| | | | | 6. Juni 2025 | | Deutscher Alltag | | | |
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| | | | | dieser Tage stand an der Ampel ein Lieferfahrzeug einer Metzgereikette neben mir. Auf der Rückseite des Autos klebte ein groÃes Bild, auf dem ein lächelnder Mann mit Bart zu sehen war, der einer Kuh Grünzeug vor das Maul hält. Würden Kühe lächeln, hätte die Kuh bestimmt auch gelächelt. In groÃen Buchstaben stand unter Mann und Kuh: âOptimale Tiergesundheitâ. Den Rest konnte ich nicht mehr lesen, weil die Ampel auf Grün schaltete und ich wegfuhr. Wir leben in einer seltsamen Welt. Der Metzger als solcher tötet Kühe und anderes Getier. Werbung aber macht er mit dem glücklichen, gesunden Leben seiner Opfer. Nein, ich bin kein Vegetarier und ich trage auch hin und wieder Lederjacken. Leute wie ich sind die Kunden des Metzgers, der, hätte er denn Gewissensbisse, sich darauf berufen könnte, dass âdie Leuteâ das so wollten. Die Leute schon, aber die Tiere nicht. Die Tiere allerdings denken nicht darüber nach, wer für sie schlimmer ist, der Metzger oder der Kunde. Ob es wohl Bestattungsunternehmen gibt, die mit dem Foto einer lachenden Familie am Strand werben und dazu schreiben: âEin super Leben, ein schönes Begräbnis?â Passt nicht zusammen. Vielleicht liegt es an mir, aber es erscheint so, als werde die Vokabel âpasstâ sehr häufig verwendet, obwohl vieles gar nicht passt. Suzi Quatro zum Beispiel. Jüngere Menschen müssen sie nicht kennen. Sie war Mitte der Siebzigerjahre mit 25 das, was man später eine âRockröhreâ nannte. Sie spielte Bass, gewann zweimal den goldenen âBravo Ottoâ, der für Hackebeat-Performer so was war, wie es der Deutsche Buchpreis für Clemens Meyer ist, wäre er ihm denn zugesprochen worden. Als ich auf mein Moped sparte, war Suzi Quatro meine sehr heimliche Liebe. Sehr heimlich, weil ich gegenüber meinen Progrock-Freunden nie zugegeben hätte, dass ich âCan the canâ oder â48 Crashâ toll fand. Weil ich die Sängerin so toll fand. Suzi Quatro, die gerade eine Deutschland-Tour absolviert, macht mit 75 immer noch, was sie mit 25 machte. Das machen zwar viele Rockstars, aber es gibt solche, deren Musik und Performance relativ zeitlos sind, und solche, bei denen das nicht der Fall ist. Zur ersten Kategorie gehört Bruce Springsteen, den der Sumpfkopf Trump für âtalentlosâ hält, zur zweiten Kategorie gehört Suzie Quatro. Das ist eine subjektive Feststellung, weil jeder selbst wissen muss, ob er oder sie auf ein Konzert geht, um zu versuchen, sich 2025 noch einmal so zu fühlen wie 1973. Ãber einen möglichen Ruhestand sagte Quatro: âI will retire when I go on stage, shake my ass, and there is silence.â Was immer man heute von ihrer Musik halten mag, ist der Satz in seinem Grundgehalt dennoch für alle interessant, die über den Vorruhestand nachdenken. Es gibt Schweigen, das man hört, auch wenn man den Dingsda nicht schüttelt. Der Sprung von Suzi Quatro zu Julia Klöckner ist gewagt, aber auch sie hat sich zu einer besonderen Form des Schweigens geäuÃert. Die Bundestagspräsidentin ermahnte den Kanzler dieser Tage brieflich, dass in den ersten Wochen des neuen Bundestags die Regierungsbank oft zu dünn besetzt gewesen sei. Vermutlich nimmt Klöckner von ihrem neuen Platz jetzt Dinge wahr, die sie früher als Abgeordnete nicht so sehr bemerkt hatte. Man soll keine Pauschalurteile abgeben, aber Minister und Ministerinnen gehen nicht so gerne in den Bundestag. Einerseits haben sie grässlich viele Termine. Andererseits, und ich bin ein groÃer Freund der parlamentarischen Demokratie, ist es manchmal schon ziemlich fordernd, wenn man an einem Donnerstag nur auf der Pressetribüne, nicht auf der Regierungsbank, sitzt, um den Debatten zuzuhören. Der Diskutierquotient ist niedrig, der Vorlesequotient höher. Nahezu jeder Parlamentskorrespondent und jede Berlin-Reporterin kommt, eher zu Beginn der Hauptstadt-Laufbahn, auf die Idee, mal die groÃe Reportage über den Alltag im Bundestag zu schreiben. (Sehr beliebt ist dabei die Variante der Nachtsitzung, die es häufiger gibt, um Dinge abzuarbeiten.) Manche bringen das Vorhaben wacker zu Ende, bei anderen winkt die Büroleiterin freundlich ab, weil der Bundestagsalltag ungefähr so ein Thema ist wie in München die groÃe Oktoberfest-Geschichte oder, für Spezialliteraten, das Bewandern der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Been there, done that. Als ich früher in Bonn (ja, Kinder, da war mal der Bundestag) und später in Berlin arbeitete, habe ich mich bemüht, immer wieder mal im Parlament zu sitzen. Je länger man in der Hauptstadt tätig war, desto weniger häufig besuchte man den Bundestag, jedenfalls in normalen Parlamentswochen. Man sprach mit vielen Leuten, hörte aber nicht unbedingt den Leuten zu, die im Bundestag sprachen. Es gab einige Kollegen, etwa den eigentlich im Bonner Haus der Geschichte auszustellenden FAZ-Korrespondenten Günter Bannas, die immer wieder im Bundestag saÃen, weil sie das als ihre Pflicht verstanden. Bei anderen war das anders. Bei den meisten war das anders. Jedenfalls wird die Regierungsbank nur dann besser besetzt werden, rein quantitativ gemeint, wenn der Kanzler entweder mit gutem Beispiel vorangeht oder/und Kanzleramtschef Thorsten Frei einen Bundestags-Präsenzdienstplan fürs Kabinett aufstellt. Das Problem kennt man sogar aus der Firma: Fast alle wollen im Home-Office bleiben, obwohl man, anders als im Bundestag, in der Konferenz oder in der Kantine nicht mal Weidel, Storch oder Gauland begegnet. Die passen auch nicht. | |
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| | | | | Ronen Steinke im Gespräch | |
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Ãber Grenzen der Gleichheit. | | | |
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| | | | | | | | Sudoku | | 1 bis 9 - bekommen Sie's auf die Reihe? | | | |
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