| | Die einzelnen News | | 1. | BGH: Online-Kündigungsbutton auch bei Dauerschuldverhältnissen mit einmaliger Zahlungsverpflichtung notwendig | Auch bei einem Online-Dauerschuldverhältnis, bei dem der Kunde lediglich eine einmalige Zahlung leistet (hier: das Vorteilsprogramms “UP Plus” von Otto), besteht die gesetzliche Pflicht, einen Kündigungsbutton gemäß § 312k BGB bereitzustellen (BGH, Urt. v. 22.05.2025 - Az.: I ZR 161/24). Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte den bekannten Online-Händler Otto verklagt. Gegenstand des Rechtsstreits war das kostenpflichtige Vorteilsprogramm “UP Plus”, das Otto auf seiner Internetseite anbot. Für eine einmalige Zahlung von 9,90 EUR erhielt der Kunde bestimmte Leistungen, wobei der Vertrag nach Ablauf von zwölf Monaten automatisch endete. Eine Verlängerung war nicht vorgesehen. Einen Kündigungsbutton nach § 312k BGB hielt Otto auf der Webseite nicht vor. Die Verbraucherschützer sahen dies als wettbewerbswidrig und klagte. Die Vorinstanz, das OLG Hamburg, verneinte eine Rechtsverletzung, vgl. unsere Kanzlei-News v. 15.11.2024. Der BGH hob diese Entscheidung in der Revision auf und bejahte nun einen Wettbewerbsverstoß. Auch bei Verträgen mit einer einmaliger Zahlung, die aber auf eine dauerhafte Leistungspflicht des Unternehmens zielten (wie z.B. ein Jahr lang Punktegutschrift und kostenloser Versand), sei ein Kündigungsbutton notwendig. Entscheidend sei die dauerhafte Leistungsverpflichtung des Unternehmens, nicht die Zahlungsweise des Verbrauchers. Der Gesetzgeber habe mit § 312k BGB bezweckt, Kündigungen so einfach zu ermöglichen wie den Vertragsabschluss, da viele Webseiten Kündigungen erschweren würden. Auch bei Verträgen mit automatischem Ende könne eine außerordentliche Kündigung nötig sein. Der Verbraucher könne trotz Einmalzahlung durch erschwerte Kündigungsmöglichkeit Nachteile erleiden, etwa durch spätere Rückzahlungen oder eingeschränkte Nutzung bis zum Vertragsende. Deshalb greife der Schutzmechanismus auch bei Sachverhalten wie im vorliegenden Fall: “Der Schutzzweck des § 312k BGB würde daher konterkariert, wenn man - wie das Oberlandesgericht - von der Möglichkeit einer erleichterten Kündigungserklärung nach § 312k Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB Verträge mit längerer Laufzeit ausnähme, bei denen der Verbraucher das für wiederkehrende Leistungen des Unternehmers vereinbarte Entgelt als einmaligen Betrag zu entrichten hat.” | | | | 2. | KG Berlin: Stromanbieter darf Umzug des Kunden zu einem anderen Anbieter nicht unnötig erschweren | Ein Stromanbieter darf den Umzug seiner Kunden zu einem anderen Anbieter nicht unnötig erschweren (KG Berlin, Urt. v. 30.04.2025 - Az.: 23 UKI 9/24). Der Verbraucherzentrale Bundesverband klagte gegen zwei Energieunternehmen, da diese in ihren AGB eine Regelung hatten, nach der Kunden bei einem Umzug vier Wochen im Voraus ein spezielles Formular mit Nachweisen einreichen mussten. Erfolgte dies nicht, mussten sie trotz Wechsel weiterhin beim Altanbieter zahlen. Die betreffende Klausel lautete: "Der Kunde hat X einen Umzug spätestens vier Wochen vorher anzuzeigen und das genaue Umzugsdatum und die neue Wohnanschrift mitzuteilen und das ihm durch X übermittelte Umzugsformular vollständig ausgefüllt nebst der angeforderten Nachweise einzureichen. X gewährt das Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung, wenn die Belieferung durch X an der neuen Verbrauchsstelle nicht möglich ist. Unterbleibt eine vollständige Information durch den Kunden über den bevorstehenden Umzug nebst Angabe der Aus- und Einzugsdaten sowie der Einreichung der durch X angeforderten Unterlagen und hat der Kunde das Ausbleiben der Benachrichtiggung zu vertreten, ist der Kunde verpflichtet, weitere Entnahmen an der bisherigen