den der frühere sowjetische Oberstleutnant Stanislaw Petrov vor zwanzig Jahren für die Verhinderung des Dritten Weltkriegs erhalten hat. Darüber schreibe ich in heute in meinem SZ-Plus-Text: Wer als Erster schieÃt, der stirbt als Zweiter.
Petrov war am 26. September 1983 der diensthabende Sowjet-Offizier im Kommandobunker der sowjetischen Luftverteidigungsstreitkräfte. Er entschied damals, das sowjetische Frühwarnsystem zu ignorieren, welches fälschlicherweise fünf sich nähernde amerikanische Atomraketen anzeigte. Ob eine KI auch die Nerven behalten hätte? Der Fehlalarm war durch einen Satelliten ausgelöst worden, der aufgrund einer fehlerhaften Software den Sonnenaufgang und Spiegelungen in den Wolken als Raketenstart in den USA interpretiert hatte. In Oberhausen, wo sich Freunde von Petrov um das Angedenken an ihn besonders kümmern, stehen Gedenktafeln in drei Sprachen. Die Inschrift lautet: âWäre er den Computermeldungen gefolgt, wäre der sofortige atomare Gegenschlag erfolgt und damit der Tod von Millionen Menschen in den USA, in Europa und Russland die Folge gewesen.â
Ich mag diese Geschichte sehr. Sie zeigt, was ein Einzelner vermag. Am kommenden Donnerstag ist nun der Tag, über den schon so viel geschrieben wurde: Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt. Beglückwünschen wir uns dazu, dass wir es haben.
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|  |  | Prantls Blick |
| Wer als Erster schieÃt, der stirbt als Zweiter | | |
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| | Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| PS: Der nächste Newsletter âPrantls Blickâ erscheint nach einer kleinen Pfingstpause wieder am Sonntag, 9. Juni.
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| | | | |  | | | | Pfingsten im Mekong-Delta | | In keiner anderen Knospe steckt so viel Kraft wie in der prallen Knospe der Pfingstrose. Wenn sie aufblüht, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Pfingstrose ist eine Power-Blume und das Pfingstfest ein Power-Fest. Es ist ein unterschätztes Fest; es steckt so viel drin. Annette Schavan, eine engagierte Katholikin, Bundesbildungsministerin unter Kanzlerin Angela Merkel und dann deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, zeigt das in einem pfingstlichen Sammelband: Pfingsten als Fest der Ermutigung und des Aufbruchs. Es geht Schavan darum, in einer Zeit der Kirchenschmelze âLeidenschaft für Gerechtigkeit und Freiheitâ zu entwickeln und âTaten der Barmherzigkeit zu wagenâ. Im letzten Satz eines der Texte im Buch heiÃt es: âDie soziale Temperatur in der Gesellschaft wird ohne die Kirche sinkenâ.
28 Beiträge aus Publizistik, Wissenschaft, Kultur, Politik, den christlichen Orden und von Schriftstellern hat Schavan in ihrem Buch versammelt (darunter ist auch ein Beitrag von mir). Mich hat am meisten der Text von Philipp Rösler berührt, der einst Bundesgesundheitsminister, Bundeswirtschaftsminister und Bundesvorsitzender der FDP war. Rösler ist in Südvietnam geboren, er kam 1973, während des Vietnamkriegs, im Alter von neun Monaten nach Deutschland. Bewegend schreibt er über sein persönliches Pfingsterlebnis im Jahr 2022 in der kleinen Kapelle eines Waisenhauses mitten im Mekong-Delta in Vietnam.
Annette Schavan (Hg.) â Pfingsten! Warum wir auf das Christentum nicht verzichten können. Das Buch ist 2024 im Droemer-Verlag erschienen. Es hat 302 Seiten und kostet 26 Euro. | | |
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|  | | | | Deutschland ist eine Wundertüte | | ⦠und die SZ-Wochenend- und Pfingst-Ausgabe ist das Abbild. Diese SZ-Ausgabe zum 75. Grundgesetzjubiläum ist ein Feuerwerk von Beiträgen, ein Kaleidoskop von Geburtstagsideen; sie zeigt eine feine und eine pfiffige Palette an Perspektiven auf die Bundesrepublik. Wir lesen kleine und groÃe Stücke über die Verfasstheit des Landes, seine Geschichte, seine Stärke und Schwächen. Und wir lernen viel über die Symbole und Institutionen, die für dieses Land stehen und es tragen. In Deutschland gehört dazu das Bundesverfassungsgericht; in den USA gehörte dazu der Supreme Court, das höchste Gericht. Gehörte: Man muss das in der Vergangenheitsform schreiben, weil immer neue Zweifel an der souveränen Unabhängigkeit des Obersten Gerichts der USA auftauchen.
Sie werden jüngst wieder genährt vom Flaggenskandal: Im Vorgarten des Verfassungsrichters Samuel Alto (der seit 2006 zum Rechtsruck des Gerichts beiträgt), hing die US-Flagge kopfüber, die 50 Sterne baumelten also nach unten. Eine solche umgedrehte US-Fahne war eines der Symbole von âStop the Stealâ im Zuge von Donald Trumps Lüge, ihm sei der Wahlsieg über Joe Biden gestohlen worden. Diese Version der Fahne gehörte zum Mob, der am 6. Januar 2021 nach einem Aufruf von Trump das Kapitol stürmte. Das Symbol eines versuchten Staatsstreichs vor dem Wohnhaus eines obersten Richters? Der Kollege Peter Burghardt schreibt spannend darüber in der SZ-Pfingstausgabe. | | | |
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