Rechts-Newsletter der Kanzlei Dr. Bahr: 21. KW / 20. Mai 2020

Sehr geehrte(r) Do,


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 21. KW im Jahre 2020. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: https://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html

Die Themen im Überblick:

1. BGH: Online-Plattform "wenigermiete.de" darf auch "Mietpreisbremse"-Ansprüche für Mieter durchsetzen

2. KG Berlin: Auch private Videokonferenz-Software des Richters darf bei mündlicher Verhandlung genutzt werden

3. OLG Hamburg: Grundpreisangabe nicht zwingend in räumlicher Nähe zum Preis erforderlich

4. VG Hannover: Niedersächsisches Justizministerium muss an Presse Auskunft über "Corona-Erlasse" geben

5. LG Heidelberg: Verivox muss auf eingeschränkten Online-Vergleich hinweisen

6. LAG Köln: Wegen exzessiver Privatnutzung von Internet und E-Mail außerordentliche Kündigung gerechtfertigt

7. LG Osnabrück: Inkassobüro darf nicht mit "...Auswirkungen auf Ihre Kreditwürdigkeit" drohen

8. LAG Rostock: Erforderliches Fachwissen des Datenschutzbeauftragten

9. VG Mainz: Bürger hat DSGVO-Anspruch auf ermessensfehlerfreies Einschreiten der Datenschutzbehörde

10. Microsoft mahnt Berliner Datenschutzbeauftragte wegen Videokonferenz-Leitfaden ab



Die einzelnen News:

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1. BGH: Online-Plattform "wenigermiete.de" darf auch "Mietpreisbremse"-Ansprüche für Mieter durchsetzen
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Die Online-Plattform "wenigermiete.de"  ist auch berechtigt, Ansprüche aus der sogenannten "Mietpreisbremse" für Mieter durchzusetzen
(BGH, Urt. v. 08.04.2020 - Az.: VIII ZR 130/19).

Der BGH hatte erst im November letzten Jahres in einer Grundlagen-Entscheidung geurteilt, dass das Portal nicht gegen die gesetzlichen Regelungen verstößt, insbesondere nicht gegen Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) (BGH, Urt. v. 29.11.2019 - Az.:VIII ZR 285/18).

Nun ging es um die Frage, wie weitreichend die Befugnisse der Plattform seien. Zuletzt hatte das Landgericht Berlin in einer Entscheidung von April 2020 festgestellt, dass das Unternehmen zwar berechtigt ist, zu viel bezahlte Miete, die gegen die "Mietpreisbremse" verstößt, zurückzufordern.

Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn diese Tätigkeit als Mittel zum Zweck der Durchsetzung der "Mietpreisbremse" und nicht als eigenständige Inkassotätigkeit im Sinne des RDG zu bewerten sei. Im vorliegenden Fall hatte der Auftrag des Mieters gelautet, für ihn die "Mietpreisbremse" beim Vermieter durchzusetzen und die vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, vgl. unsere Kanzlei-News v. 07.05.2020.

Dieser restriktiven Ansicht hat der BGH nun eine klare Absage erteilt.

"Wenigermiete.de"  sei auch in diesen Fällen berechtigt, die Ansprüche der Mieter vor Gericht durchzusetzen und sei aktiv-legitimiert:
""Hierbei verkennt das Berufungsgericht, dass sich aus der vom Gesetzgeber des Rechtsdienstleistungsgesetzes herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsberatungsgesetz eine zeitliche Beschränkung der zulässigen Rechtsberatung nicht ergibt; mit dem Begriff "beim Forderungseinzug" soll vielmehr zum Ausdruck gebracht werden, dass die Rechtsberatung in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Forderungseinzug stehen muss. 
Weiter übersieht es, dass nach dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten und vom Gesetzgeber des Rechtsdienstleistungsgesetzes übernommenen Verständnis einer erlaubten Inkassotätigkeit nicht nur ein Einzug unangefochtener oder rechtlich in jeder Hinsicht zuverlässig einschätzbarer Forderungen erlaubt ist. Vielmehr ist davon auch die Befugnis des Inkassounternehmens umfasst, seine Kunden bereits im Vorfeld eines Forderungseinzugs darüber zu beraten, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe eine Forderung besteht, und gegebenenfalls mögliche Erfolgsaussichten zu prognostizieren (...)."