Verbrauchsstelle, für die X gegenüber dem örtlichen Netzbetreiber einstehen muss und für die X von keinem anderen Kunden eine Vergütung fordern kann, nach den Preisen des mit X geschlossenen Vertrages zu bezahlen." Das KG Berlin stufte die Bestimmung als rechtswidrig ein, da sie den Verbraucher unangemessen benachteilige. Die AGB-Klausel weiche in unzulässiger Weise von der gesetzlichen Regelung ab, die Verbrauchern bei einem Umzug ein Sonderkündigungsrecht ohne weitere Bedingungen einräume. Demnach könne der Kunde bei einem Umzug kündigen, es sei denn, das Stromunternehmen biete innerhalb von zwei Wochen eine Fortsetzung des Vertrags an der neuen Adresse an. Die AGB-Bestimmung verlangte jedoch zudem eine Anzeige des Umzugs vier Wochen im Voraus sowie die Nutzung eines bestimmten Formulars. Dies sei eine unverhältnismäßige Umkehr der gesetzlichen Regelung dar. Die Unternehmen wollten selbst über das Kündigungsrecht entscheiden ("gewähren"), obwohl dieses den Kunden gesetzlich zustehe. Dies benachteilige den Kunden unangemessen und sei daher unwirksam. Auch die Regelung, wonach Kunden bei unvollständiger Anzeige die Stromkosten für die alte Adresse weiterzahlen müssten, sei unzulässig, da es sich um verbotene pauschale Schadensersatzregelung sei: "Die Klausel kehrt das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 41b V EnWG um. Nach der gesetzlichen Regelung ist das Kündigungsrecht die Regel. Es gilt nur dann nicht, wenn der Lieferant fristgerecht die Fortsetzung anbietet und die Belieferung der neuen Entnahmestelle möglich ist. Die Klausel regelt einen umgekehrten Mechanismus: Grundsätzlich soll das Lieferverhältnis fortgesetzt werden, es sei denn die jeweilige Beklagte „gewährt“ (ausnahmsweise bei Unmöglichkeit der Belieferung der neuen Entnahmestelle) dem Verbraucher das Recht zur Vertragsauflösung. Die Klausel ist darüber hinaus so zu verstehen, dass die Beklagten das Kündigungsrecht nur gewähren, wenn der Umzug mit einer Frist von vier Wochen vor dem Umzugstermin angezeigt wird. Eine solche Ausschlussfrist für die Kündigung sieht das Gesetz gerade nicht vor." | | | | 3. | OLG Dresden: Bei Facebook-Scraping kein DSGVO-Schadensersatz, wenn Kläger seine Telefonnummer bereits vorher veröffentlicht hatte | Wer seine personenbezogenen Daten (hier: seine Telefonnummer) selbst öffentlich zugänglich macht, hat keinen Anspruch auf DSGVO-Schadensersatz wegen Datenscrapings bei Facebook (OLG Dresden, Urt. v. 29.04.2025 - Az.: 4 U 1385/24). Der Kläger war Facebook-Nutzer und verlangte von dem US-Konzern Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO, weil seine Telefonnummer durch das unerlaubte “Scraping" öffentlich gemacht worden sei. Er hatte die betreffende Rufnummer seit mindestens 2016 auf seiner privaten Webseite angegeben. Das OLG Dresden lehnte den Anspruch ab, da es an dem notwendigen Kontrollverlust fehle. Denn der Kläger habe seine Telefonnummer bereits vor den Scraping-Ereignissen öffentlich zugänglich gemacht. Dadurch habe er die Kontrolle über seine Daten verloren. Zusätzliche Beeinträchtigungen wie z.B. E-Mail-Spam oder unerlaubte Werbe-Anrufe habe er nicht ausreichend belegen können. Es fehle somit an dem Kontrollverlust und daher auch an einem Schaden: "Der Kläger hat mit der Veröffentlichung einer Webseite nicht nur zielgerichtet bestimmten Personen seine Handynummer überlassen, sondern sie mit seinem Namen verbunden im Internet für jedermann weltweit zugänglich veröffentlicht. Es ist daher davon auszugehen dass ein Kontrollverlust der Daten des Klägers bereits vor dem Scraping Ereignis eingetreten ist. Hierfür spricht auch, dass der Kläger in seiner Anhörung vor dem Landgericht angab, sein Datenverlust habe sich „bereits im Jahr 2015/2016“ bemerkbar gemacht, also weit vor dem streitgegenständlichen