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PayPal: Value statt Growth – Und ein Hauch von KI?

Liebe Geldanleger,

 

wenn Wachstums-Unternehmen beim Wachstum schwächeln, kommen Anlegern Zweifel, ob das Unternehmen nicht schon bald vor dem Ende steht. Das ist normal, denn man hat ja ein fest verankertes Bild vor Augen, das man nicht einfach mal so über Bord wirft.

Das ist einerseits hilfreich, andererseits verbaut es einem auch Chancen, weil man neue Entwicklungen nicht richtig einschätzt und möglicherweise nur die Risiken sieht, wo doch auch Chancen warten.

PayPal ist ein solches Unternehmen, das viele Jahre lang stark gewachsen ist. Vor der Corona-Pandemie war es ein Wegbereiter des Online-Handels, weil es Bezahlen im Internet sicher(er) machte. Und während der Pandemie erfuhr es einen Extra-Schub. Doch diese Zeiten sind nun vorbei, die Kundenzahlen stagnieren. Und für den Aktienkurs bedeutete dies, dass er seine starken Kurszuwächse seit dem Spin-off von der damaligen Muttergesellschaft Ebay in 2015 beinahe komplett wieder hergeben musste. Obwohl PayPal seitdem in allen Kennzahlen deutlich besser dasteht als damals. Nur beim Wachstum eben nicht.

PayPal: Ende, aus, vorbei?

Der Online-Zahlungspionier PayPal hat seit dem Spin-off vor 8 Jahren eine außerordentlich erfolgreiche Entwicklung genommen. PayPal ist in vielen Bereichen des Online-Handels noch immer die Standardzahlungsmethode und sorgt auf beiden Seiten der Transaktion für Sicherheit. Bis 2021 zeigte PayPal keinerlei Schwächen, weder im operativen Geschäft noch beim Aktienkurs. Doch seitdem haben sich die Zeiten kräftig verändert und die PayPal-Aktie musste gleich von mehreren Seiten Schläge einstecken.

Das Umfeld hat sich generell verschlechtert, die De-Globalisierungstendenzen aufgrund des Ukraine-Kriegs nehmen zu und reduzieren weltweit die Wachstums-Aussichten; das trifft auch die Zahlungsdienstleister, auch wenn der "War on Cash", also die fortgesetzte Abkehr vom Bargeld ihnen grundsätzlich Rückenwind verleiht. Die hohen Preise samt zweistelligen Inflationsraten brachten deutliche Zinssteigerungen, sowie daraus resultierend ein Abbremsen der Konjunktur mit sich. Das bremst die Wachstums-Aussichten auch im Payment-Sektor.

PayPal erzielt seine Einnahmen überwiegend in zwei Bereichen: Der größte sind die Transaktionseinnahmen, also Einnahmen, die Händlern und Verbrauchern auf Transaktionsbasis überwiegend für das über die Plattform abgewickelte Zahlungsvolumen in Rechnung gestellt werden. Hieraus stammen rund 90% der Einnahmen. Den Rest steuern die sog. Mehrwertdienste bei. Diese stammen aus Partnerschaften, Abonnementgebühren, Gateway-Gebühren und anderen Diensten, die PayPal Händlern und Kunden anbietet, sowie aus Zinsen und Gebühren für seine verschiedenen Kreditprodukte für Verbraucher und Händler.

Diese Zahlen zeigen, dass PayPals Geschäftsmodell gut skalierbar ist: Zusätzliche Umsätze erzeugen keine zusätzlichen Kosten in gleicher Höhe. Daher richtet sich der Blick der Anleger zu Recht auf das Wachstum. Und genau hier hapert es nun.

Nutzerkonten stagnieren

PayPal wies Ende des 2. Quartals 431 Mio. aktive Accounts auf und damit sank deren Zahl zum zweiten Mal in Folge. Zwar nur leicht, aber das starke Wachstum scheint passé zu sein. Das führt zu Anlegersorgen, denn es wird gleichgesetzt mit Misserfolg und zunehmendem Wettbewerb.

Es gibt eine Vielzahl junger FinTechs, die fast täglich neue Angebote launchen. Zudem bieten immer mehr Internet-Shops neben PayPal auch andere Zahlungsmöglichkeiten an und ApplePay und GooglePay und WhatsApp Pay wetteifern um eigene Payment-Kunden. Manche Leute bezeichnen PayPal daher bereits als überflüssig. Doch das dürfte zu kurz gesprungen sein. Denn PayPal bedeutet vor allem eines: Sicherheit.