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2. KG Berlin: Auch private Videokonferenz-Software des Richters darf bei mündlicher Verhandlung genutzt werden
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In einer aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzung hat das KG Berlin festgestellt, dass ein Richter auch seinen privat genutzten Laptop und seine private Videokonferenz-Software im Rahmen der mündlichen Verhandlung einsetzen darf (Urt. v. 12.05.2020 - Az.: 31 U 125/19).

Es ging um eine baurechtliche Auseinandersetzung, bei dem ein Ingenieur auf Zahlung seines Honorars klagte.

Die mündliche Verhandlung fand am 05.05.2020, also mitten während der Corona-Zeit, statt. Dabei verwendeten die Robenträger private Notebooks und ihre private Webkonferenz-Applikation.

Das sei nicht zu beanstanden, so die Richter in ihrem Urteil:
"Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, insbesondere hat der Senat am 5. Mai 2020 eine ordnungsgemäße mündliche Verhandlung durchgeführt.

Bei dieser waren nur die drei Mitglieder des Senats im Sitzungssaal des Kammergerichts anwesend, haben dort aber eine Videokonferenz mit den Prozessbevollmächtigten beider Parteien abgehalten, die über eine Webkonferenz-Software zugeschaltet waren. Diese Vorgehensweise ist von § 128a Abs. 1 ZPO gedeckt.

Dass die von den Senatsmitgliedern genutzten Notebooks und die verwendete Webkonferenz-Software nicht vom Gericht, sondern von den Senatsmitgliedern privat gestellt waren, ist unerheblich. § 128a Abs. 1 ZPO ist insoweit keine Einschränkung zu entnehmen.

Die Verhandlung war auch öffentlich, da das Kammergericht zur Zeit der Verhandlung unbeschadet der Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus für die Öffentlichkeit zugänglich und der Saal, in dem die drei Senatsmitglieder saßen, ebenfalls geöffnet war."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Leider lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, welche Software konkret zum Einsatz gekommen ist.

Aufhorchen lässt vor allem der Umstand, dass hier zu öffentlichen Zwecken (nämlich der Rechtspflege) ein Richter sein Videokonferenz-Tool zum Einsatz bringt. Es dürfte auf der Hand liegen, dass sich daraus zahlreiche unlösbare DSGVO-Folgeprobleme ergeben.

So lebenswert die pragmatische Lösung der Richter ist, umso erstaunlicher ist es, dass mit keinem einzigen Wort die DSGVO-Problematik angesprochen wird. Vielmehr wird alle Einwendungen mit einem bloßen "... ist unerheblich"  abgetan.

Es stellt sich immer häufiger die Frage: Wie soll man als Anwalt seinem unternehmerischen Mandanten erklären, dass er sich an die strengen DSGVO-Regelungen halten soll, wenn jetzt auch die Judikative beginnt, sich nicht mehr an die Datenschutzregeln zu halten und ihre eigenen Brötchen backt?

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3. OLG Hamburg: Grundpreisangabe nicht zwingend in räumlicher Nähe zum Preis erforderlich
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Die Grundpreisangabe muss nicht in räumlicher Nähe zum eigentlichen Preis erfolgen, sondern kann auch an anderer Stelle stehen. Das merkmal der "räumlichen Nähe" aus der PAngVO ist in richtlinienkonformer Auslegung nicht mehr vorauszusetzen (OLG, Beschl. v. 22.4.2020 - Az.: 3 U154/19).

Es ging um die Frage, ob online die Grundpreisangabe für bestimmte Produkte in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Pres zu erfolgen hat. Eine solche Verpflichtung ergibt sich aus dem Wortlaut aus
§ 2 Abs.1 PAngVO:
"§ 2 Grundpreis
(1) Wer Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, hat neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gemäß Absatz 3 Satz 1, 2, 4 oder 5 anzugeben.