Scraping-Vorfall. Eine darüber hinausgehende besondere Besorgnis hat der Kläger nicht glaubhaft machen können." | | | | 4. | OLG Dresden: Kein DSGVO-Schadenersatz für Scraping-Vorfall bei Facebook bei unklarem Sachverhalt | Ein Facebook-Nutzer erhält keinen DSGVO-Schadensersatz wegen des Scraping-Vorfalls, wenn der betreffende Zeitraum der Datenverarbeitung nicht sicher nachgewiesen werden kann (OLG Jena, Urt. v. 21.05.2025 - Az: 2 U 583/23). Ein Facebook-Nutzer klagte unter anderem auf Schadensersatz nach dem bekannten Scraping-Vorfall. Es blieb jedoch unklar, ob genau die Datenverarbeitung vor und nach Inkrafttreten der DSGVO (25.05.2018) erfolgte. Das OLG Jena wies die Klage als unbegründet ab. Für einen DSGVO-Schadenersatz sei entscheidend, dass die betroffenen Daten erst nach dem Inkrafttreten der DSGVO verarbeitet worden seien. Der Kläger habe zwar behauptet, dass das Scraping im Jahr 2019 geschehen sei, dies aber nicht belegen können. Die Beklagte habe hingegen den Zeitraum Januar 2018 bis September 2019 angegeben. Die Beweislast liege allein beim Kläger. Er müsse den konkreten Zeitpunkt des Datenabgriffs beweisen. Die Beklagte habe ihrer sekundären Darlegungspflicht genügt, indem sie erläutert habe, dass sie keine Log-Dateien mehr besitze und keine genauen Informationen zum Zeitpunkt des Datenzugriffs vorlägen. Der Kläger sei daher beweisfällig geblieben. Ohne einen sicheren Nachweis, dass der Datenabgriff nach dem 25. Mai 2018 erfolgt sei, scheide ein Anspruch auf Basis der DSGVO aus: “Die Unaufklärbarkeit der zeitlichen Einordnung des Scraping-Falls geht zu Lasten des Klägers und führt dazu, dass nicht hinreichend sicher festgestellt werden kann, dass der konkrete Abgriff der Daten nach dem Inkrafttreten der DSGVO zum 25.05.2018 erfolgt ist.” | | | | 5. | OLG Dresden: Internet-Blogger haftet wie ein Journalist für unzulässige Verdachtsberichterstattung | Journalistische Sorgfaltspflichten gelten zumindest dann für private Blogger, wenn sie sich nach außen hin als Pressevertreter auftreten (OLG Dresden, Beschl. v. 14.04.2025 - Az.: 4 U 1466/24). Ein Blogger hatte in einem Artikel behauptet, der Kläger sei in leitender Position für ein ausländisches Unternehmen tätig gewesen, das digitale Investments verkauft habe, bei denen Anleger viel Geld verloren hätten. Weiter wurde angedeutet, der Kläger habe selbst als Verkäufer agiert oder im Umfeld eines in Verruf geratenen Unternehmens mitgewirkt. Der Kläger wurde dabei namentlich genannt und sah sich zu Unrecht mit schweren Vorwürfen belastet. Der betroffene Kläger verlangte die Unterlassung dieser Berichterstattung, da nicht wahr sei. Das OLG Dresden bejahte den Unterlassungsanspruch. 1. Journalistische Sorgfaltspflichten auch für private Blogger: Die journalistischen Sorgfaltspflichten würden im vorliegenden Fall auch für den privaten Blogger gelten, so die Richter. Der Beklagte könne sich nicht auf das sogenannte Laienprivileg berufen. Dieses schütze Privatpersonen, die ungeprüft Berichte Dritter übernehmen würden. Der Blogger könne sich hierauf jedoch nicht berufen, da er sich nicht wie ein gewöhnlicher Laie verhalten habe. Er betreibe seit Jahren das Onlineportal, trete als “Chefredakteur” auf, sei Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband und präsentierte eigene Recherchen. Die Leser erwarteten deshalb eine journalistische Arbeitsweise. Durch diese Selbstdarstellung würden für ihn dieselben Grundsätze wie für professionelle Medien gelten: "Für den Beklagten gelten hierbei keine geringeren Sorgfaltsanforderungen als für die Medien allgemein. Das sogenannte Laienprivileg findet vorliegend keine Anwendung. Hiernach dürfen sich im Grundsatz Privatpersonen auf Berichte Dritter ungeprüft berufen, sofern diese unwidersprochen geblieben sind (…). Journalisten hingegen, die ohne eigene Recherche Meldungen aus anderen Medien übernehmen, genügen ihrer Sorgfaltspflicht nicht (…). Wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist, betreibt der Beklagte seit vielen Jahren die Internetseite (…).de, für die er zu den dort behandelten Themen eigene Recherchen anstellt, Presseanfragen stellt und in den Artikeln auch ausdrücklich auf seine journalistische Tätigkeit verweist. So ist er auch für den vorliegenden Artikel vorgegangen, der gerade nicht auf eine Berichterstattung Dritter Bezug nimmt, sondern die dortigen Inhalte als Ergebnisse eigener Recherchen präsentiert. Auch weist ihn das Impressum seiner Seite als "Chefredakteur" und als Mitglied des DJV, also des journalistischen Verbands Deutschland aus (…). Der Mitarbeiterstab des Bewertungsportals wird dort als "Redaktion" bezeichnet. Hier erwartet der Leser eine journalistische Arbeitsweise und einen an journalistischen Qualitätsanforderungen zu messenden Informationsgehalt, wodurch der Beklagte den Eindruck erweckt, sich an diesen Standards messen zu lassen." 2. Sorgfaltspflichten nicht eingehalten: Diese journalistischen Sorgfaltspflichten habe der Beklagte nicht eingehalten. Er habe keine ausreichenden Beweise für die erhobenen Vorwürfe vorlegen können. Zudem habe er dem Kläger keine echte Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Die Verdächtigungen seien vage und die Artikel enthielten keine belastbaren Fakten. Eine identifizierende Berichterstattung auf dieser Grundlage sei unzulässig. Daran änderten auch nichts Formulierungen wie “möglicherweise” oder “unserer Sicht nach”, da diese Einschränkungen nicht ausreichten, um die Aussagen als bloße Meinungsäußerungen einzustufen: "Entscheidend ist allerdings, dass alle vom Beklagten nunmehr angeführten Anknüpfungstatsachen, die Anhaltspunkte für die geäußerten Verdächtigungen bieten sollen, in dem Bericht nicht erwähnt werden. Eine identifizierende Berichterstattung ist aber nicht zulässig, wenn sie lediglich dazu dient, in den Raum gestellte, nicht belegte Behauptungen und substanzarme Verdachtsmomente zu verbreiten. Wenn - wie hier - nur vage Verdachtsmomente mitgeteilt werden aus denen der Leser ohne zusätzliche Informationen nichts ableiten kann, fehlt es entweder an einem Vorgang von gravierendem Gewicht, der erst ein Informationsinteresse an einer namentlichen Nennung begründen könnte, oder die Äußerung wird ohne Zusatzinformationen insgesamt so substanzarm, dass sie als Meinungsäußerungen zu qualifizieren wäre." Und weiter: "Die einschränkenden Zusätze in Bezug auf den Kläger ("möglicherweise", "im Umfeld... sehen", "unserer Sicht nach") ändern an der Einordnung als Tatsachenbehauptung nichts (…) Ebenso verhält es sich mit den weiteren im Test enthaltenen Formulierungen "sehen wir", "möglicherweise" und "aus unserer Sicht"." | | | | 6. | OLG Hamburg: Keine Irreführung durch Online-Werbung mit "klimaneutrales Gas", wenn über 100 % Kompensation informiert wird | Ein Energieversorger darf online mit der Aussage “klimaneutralem Gas” werben, wenn er über die 100 % Kompensation informiert (OLG Hamburg, Urt. v. 26.02.2025 - Az.: 5 U 11/24). Der Verbraucherzentrale Bundesverband klagte gegen ein Energieunternehmen, das auf seiner Website mit "klimaneutralem Gas“ warb. Dabei verwies die Firma auf zwei Klimaschutzprojekte und den Kauf von Emissionszertifikaten. Sie gab an, dass die Kompensation zu 100% erfolge. Die Verbraucherschützer sahen die Werbung jedoch als irreführend an. Sie bemängelten insbesondere, dass der konkrete Kompensationsanteil und dessen genaue Berechnung nicht genannt wurden. Das OLG Hamburg teilte diese Ansicht nicht und verneinte einen Wettbewerbsverstoß. Die beanstandete Werbung gebe an, dass die CO₂-Emissionen zu 100 % kompensiert