Man muss nicht seine „richtigen“ Zahlungsdaten im Netz verbreiten, sondern kann seine Kreditkarten- und Kontodaten bei PayPal als Zahlungsoption hinterlegen und sie nicht den zumeist weniger sicheren Datenbanken zahlloser Online-Shops anvertrauen. Zudem genießt man einen hohen Käuferschutz, wenn man mit PayPal bezahlt hat. Und sich mit einer E-Mail-Adresse einzuloggen ist allemal unkomplizierter, als sich endlose Zahlenreihen zu merken.

Es ist aber auch noch ein anderer Aspekt zu berücksichtigen: PayPal wurde lange Zeit dafür kritisiert, dass man die Kundenzahlen ständig steigert, aber an diesen nicht genug verdient. Hier hat der noch amtierende CEO Dan Schulman den Kurs geändert und setzt zunehmen auf Qualität statt auf Quantität. PayPal sondert daher inaktive Konten aus und das macht sich in den Zahlen bemerkbar. Während die Zahl der aktiven Konten unterm Strich leicht rückläufig ist, kommen neue aktive Kunden hinzu, während inaktive ausgemustert werden.

Der Umsatz stieg im 1. Quartal 2023 ggü. dem Vorjahr um gut 7% auf 7,29 Mrd. US-Dollar an.

Allerdings gab es einmalige Einnahmen im 2. Quartal 2022, ohne die das Umsatzwachstum im Jahresvergleich 8,3% betragen hätte. Zu den Einmaleffekten gehörten u.a. 75 Mio. US-Dollar aus Händlerentschädigungen und die Migration kleiner Händlermarken-Kunden auf ein neues Abrechnungssystem. Das Gesamtzahlungsvolumen (Total Payment Volume, TPM) legte um 10,6% auf 376 Mrd. US-Dollar zu. Beachtenswert dabei ist die Zahl der Transaktionen pro aktivem Kunden, die um 12% auf nun 55 zulegte.

Die EBIT-Marge lag im 2. Quartal bei 21,4% und damit unter dem Wert des 1. Quartals, als es noch 22,7% waren. Margenkompression ist selten ein gutes Zeichen und kam am Markt gar nicht gut an. Blickt man allerdings auf die EBIT-Marge im 2. Quartal des Vorjahres, die bei 19,1% gelegen hatte, zeigt sich eigentlich eine deutliche Verbesserung.

Der Free Cashflow ist ins Negative gedreht und endete mit -5,5%. Darauf sollte man aber nicht zu viel geben, denn dies liegt an einem besonderen Ereignis: Finanz-Investor KKR wird PayPal dessen europäische Buy-Now-Pay-Later-Kredite abnehmen - bis zu einem Volumen von 40 Mrd. US-Dollar. PayPal verbuchte im 2. Quartal hieraus eine Belastung in Höhe von 1,2 Mrd. US-Dollar, doch sobald der Verkauf abgeschlossen ist, wird sich dieser Cashflow-Effekt vollständig umkehren. Aus diesem Grund hat PayPal seine Prognose für den Free Cashflow für das Gesamtjahr 2023 bekräftigt.

PayPal führte aus, dass man inzwischen die bevorzugte Plattform für BNPL unter den Verbrauchern sei: 43% der BNPL-Nutzer nutzen die PayPal-Plattform und in der Gruppe der einkommensstarken Verbraucher erreicht PayPal laut einer Umfrage von JPMorgan sogar einen Anteil von über 50%. Bei BNPL wird bis 2030 eine jährliche Wachstumsrate von 22% erwartet.

Durch den KKR-Deal wird PayPal diese Kredite künftig nicht mehr in der eigenen Bilanz haben, was diese verschlankt und gleichzeitig Geld für andere Zwecke freimacht, vor allem Aktien-Rückkäufe.

Unterm Strich blieb ein Quartalsgewinn je Aktie von 1,16 US-Dollar übrig, der um 0,01 US-Dollar unter dem Wert des 1. Quartals lag, aber 0,23 US-Dollar über dem Vorjahreswert von 0,93.