Dies gilt auch für denjenigen, der als Anbieter dieser Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt. Auf die Angabe des Grundpreises kann verzichtet werden, wenn dieser mit dem Gesamtpreis identisch ist."

Bereits das LG Hamburg (Urt. v. 20.08.2019 - Az.: 406 HKO 106/19) verneinte - entgegen der expliziten gesetzlichen Formulierung - dieses Erfordernis. Denn die entsprechende Preisangaben-Richtlinie verzichte auf eine solche Einschränkung, vgl. unsere News v. 10.09.2019.

Nun hat das OLG Hamburg sich dieser Ansicht in einem aktuellen Hinweis-Beschluss angeschlossen:
"Der Senat geht mit der von der Antragsgegnerin angeführten Rechtsprechung des OLG Naumburg in seinem Urteil vom 09.04.2015 davon aus, dass das in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV genannte Kriterium der „umittelbaren Nähe“ über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie (...) hinausgeht und deshalb die genannte Vorschrift vor dem Hintergrund der Vorrangregelung des Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass dieses Kriteriums nicht zu berücksichtigen ist (...)

Das Erfordernis der Angabe des Grundpreises in „unmittelbaren Nähe“ des Gesamtpreises geht aber über die Anforderungen der Richtlinie hinaus und ist damit restriktiver als diese, weil nicht für alle Fallgestaltungen zwingend erscheint, dass sich die von der Richtlinie geforderte klare Erkennbarkeit nur durch die Angabe des Grundpreises in „unmittelbaren Nähe“ des Gesamtpreises herstellen lässt. (...)

Ob die gute Erkennbarkeit der Grundpreisangabe danach möglicherweise nur durch deren Angabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises hergestellt werden kann, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles."


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4. VG Hannover: Niedersächsisches Justizministerium muss an Presse Auskunft über "Corona-Erlasse" geben
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Das VG Hannover gibt Eileintrag eines Journalisten statt, der, gestützt auf Vorschriften des Umweltinformationsrechts, die Zugänglichmachung der Erlasse begehrt, die das Niedersächsische Justizministerium auf die Corona-Pandemie erlassen hat.

Der Antragsteller ist Journalist und Projektleiter des Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., der sich für Transparenz einsetzt und unter anderem die Website www.fragdenstaat.de betreibt.

Er stellte bei dem Antragsgegner einen „Antrag nach dem NUIG/VIG“ und bat um die Zusendung sämtlicher Erlasse, die der Antragsgegner in Bezug auf den Umgang mit der Corona-Pandemie verfasst habe. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass es sich bei den angeforderten Dokumenten nicht um Umweltinformationen handele.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass es sich bei den Erlassen um Umweltinformationen handele. Das Corona-Virus breite sich hauptsächlich über Tröpfcheninfektion beim Husten und Niesen, aber auch beim gewöhnlichen Sprechen aus. Die Viren seien in den Tröpfchen enthalten. Beim Sprechen bildeten sich Aerosole (= mit besonders kleinen Tröpfchen angereicherte Atemluft), die besonders lange in der Luft stehen blieben.

Über die Atmung der viral belasteten Luft könne eine Infektion mit dem Corona-Virus erfolgen. Die Erlasse setzten an dem Verbreitungsweg des Virus an und bezweckten nicht zuletzt, die Luft von entsprechenden Bestandteilen freizuhalten. Es handele sich damit um Maßnahmen, die sich auf Umweltbestandteile, nämlich den Virusgehalt der Atemluft, unmittelbar auswirkten. Die Zahl der Neuinfektionen führe offenbar zu erheblichen Einschränkungen des gewöhnlichen Betriebs im niedersächsischen Gerichtswesen. Vor diesem Hintergrund bestehe ein akutes Bedürfnis zur inhaltlichen Kenntnisnahme der Erlasse, um sich – als Journalist und als Teil der Öffentlichkeit – damit auseinandersetzen zu können. Dieses Bedürfnis ergebe sich unter anderem aus der Notwendigkeit zur Kontrolle des Regierungshandelns mit Blick auf die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz, das Grundrecht auf Zugang zu den Gerichten und effektiven Rechtsschutz sowie den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen.