würden. Diese sei ausreichend. Zudem habe die Beklagte sowohl die direkte Projektförderung als auch den indirekten Zertifikatehandel genannt. Dem durchschnittlichen sei Verbraucher bekannt, dass Klimaneutralität durch Kompensation erreicht werden könne. Eine nähere, detailliertere Aufklärung sei daher nicht notwendig: "Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger das Vorenthalten der Information beanstandet, „zu welchem Anteil die durch den Gasverbrauch entstehenden CO2-Emissionen durch eine Reduktion von Emissionen an anderer Stelle durch die Förderung weltweiter Klima- und Umweltschutzprojekte kompensiert werden“. (…) Der Anteil der Kompensation ist in der Anlage K1 jedoch mit 100% angegeben. In dieser Hinsicht ist die Beklagte mit der vorliegend angegriffenen Werbung aus September 2021 (…) der klägerischen Forderung nachgekommen." Und weiter: "Der Anteil der Kompensation ist in der Anlage K1 jedoch mit 100% angegeben. In dieser Hinsicht ist die Beklagte mit der vorliegend angegriffenen Werbung aus September 2021 (…) der klägerischen Forderung nachgekommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nicht erfahrungswidrig, anzunehmen, dass dem Durchschnittsverbraucher bekannt ist, dass eine Klimaneutralität in der Praxis sowohl durch Vermeidung von Emissionen als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. BGH GRUR 2024, 1122 Rn. 33 – klimaneutral). „Zu welchem Anteil die durch den Gasverbrauch entstehenden CO2-Emissionen durch eine Reduktion von Emissionen an anderer Stelle durch die Förderung weltweiter Klima- und Umweltschutzprojekte kompensiert werden“, gibt die Beklagte in der angegriffenen Werbung mit 100% an. Der Einwand der Berufung, mit den pauschalen Aussagen der Beklagten sei kein Informationsgehalt zum Anteil und Umfang von Kompensationsmaßnahmen verbunden, über Anstrengungen der Beklagten zur Vermeidung und Reduzierung von Emissionen lasse sich den Behauptungen nichts entnehmen und wie CO2-Emissionen zu 100% kompensiert würden, erfahre man nicht, bleibt vorliegend ohne Erfolg." | | | | 7. | OLG Hamm: Nicht jede heimliche Video-Aufnahme innerhalb der Wohnung ist strafbare Handlung | Nicht jede heimliche Kameraaufnahme im Wohnraum verletzt automatisch die Intimsphäre und stellt eine strafbare Handlung dar (OLG Hamm, Beschl. v. 18.03.2025 - Az.: 4 ORs 24/25). In dem vorliegenden Fall stellte der Angeklagte heimlich eine Kamera im Zimmer seines Mitbewohners auf. Diese nahm eunter anderem Videos beim Putzen oder Lesen auf. Die Kamera wurde zufällig entdeckt. Auf den Aufnahmen war der Mitbewohner nur bekleidet und nicht vollständig erkennbar. Die Vorinstanz, das AG Warendorf, verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe, da es eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sah. Das OLG Hamm war anderer Ansicht, hob das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück. Nicht jede heimliche Aufnahme in einer Wohnung sei automatisch strafbar. Entscheidend sei vielmehr, ob die Intimsphäre wirklich verletzt werde. Tätigkeiten wie Putzen oder Lesen würden als neutrale Handlungen gelten und zählten nicht ohne Weiteres zum höchstpersönlichen Lebensbereich. Eine Strafe setze voraus, dass durch die Aufnahme dieser besonders geschützte Bereich konkret verletzt wurde. "Nicht jede heimliche Aufnahme einer Person in ihrer Wohnung (…) führt per se zu einer Strafbarkeit nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Vielmehr bedarf es nach der in der Rechtsprechung vertretenen Meinung – der sich der Senat anschließt – zusätzlich zu der Herstellung der Bildaufnahmen eines (Verletzungs-) Erfolges in Form einer „dadurch“ bewirkten „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der abgebildeten Person“ (vgl. BGH, Beschluss vom 01.10.2024, 1 StR 299/24, NStZ-RR 