Für das 3. Quartal rechnet das Unternehmen mit einem Nettoumsatz von 7,4 Mrd. US-Dollar, was einer Steigerung von etwa 8% gegenüber dem Vorjahr entspricht, und einem 14% höheren Gewinn je Aktie von 1,23 US-Dollar (Non-GAAP). Das Management wies darauf hin, dass das Vorjahr einen positiven Einfluss von 0,34 US-Dollar aus dem strategischen Investment-Portfolio des Unternehmens enthielt. Ohne diese Auswirkung wird ein Anstieg des Gewinns je Aktie um 43% erwartet.

Free Cashflow und Aktien-Rückkäufe

Der laufende Betrieb von PayPal erfordert nur begrenzte Investitionen, sodass annähernd 100% des Nettogewinns als freier Cashflow zur Verfügung steht. Hieraus speisen sich Dividenden, Aktien-Rückkäufe und Firmen-Zukäufe. Während PayPal vereinzelt mal Geschäfte zukauft, zahlt es bisher keine Dividenden.

Aus Anlegersicht besonders relevant sind hingegen die Aktien-Rückkäufe. Und hier hat PayPal vor einem Jahr bei Vorstellung des neuen Finanz-Chefs gleich ein neues Aktienrückkaufprogramm im Volumen von 15 Mrd. US-Dollar angekündigt. Nach dem KKR-Deal wurde der Teilbetrag für 2023 von 4 auf 5 Mrd. US-Dollar angehoben.

Wer wird neuer CEO?

Dan Schulman hat schon vor einiger Zeit angekündigt, seinen CEO-Posten zum Jahresende abgeben und in den Verwaltungsrat wechseln zu wollen. Er meinte nun, man befände sich mit mehreren aussichtsreichen Kandidaten in Gesprächen und steuere auf die Ziellinie zu. Das wird langsam auch Zeit, denn die Ungewissheit über die neue Führung belastet auch die Aktie.

Und was hat das mit KI zu tun?

KI ist der neue Hype. Zu Recht, was den Einfluss auf unsere Gesellschaft und unser Leben angeht, denn KI wird hier vieles nachhaltig verändern. Das gilt auch für die Geschäfts- und Arbeitswelt.

Da Vorstände auch immer an der Entwicklung des Aktienkurses beurteilt werden und als möglichst agil und zukunftsorientiert gelten möchten, haben sich in den letzten Monaten die Erwähnungen von KI in Pressekonferenzen, Geschäftsberichten und Analystenkonferenzen exponentiell entwickelt. Jedes Unternehmen behauptet, schon immer auf KI gesetzt zu haben und auch jetzt ganz vorne mit dabei zu sein. Das ist natürlich Nonsens. Ein Unternehmen, das beim Kundenservice künftig auf ChatGPT setzt statt auf ein Callcenter ist kein „KI-Wunder“.

Und PayPal? Tja, bei PayPal sieht die Sache anders aus. Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass „generative KI“, also selbst lernende künstliche Intelligenz, erstmal lernen muss. Wie ein Kind muss die KI mit Wissen gefüttert und trainiert werden, dieses Wissen sinnvoll zu verknüpfen und anzuwenden. Über das normale Arbeiten einer Datenbank hinaus muss KI in der Lage sein, aus dem Wissen selbstständig neue Erkenntnisse zu generieren und so neues Wissen zu erschaffen. Das ist das Neue.

„Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden;
es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“

– Johann Wolfgang von Goethe –

Aber... ohne Daten ist KI hilf- und nutzlos. Je besser die Daten, desto besser lernt KI und desto besser werden die von ihr generierten Ergebnisse. In Zeiten von Fake-News, von „alternativen Fakten“, ist das eine große Herausforderung.

„Du hast das Recht, deine eigene Meinung zu haben,
aber nicht deine eigenen Fakten.“

– Michael Bloomberg –

Daten sind das neue Gold, vor allem im KI-Zeitalter. Ging es bisher darum, Nutzerverhalten und -vorlieben vor allem für zielgruppenspezifische Werbung einzusetzen, wird es künftig unter dem Einfluss der KI so aussehen, dass die Nutzer nicht mehr mitbekommen, dass ihnen Werbung untergejubelt wird. Wenn jeder seinen persönlichen KI-Assistenten hat und diesen wie einen normalen, beinahe allwissenden Gesprächspartner nutzt, dann werden dessen Antworten den Nutzer lenken. Und je besser die Datengrundlage ist, desto besser werden die Empfehlungen zum Anwender passen.