Das Niedersächsische Justizministerium hält an seiner Auffassung fest, es handele sich nicht um Umweltinformationen. Die Erlasse dienten nicht dem Schutz der Luft als solcher, sondern dem Schutz von Menschen vor Infektionen. Wegen des Verbotes der Wegnahme der Hauptsache komme eine Herausgabe im Wege der einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

Die 4. Kammer des Gerichts hat dem Antrag mit Beschluss vom 12. Mai 2020 stattgegeben. Bei den Erlassen handele es sich um Umweltinformationen im Sinne der Umweltinformationsgesetze. Der Begriff sei nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts weit auszulegen. Erforderlich für eine Einstufung als Umweltinformation sei nicht, dass die Maßnahme den Schutz der Luft als solcher bezwecke; es reiche ein Bezug der Maßnahme zum Umweltbestandteil Luft, der hier gegeben sei, weil sich das Virus maßgeblich über die Luft verbreite.

Es werde durch Aerosole übertragen. Ziel der Maßnahmen des Antragsgegners sei es (unter anderem), die Viren- und Aerosolbelastung vor allem der Luft in den Bereichen, in denen sich Bedienstete und/oder Besucher aufhielten bzw. diesen Viren bzw. Aerosolen ausgesetzt wären, zu verringern.

Der Antragsteller habe auch die nötige Eilbedürftigkeit darlegen können. Die Corona-Pandemie sei für Staat und Gesellschaft eine der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Das Handeln staatlicher Organe in dieser Krise - insbesondere der Exekutive - berühre grundlegende (rechts-)staatliche Prinzipien wie etwa die Gewaltenteilung und die Grundrechte, die zum Schutz von Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von durch Viren belasteter Luft (Aerosole) massiv eingeschränkt würden. In einer solchen Situation komme der Frage nach der Funktionsfähigkeit der Justiz und einer möglichen Einflussnahme der Exekutive auf die Judikative und die Unabhängigkeit der Justiz besondere Bedeutung zu.

Vor dem Hintergrund der Dynamik der Pandemie und der Schnelllebigkeit des öffentlichen Diskurses werde eine Aufarbeitung der vom Antragsteller aufgeworfenen Fragen nach rechtskräftigem Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht im Ansatz in gleichem Maße möglich sein. Die Angaben seien dann allenfalls von historischem Interesse.

Der Antragsteller müsse sich auch nicht auf die Pressemitteilungen und die Informationen auf der Website des Justizministeriums verweisen lassen und darauf vertrauen, dass diese vollständig und sachlich richtig seien.

Gegen die Entscheidung kann Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.

Az.: 4 B 2369/20

Quelle: Pressemitteilung des VG Hannover v. 12.05.2020

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5. LG Heidelberg: Verivox muss auf eingeschränkten Online-Vergleich hinweisen
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Das Online-Portal Verivox  muss die User darauf hinweisen, wenn im Rahmen eines Vergleichs für Privathaftpflichtversicherungen nicht alle Anbieter einbezogen werden, sondern der Test auf einer eingeschränkten Marktauswahl beruht
(LG Heidelberg, Urt. v. 06.03.2020 - Az.: 6 O 7/19).

Verivox  bot auf seinem Portal einen Vergleich von Privathaftpflichtversicherungen an. Dabei waren jedoch nur ca. 50 % des Marktes berücksichtigt. Zahlreiche namhafte Versicherer nahmen an dem Vergleich nicht teil.

Dies stufte das LG Heidelberg als wettbewerbswidrig ein.

Verivox  sei als Versicherungsvermittler verpflichtet, den Kunden explizit darauf hinzuweisen, dass ihrer Bewertung nur eine eingeschränkte Auswahl von Versicherern zugrunde liege.