2025; OLG Koblenz, Beschluss vom 11.11.2008 - 1 Ws 535/08; NStZ 2009, 268, beck-online). Insofern handelt es sich bei § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB (…) nicht um ein konkretes, erst recht nicht um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, sondern um ein Erfolgsdelikt. (…) Danach bedarf es in jedem Einzelfall der konkreten – zusätzlichen – Feststellung, ob die sich im räumlichen Schutzbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB aufhaltende Person in einem „höchstpersönlichen“ Lebensbereich verletzt ist und ob dies gerade auf der Tathandlung beruht (…)." | | | | 8. | OLG Nürnberg: SCHUFA darf Schuldnerdaten nach Ausgleich der offenen Forderungen noch 3 Jahre aufbewahren | Wirtschaftsauskunfteien (hier: SCHUFA) dürfen Forderungen grundsätzlich bis zu drei Jahre nach deren Ausgleich speichern (OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.05.2025 - Az.: 3 U 1670/24). Der Kläger verlangte von der SCHUFA, einen Eintrag über eine frühere Forderung, die er inzwischen beglichen hatte, zu löschen. Die Forderung betraf eine Rechnung über ca. 330,- EUR, die er verspätet beglichen hatte. Der entsprechende Eintrag in der Datenbank der Auskunftei führte zu einem negativen Score-Wert, wodurch er nach eigener Aussage beim Haus- und Autokauf beeinträchtigte. Er klagte auf Löschung, Berichtigung des Scores und Unterlassung. Die Vorinstanz, das LG Regensburg (Urt. v. 29.07.2024 - Az.: 33 O 1955/23), wies die Klage ab. Das Gericht sah die Speicherung als gerechtfertigt an, da sie im Interesse der Auskunftei und ihrer Vertragspartner erfolge. Eine dreijährige Speicherfrist sei angemessen. Dieser Meinung schloss sich in der Berufungsinstanz nun auch das OLG Nürnberg in einem Hinweisbeschluss an. Die Speicherung sei zulässig, da sie dem berechtigten Interesse der Kreditwirtschaft diene, Informationen über die Zahlungszuverlässigkeit von Kunden zu erhalten. Der Kläger habe die Forderung verspätet bezahlt, was ein Hinweis auf eine eingeschränkte Zahlungswilligkeit sei. Allein der Ausgleich der Forderung rechtfertige keine Löschung. Die dreijährige Speicherfrist sei verhältnismäßig und decke sich mit den Empfehlungen aus dem genehmigten "Code of Conduct" der Branche. Die Darlegungslast für eine unzulässige Datenverarbeitung liege beim Kläger. Seine Angaben, etwa eine psychische Belastung oder Nachteile beim Immobilienkauf, seien zu allgemein und nicht ausreichend belegt. Auch die DSGVO oder das Urteil des EuGH zu Speicherfristen nach Restschuldbefreiungen seien hier nicht anwendbar, da es sich um eine andere Sachlage handle. Ein Anspruch auf Berichtigung des Score-Werts oder die Unterlassung der weiteren Verarbeitung bestehe ebenfalls nicht, da die Speicherung rechtmäßig sei; "Vor diesem Hintergrund speichert die Beklagte zu den streitgegenständlichen Informationen zwar einen Hinweis auf das Datum des vollständigen Ausgleichs der Forderung. Dies ändert nichts an der Notwendigkeit der Verarbeitung, denn dem Ausgleich ging eine erhebliche Unzuverlässigkeit voraus. Die Kreditwirtschaft hat ein legitimes Interesse zu erfahren, inwieweit die Vertragserfüllung in der Vergangenheit zuverlässig erfolgte. Denn ein nachlässiges Zahlungsverhalten in der Vergangenheit kann die Annahme rechtfertigen, dass auch in Zukunft Schwierigkeiten in der Vertragserfüllung auftreten (…). Die bloße Erledigung einer Forderung kann vor diesem Hintergrund keine Löschung eines entsprechenden Eintrages rechtfertigen." | | | | 9. | OLG Stuttgart: Deutscher Puzzle-Hersteller darf "Vitruvianischen Menschen" von Leonardo da Vinci weltweit außerhalb Italiens verwenden | Der 4. Zivilsenat hat mit heutigem Urteil vom 11. Juni 2025 entschieden, dass ein großer deutscher Hersteller von Puzzeln auch künftig eines der berühmtesten