Und PayPal hat die Daten. Richtige Daten. PayPal weiß, wo die Kunden einkaufen, es weiß, was sie einkaufen. Und daraus kann eine KI direkte Erkenntnisse ziehen und sie miteinander verknüpfen, aber sie kann daraus auch neue Erkenntnisse generieren und so Vorlieben und Bedürfnisse aufdecken, die der Kunde auf den ersten Blick gar nicht hat bzw. offenbart.

Offen ist noch, ob PayPal diesen Datenschatz selbst heben kann und will, oder ob man sich damit an einen Partner wendet. Einen Spezialisten wie zum Beispiel Palantir. Das Unternehmen hat einen illustren Großinvestor: Peter Thiel. Jener Peter Thiel, der in früheren Jahren zusammen mit Elon Musk bei PayPal eingestiegen war und daraus ein Payment-Unternehmen formte, das man dann an Ebay verkaufte. Gegründet wurde Palantir übrigens von ehemaligen PayPal-Mitarbeitern und auch sein heutiger CEO Alex Karp war früher bei PayPal.

Elon Musk spielt eher am anderen Ende noch mit. Denn nachdem er das Social Network Twitter übernommen und von der Börse genommen hatte, wurde dieses kürzlich in „X“ umbenannt. Musk äußerte sich so, dass er die App zu einer Super-App ausbauen wolle nach dem Vorbild von WeChat (Tencent), also inkl. Zahlungsoptionen.

Da guckste... denn dies ist einer der zentralen Vorwürfe an PayPal, dass man es versäumt habe, genau diese Chance zu nutzen und sich selbst zur Super-App aufzuschwingen. Ein paar Versuche dazu gab es allerdings, wenn auch eher behäbig. So wurden in den USA der Krypto-Handel und eine eigene Krypto-Wallet eingeführt. Zudem bietet die App nun die Möglichkeit, bequem per QR-Code zu bezahlen. Für Händler entfällt hierbei das Erfordernis einer Hardwarelösung. Darüber hinaus will man mit der zugekauften Browsererweiterung Honey im Bereich der Loyalty-Programme kräftig punkten.

Bisher sind das noch weitgehend ungenutzte Potenziale und der neue CEO kann und muss hier ordentlich durchstarten.

(Ich war mir sicher, Michael würde jetzt die Spekulation aufmachen, das ja Twitter bzw. X und PayPal sich zusammenschließen könnten. Nachdem es Michael nicht gemacht hat, tue ich es hiermit; Anm. Armin Brack)

PayPal Inc. (ISIN: US70450Y1038)
WKN / Kürzel
Börsenwert
KGV 22/23e/24e
Kurs
A14R7U / PYPL
69 Mrd. USD
34 / 19 / 16
63,80 USD


Unser Fazit

Die PayPal-Aktie ist deutlich attraktiver bewertet als vor einem Jahr. Das damals noch höhere Wachstum musste mit einem sehr viel höheren Bewertungsaufschlag bezahlt werden, doch auf dem aktuellen Kursniveau erreicht die Aktie beinahe schon Value-Qualitäten. Sie erzielt stabile Cashflows, satte Gewinne und kauft massiv eigene Aktien zurück.

PayPal hat Potenzial und kann sich zur Super-App mausern. Hier muss man aber endlich in die Gänge kommen. Und man kann im Bereich KI mit seinem ständig anwachsenden Datenschatz punkten – entweder allein oder mit einem Partner.

PayPal wird oft als Dinosaurier bezeichnet und damit assoziiert man vor allem deren Aussterben. Dabei wird gerne übersehen, dass die Dinos die Erde rund 170 Millionen Jahre lang beherrschten, während wir Menschen gerade mal 30.000 Jahre hier unser Unwesen treiben – sofern man das Aussterben des Neandertalers bzw. sein Verdrängen durch den Homo Sapiens als Startzeitpunkt festsetzt. Da könnte also noch was gehen, so oder so...


Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig.

Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte:
Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: - - -

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Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen &
ein schönes Wochenende wünscht Dir

Dein
Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

>> Die nächste Ausgabe erscheint am 12. August

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