Dieser Verpflichtung sei das Unternehmen nicht nachgekommen und habe damit einen Wettbewerbsverstoß begangen.

Es bedürfe einer ausdrücklichen Information des Kunden, wenn nur ein eingeschränkter Vergleich stattfinde. Es reiche nicht aus, derartige Aufklärungen in den versicherungsrechtlichen Erstinformationen oder an anderer, unauffälliger Stelle zu platzieren:
"Der potentielle Versicherungsnehmer gibt auf dieser Seite die für die Versicherungsauswahl benötigten Daten in einer Maske in untereinander folgende Felder ein. In direkter Verlängerung des letzten Eingabefeldes nach unten befindet sich ein den Eingabefeldern in seiner Form vergleichbarer Kasten, in dem durch orangefarbene Hinterlegung hervorgehoben und in größerer Schrift als alle übrigen Angaben auf der Seite „jetzt vergleichen" steht. Die beiden hier interessierenden Links befinden sich dagegen ganz links außen am unteren Bildrand in einer deutlich kleineren Schrift als „jetzt vergleichen“. 

Die Links liegen daher nicht in der Bearbeitungszone des Kunden und sind vom Schriftbild her so unauffällig gestaltet, dass die Gefahr besteht, dass ein gewisser Anteil von Kunden auf den Button Jetzt vergleichen“ drücken wird, ohne die Links „Teilnehmende Gesellschaften“ und „Verbraucherinformation“ überhaupt wahrgenommen zu haben. Die Überschriften der Links sind zudem nicht so ausgestaltet, dass der Kunde dort wesentliche Informationen zur Beratungsgrundlage der Beklagten vermuten würde."

Und weiter:
"Der Begriff „Verbraucherinformationen“ ist sehr allgemein gehalten. Aber auch aus dem Begriff „Teilnehmende Versicherer“ muss der Kunde Schlüsse ziehen, um auf die Idee zu kommen, dass die Beklagte als Versicherungsmaklerin nicht auf der Grundlage einer hinreichenden Anzahl von Versicherern berät.

Der Kunde muss zunächst einmal überhaupt darauf schließen, dass es auch nicht teilnehmende Versicherer gibt - er kann den Link auch als Link zu Namen und Adressen aller marktrelevanten Versicherer verstehen. Sodann muss er noch darauf schließen, dass der Anteil der nicht teilnehmenden Versicherer so groß ist, dass von einer eingeschränkten Beratungsgrundlage auszugehen ist."


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6. LAG Köln: Wegen exzessiver Privatnutzung von Internet und E-Mail außerordentliche Kündigung gerechtfertigt
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Wegen exzessiver Privatnutzung von Internet und E-Mail kann einem Arbeitnehmer außerordentlich gekündigt werden
(LAG Köln, Urt. v. 07.02.2020 - Az.: 4 SA 329/19).

Der Kläger war bei einem Unternehmen angestellt, das im Bereich Webdesign, Social Media und Online-Marketing tätig war. Der Kläger war der einzige Mitarbeiter der Beklagten.

Vertraglich war vereinbart, dass die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte IT-Infrastruktur nicht zu privaten Zwecken benutzt werden durfte. Gleichwohl verwendete der Kläger sowohl an mehreren Tagen durchgehend als auch über Monate hinweg regelmäßig für private Motive das Internet und E-Mails.

Daraufhin kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich. Hiergegen wehrte er sich vor Gericht.

Der Arbeitgeber wies das Fehlverhalten vor Gericht mittels Inhalte aus den E-Mails auf dem dienstlichen Laptop und dem Browser-Cache nach.

Nun stellte sich die Frage, ob der Arbeitgeber diese Inhalte überhaupt speichern und bei Gericht vorliegen durfte. Oder ob ein Beweisverwertungsverbot gegeben war.

Im Ergebnis bejahten die Robenträger die Verwendung der Informationen:
"Einer prozessualen Verwertung der Inhalte der E-Mails auf dem dienstlichen Laptop und der Einträge in den Log-Dateien der Internet-Browser steht auch kein sog. prozessuales Verwertungsverbot (...) entgegen.

Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers ein (1. Stufe), das – jedenfalls außerhalb des unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung – nicht schrankenlos gewährleistet wird, überwiegt bei einer Güterabwägung das Interesse des Arbeitgebers an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Umstände auf Seiten des Arbeitgebers hinzutreten (2. Stufe)."

Auf den konkreten Fall übertragen, führt das Gericht aus:
"Vorliegend gestattet (...) § 32 Abs. 1 BDSG aF / § 26 Abs. 1 BDSG nF der Beklagten sowohl Erhebung und Verarbeitung (Speicherung) der bei Internetnutzung entstehenden Verlaufsdaten in der Browserchronik und der E-Mails, als auch deren spätere Nutzung (Auswertung), auch im vorliegenden Prozess.

Hiernach dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. (...) 

Dass die Beklagte die ausgewerteten personenbezogenen Daten im Kündigungsschutzprozess auch als Beweismittel nutzen wollte, diente zudem der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (...)"


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7. LG Osnabrück: Inkassobüro darf nicht mit "...Auswirkungen auf Ihre Kreditwürdigkeit" drohen
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Ein Inkassobüro darf in einem Schreiben an einen Schuldner nicht nachfolgenden Satz verwenden "Sorgen Sie für eine fristgerechte Zahlung, um weitere Kosten (Gerichts-, Anwalts¬ und Vollstreckungskosten) und Auswirkungen auf Ihre Kreditwürdigkeit zu vermeiden. Bei Zahlungsschwierigkeiten bitten wir um telefonische Kontaktaufnahme"  
(LG Osnabrück, Urt. v. 29.04.2020 - Az.: 18 O 400/19).

Das verklagte Inkassobüro hatte einen Verbraucher, bei dem eine offene Forderung bestand, angeschrieben. Auf dem Briefkopf befand sich der Hinweis "Vertragspartner der SCHUFA". Im letzten Absatz des Anschreibens hieß es dann:
"Sorgen Sie für eine fristgerechte Zahlung, um weitere Kosten (Gerichts-, Anwalts¬ und Vollstreckungskosten) und Auswirkungen auf Ihre Kreditwürdigkeit zu vermeiden. Bei Zahlungsschwierigkeiten bitten wir um telefonische Kontaktaufnahme."

Das LG Osnabrück stufte dies als wettbewerbswidrig ein. Denn durch die benutzen Aussagen entstünde der Eindruck, dass das Inkassobüro ohne weiteres berechtigt sei, die offenen Verbindlichkeiten an die SCHUFA zu melden.

Der erste Teil des Satzes ("Sorgen Sie für eine fristgerechte Zahlung...")  sei nicht zu beanstanden. Durch die Verwendung des Wortes "und" entstünde beim Verbraucher die Einschätzung, dass im Falle der Nichtzahlung auch außergerichtlich negative Effekte auf die Kreditwürdigkeit die Folge seien:
"Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich mögliche Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers somit nicht erst nach Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens bzw. einer nachfolgenden Zwangsvollstreckung. 

Für den Empfänger erscheinen beide Folgen vielmehr gleichwertig nebeneinanderstehend. Dies hat dann aber zur Folge, dass er bei diesem Verständnis im Falle der Nichtzahlung neben oder anstatt einer gerichtlichen Geltendmachung auch mit weiteren Maßnahmen seitens der Beklagten rechnen muss, die Auswirkungen auf seine Kreditwürdigkeit haben. Da die Beklagte in ihrem Briefkopf darauf hinweist, Vertragspartner der SCHUFA zu sein, ergibt sich für den Verbraucher daraus zwanglos die Befürchtung, dass eine Meldung zumindest an dieses Unternehmen erfolgen könnte."

Die Weitermeldung eines Schuldners an eine Auskunftei sei jedoch nur unter den engen Voraussetzungen der DSGVO, namentlich der berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO, möglich und nicht, wie die Beklagte den Anschein erwecke, ohne größe Voraussetzungen.