Werke Leonardo Da Vincis, den „Vitruvianischen Menschen“, als Puzzlevorlage außerhalb Italiens weltweit verwenden und vertreiben darf. Gegenstand des Verfahrens Die um 1490 entstandene Proportionsstudie „Studio di proporzioni del corpo umano", bekannt als der „Vitruvianische Mensch" ist eines der bekanntesten Kunstwerke Leonardo Da Vincis. Die Klägerinnen - Unternehmen einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe und international für das Angebot von Gesellschaftsspielen, Puzzles sowie von Kinder- und Jugendbüchern bekannt - verwendet den „Vitruvianischen Menschen“ seit längerem als Vorlage für von ihr vertriebene Puzzles. Im Jahr 2019 verlangte die Gallerie dell'Accademia di Venezia - ein Museum in Venedig, in dessen Besitz sich das Originalwerk Leonardo Da Vincis seit 1822 befindet - von dem Puzzlehersteller den Abschluss eines Lizenzvertrages und knüpfte daran die Erlaubnis, das Werk auch künftig nutzen zu dürfen. Das Museum stützte sein Verlangen auf Bestimmungen des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes"). Nachdem Verhandlungen zwischen den Parteien zu keinem Ergebnis gelangten, erwirkten das Museum und das italienische Kulturministerium (Ministero della Cultura) vor einem Zivilgericht in Venedig eine einstweilige Verfügung (vorläufiges Eilverfahren), mit welcher den Klägerinnen die kommerzielle Nutzung des Werkes in Italien und im Ausland untersagt wurde. Hierauf erhoben die Klägerinnen gegen das italienische Kulturministerium und die Gallerie dell'Accademia di Venezia vor dem Landgericht Stuttgart eine Klage in der Hauptsache, mit der sie festgestellt haben wollen, dass die Beklagten ihnen die Nutzung des Werkes zumindest außerhalb Italiens nicht verbieten können. Das Landgericht Stuttgart hat der Klage stattgegeben und entschieden, dass die Beklagten keinen globalen Unterlassungsanspruch auf Grundlage des italienischen Kulturgüterschutzgesetzes haben. Berufung des italienischen Kulturministeriums und der Gallerie dell'Accademia di Venezia Gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart haben das italienische Kulturministerium und die Gallerie dell'Accademia di Venezia Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart eingelegt. Auch im Berufungsverfahren stützten die Beklagten ihr Unterlassungsverlangen weiterhin auf Bestimmungen des italienischen Codice dei beni culturali e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes"). Dabei stellten sie sich auf den Standpunkt, deutsche Gerichte dürften nicht über die Anwendung von Normen entscheiden, deren Erlass Ausdruck der Souveränität des italienischen Staates sei. Die Vorschriften hätten außerdem weltweit Gültigkeit. Ein Festhalten am sterilen Konzept der territorialen Grenzen sei angesichts der technischen Entwicklungen einer Einmischung in die Souveränität des Staates bezüglich des Schutzes seiner Kulturgüter gleichzusetzen. Zudem seien deutsche Gerichte wegen der vorangegangenen Anrufung eines italienischen Gerichts für eine Entscheidung nicht zuständig und vor allem nicht berechtigt, die von einem italienischen Gericht getroffene Entscheidung inhaltlich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Entscheidung des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit heutigem Urteil vom 11. Juni 2025 der Berufung der Beklagten lediglich insoweit stattgegeben, als es für eine der Klägerinnen - eine italienische Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe - die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneint hat. Im Übrigen hat der Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und damit die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart bestätigt, nach der die Beklagten gegen den Puzzlehersteller keinen globalen Unterlassungsanspruch haben. Denn deutsche Gerichte sind an