Daher liege in dem Schreiben eine Wettbewerbsverletzung.

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8. LAG Rostock: Erforderliches Fachwissen des Datenschutzbeauftragten
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Das LAG Rostock hat die Frage beantwortet, welches erforderliche Fachwissen ein Datenschutzbeauftragter haben muss 
(LAG Rostock, Urt. v. 25.02.2020 - Az.: 5 Sa 108/19).

Der Kläger war als  Datenschutzbeauftragter bei der Beklagten angestellt. Die Beklagte kündigte dem Kläger eines Tages, weil sie der Meinung war, dass er nicht (mehr) über die fachliche Qualifikation als Datenschutzbeauftragter verfüge.

Gegen diese Kündigung wehrte sich der Kläger vor Gericht.

Das Arbeitsgericht entschied, dass die Kündigung unwirksam sei. Denn der Kläger besitzte sowohl die erforderliche Sachkunde als auch die notwendige Zuverlässigkeit zur Erfüllung seiner Verpflichtungen.

Zur Sachkunde führt das Gericht aus:
"Das Gesetz knüpft die Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht an eine bestimmte Ausbildung oder näher bezeichnete Fachkenntnisse. Welche Sachkunde hierfür erforderlich ist, richtet sich insbesondere nach der Größe der zu betreuenden Organisationseinheit, dem Umfang der anfallenden Datenverarbeitungsvorgänge, den eingesetzten IT-Verfahren, dem Typus der anfallenden Daten usw. Regelmäßig sind Kenntnisse des Datenschutzrechts, zur Technik der Datenverarbeitung und zu den betrieblichen Abläufen erforderlich (...).

Verfügt der Datenschutzbeauftragte nur in einem Teilbereich über eine eigene Qualifikation, genügt es, wenn er im Übrigen auf fachkundige Mitarbeiter zurückgreifen kann (...). Des Weiteren sind Fortbildungen zu den neuen technischen Entwicklungen und Gesetzesänderungen bzw. Entwicklungen in der Rechtsprechung unerlässlich (...)."

Und hinsichtlich der Zuverlässigkeit heißt es:
"Der Datenschutzbeauftragte muss nicht nur die nötigen Fachkenntnisse besitzen, sondern auch die Gewähr bieten, dass er seinen Aufgaben gewissenhaft nachkommt und nicht gegen seine Pflichten als Datenschutzbeauftragter, z. B. gegen seine Verschwiegenheitspflicht, verstößt.

Eine schwerwiegende Verletzung allgemeiner arbeitsvertraglicher Pflichten kann ebenfalls die Zuverlässigkeit in Frage stellen, beispielsweise Diebstahl, Unterschlagung, vorsätzliche Rufschädigung, Tätlichkeiten gegen andere Beschäftigte etc. Die Zuverlässigkeit ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten zu bewerten.

Der Datenschutzbeauftragte hat die Aufgabe, eine wirkungsvolle Eigenkontrolle der datenschutzrechtlichen Vorschriften sicherzustellen, um dadurch zugleich öffentliche Kontrollstellen zu entlasten (...). Die zum Datenschutzbeauftragten bestellte Person muss (...) eine wirksame Selbstkontrolle gewährleisten können. Bei einem internen Datenschutzbeauftragten lässt sich dessen Stellung als Datenschutzbeauftragter nicht vollständig von dem zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis trennen. Eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann dazu führen, dass eine zuverlässige Ausübung der datenschutzrechtlichen Selbstkontrolle nicht mehr möglich ist. Besitzt der Datenschutzbeauftragte aufgrund eines solchen Fehlverhaltens nicht mehr das nötige Vertrauen, ist es u. a. ausgeschlossen, ihm die für seine Tätigkeit erforderlichen Informationen unter Einschluss von Berufs- und Amtsgeheimnissen (...) anzuvertrauen."

Das LAG Rostock sah beide Voraussetzungen als erfüllt an, sodass die Abberufung als Datenschutzbeauftragter nicht rechtmäßig war.

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9. VG Mainz: Bürger hat DSGVO-Anspruch auf ermessensfehlerfreies Einschreiten der Datenschutzbehörde
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Ein Bürger hat einen DSGVO-Anspruch gegen die Datenschutzbehörde auf ein ermessensfehlerfreies Einschreiten
(VG Mainz, Urt. v. 16.01.2020 - Az.: 1 K 129/19.MZ).

Der Kläger wehrte sich gegen einen ablehnenden Bescheid der Datenschutzbehörde in Rheinland-Pfalz.

Er hatte gegenüber dem Amt gerügt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungsakten, in denen bestimmte personenbezogene Daten von ihm enthalten waren, an mehrere Verteidiger weitergegeben hatte. Die Gewährung der Akteneinsicht sei zu weitreichend gewesen, da in den Unterlagen auch Informationen über ihn enthalten sein, die für das Strafverfahren nicht von Bedeutung gewesen seien.

Die eingeschaltete Datenschutzbehörde sah darin keinen Verstoß und entschied, dass das Beschwerdeverfahren des Klägers einzustellen war. Gegen diese Entscheidung ging der Kläger gerichtlich vor.

Das VG Mainz stellt zunächst klar, dass der ablehnende Beschluss der Datenschutzbehörde ein Verwaltungsakt sei, gegen den sich ein Bürger gerichtlich wehren könne.

Inhaltlich bestünde jedoch kein Anspruch auf ein bestimmtes Einschreiten. Vielmehr gebe es nur die Verpflichtung, dass die Behörde ermessensfehlerfrei tätig werde. Lediglich dann, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, könne ein konkretes Handeln verlangt werden. Hierbei handle es sich jedoch um seltene Ausnahmefälle.

Im vorliegenden Fall bewertete das VG Mainz die Entscheidung der Datenschutzbehörde als rechtmäßig, da inhaltlich keine DSGVO-Verletzung erkennbar sei, und wies die Klage ab.

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10. Microsoft mahnt Berliner Datenschutzbeauftragte wegen Videokonferenz-Leitfaden ab
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Microsoft  mahnt die Berliner Datenschutzbeauftragte wegen Videokonferenz-Leitfaden ab, so die Aussage eines aktuellen
t-online.de-Berichts.

Die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Maja Smoltczyk  hatte vor wenigen Wochen eine aktuelle Bewertung zu den gängigen Video-Konferenz-Tools abgegeben und dabei u.a. behauptet, dass SkypeMicrosoft Teams und Zoom  angeblich datenschutzwidrig seien, vgl. dazu unsere Kanzlei-News v. 17.04.2020.

Dies hatte für viel Kritik gesorgt, vor allem weil die Einschätzung nicht näher begründet wurde, sondern das Dokument nur pauschale Aussagen enthielt.

Das Schreiben von Microsoft  soll vom 05.05.2020 stammen. Die Inhalte der Berliner Behörde sind inzwischen nicht mehr abrufbar.

Microsoft  hatte auch bereits zu dem Thema eine eigene Pressemitteilung herausgegeben, in dem es die Berliner Anmerkungen für grundlegend falsch hält.

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Eine interessante Entwicklung, die möglicherweise für mehr Rechtssicherheit beim Thema Videokonferenzen sorgen könnte. Wenn nämlich Microsoft  tatsächlich vor Gericht gehen sollte, wird es erstmalig ein deutsches Urteil zu der Problematik geben.

Momentan herrscht sowohl auf der rechtlichen als auch auf der tatsächlichen Ebene in Deutschland mehr oder minder ein absolutes Chaos. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der eskalierende Streit über die WhatsApp- und Skype-Nutzung in Niedersächsischen Schulen, vgl. unsere Kanzlei-News v. 23.04.2020.

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Registriert bei der Deutschen Bibliothek: ISSN 0340-3718

Verantwortlicher Herausgeber ist

RA Dr. Martin Bahr
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Tel.: 040 - 35 01 77 60, Fax: 040 - 35 01 77 61
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