die vorangegangene Entscheidung des italienischen Gerichts nicht gebunden und auch nicht an einer eigenen Entscheidung in der Sache gehindert. Das in Italien geführte Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz (vorläufiges Eilverfahren) ist mit dem nunmehr in Deutschland anhängigen Hauptsacheverfahren nicht identisch. Im Gegensatz zu der Hauptsacheentscheidung wird im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht mit Rechtskraftwirkung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs entschieden. Sondern Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist allein die vorläufige Sicherung eines Anspruchs oder Regelung eines Rechtsverhältnisses bis zu einer späteren rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Wegen dieses unterschiedlichen Zwecks greift weder die Sperrwirkung des europäischen Rechts (Art. 29 EuGVVO) ein, noch erfolgt eine inhaltliche Prüfung der von dem italienischen Gericht getroffenen Entscheidung. In der Sache selbst hat der Senat entschieden, dass die Beklagten den Klägerinnen jedenfalls außerhalb des Staatsgebiets Italiens die Nutzung des Werkes nicht verbieten können. Die Vorschriften des italienischen Gesetzes zum Schutz des kulturellen Erbes sind dazu als Anspruchsgrundlage nicht geeignet, weil sie nur für das italienische Staatsgebiet Anwendung finden. Denn das völkerrechtlich geschützte Territorialitätsprinzip beschränkt die Geltung von Rechtsnormen auf das Territorium des jeweiligen Staates. Dieses basiert auf der Gebietshoheit eines Staates und erlaubt den Erlass, die Anwendung und Durchsetzung von Normen grundsätzlich nur innerhalb des jeweiligen Staatsgebiets. Außerhalb Italiens ist für die rechtliche Beurteilung vielmehr die jeweils in den einzelnen Staaten geltende Rechtslage maßgeblich. Andere Anspruchsgrundlagen als der italienische Codice dei beni culturali e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes") werden von den Beklagten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Ein globaler Unterlassungsanspruch besteht danach nicht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Zwar hat der Senat die Revision nicht zugelassen. Den Beklagten steht aber die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof offen. Diese muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden. Aktenzeichen: 4 U 136/24 Oberlandesgericht Stuttgart 17 O 247/22 Landgericht Stuttgart Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 11.06.2025 | | | | 10. | Seminar im Oktober in Frankfurt a.M. mit RA Dr. Bahr: "Werbeeinwilligungen nach DSGVO und UWG aus rechtlicher und praktischer Sicht" | Inhalt des Seminars: Wie dürfen Unternehmen heute noch werben, ohne rechtlich ins Stolpern zu geraten? Ob per E-Mail, Newsletter, Telefon, Social Media oder Messenger – wer Direktmarketing betreibt, muss rechtssicher handeln. Und das wird mit neuen Urteilen und Datenschutzvorgaben immer komplexer. Unser exklusives Präsenz-Seminar bringt Licht ins juristische Dunkel rund um DSGVO, UWG und Werbeeinwilligungen – praxisnah, kompakt und mit Blick auf die Realität im Marketingalltag. Direkt im Dialog – keine Webcams, kein Chatfenster: Nutzen Sie die Chance, unsere Experten live zu erleben, Fragen direkt zu stellen und sich mit anderen Profis persönlich auszutauschen. Vor Ort in Frankfurt a.M., in konzentrierter Lernatmosphäre. Die Referenten sind RA Dr. Bahr und Claudia Rigon. Zwei Formate – für jedes Wissenslevel: FOR BEGINNERS – am 21. Oktober 2025: Grundlagen, typische Fehler und sofort umsetzbare Tipps. FOR EXPERTS – am 22. Oktober 2025: Vertiefung, Spezialfragen & aktuelle Streitfragen mit Profiwissen. Teilnehmerzahl begrenzt – Early-Bird-Rabatt sichern: Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. 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