Rechts-Newsletter der Kanzlei Dr. Bahr: 27. KW / 7. Juli 2021

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anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 27. KW im Jahre 2021. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: https://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html

Die Themen im Überblick:

1. OLG Celle: Überhöhter Streitwert im Wettbewerbsrecht führt nicht automatisch zu einem Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs.2 UWG

2. OLG München: Werbeaussage "Von uns für Sie geprüft!" irreführend, wenn lediglich Kundenzufriedenheitsumfrage vorliegt

3. OLG Schleswig: SCHUFA darf Insolvenzdaten nicht länger speichern als sie im Insolvenzbekanntmachungsportal veröffentlicht wurden

4. OLG Schleswig: Einfache Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung nach neuem Wettbewerbsrecht ausreichend

5. OLG Stuttgart: Entfernung eines Staatsanwalts aus dem Dienst wegen rechtswidriger Online-Beiträge

6. LSG Celle: Krankenkasse muss Kosten für Spracherkennungs-Software Dragon Naturally Speaking übernehmen

7. LG Frankfurt a.M.: Weiterhin fliegender Gerichtsstand bei Wettbewerbsverletzungen im Internet, wenn kein E-Commerce vorliegt

8. LG München I: Irreführende Werbung mit Schlager-Compilation, wenn keine Original-Stücke, sondern nur Re-Recordings

9. VG Münster: Keine Erlaubnis mehr für gewerbliche Lotto-Vermittlung

10. LG Stuttgart: Wettbewerbsverstoß auch bei bloßem menschlichen bzw. technischen Versagen gegeben



Die einzelnen News:

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1. OLG Celle: Überhöhter Streitwert im Wettbewerbsrecht führt nicht automatisch zu einem Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs.2 UWG
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Ein überhöhter Streitwert im Wettbewerbsrecht (hier: anstatt 82.500,- EUR nur 38.500,- EUR) führt auch nach neuem Wettbewerbsrecht nicht automatisch zu einem Rechtsmissbrauch nach
§ 8c Abs. 2 UWG (OLG Celle, Beschl. v. 31.05.2021 - Az.: 13 U 23/21).

In einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung gab der klägerische Rechtsanwalt den Streitwert des Verfahrens mit einem Betrag von 82.500,- EUR an. Es ging dabei um 11 Verstöße, die mit einem Einzelwert von jeweils 7.500,- EUR beziffert worden waren.

Das Gericht bewertete dies für überzogen und legte den Gesamtstreitwert bei lediglich 38.500,- EUR fest, also weniger als die Hälfte. Die Beklagtenseite wandte nun ein, es handle sich um einen Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs. 2 Nr., 2 UWG. Danach ist eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung u.a. dann gegeben, wenn ein Mitbewerber den Gegenstandswert unangemessen hoch ansetzt.

Diese Frage verneinte jedoch das Gericht:
"Der Verfügungskläger hat jedoch nachvollziehbar dargetan, welche Überlegungen sein Prozessbevollmächtigter bei der Bemessung des Streitwerts angestellt hat (...). Dabei ist der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers zutreffend davon ausgegangen, dass die einzelnen Werbeangaben jeweils gesonderte Unterlassungsansprüche begründen können und daher grundsätzlich eine Wertaddition vorgenommen werden kann. (...)

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für die Bemessung der Gegenstandswerte von lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüchen keine feststehenden Kriterien existieren und auch in der Rechtsprechung im Einzelfall ganz erhebliche Unterschiede zu verzeichnen sind, genügen die vorliegenden Umstände jedenfalls nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass - unstreitig - der Verfügungsbeklagte in einer Abmahnung des Verfügungsklägers für einen einzigen Health Claim bereits einen Wert von 20.000 € zugrunde gelegt hat (...)."


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2. OLG München: Werbeaussage "Von uns für Sie geprüft!" irreführend, wenn lediglich Kundenzufriedenheitsumfrage vorliegt
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Die Bewerbung einer Reise mit der Aussage "Von uns für Sie geprüft!"  ist irreführend, wenn der Erklärung kein objektiver Test zugrunde liegt, sondern lediglich eine Kundenzufriedenheitsumfrage
(OLG München, Urt. v. 11.03.2021 - Az.: 6 U 6125/20).

Die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, bewarb in einer Werbeanzeige  einen Studienreise nach Kroatien mit den Statements
"Von uns für Sie geprüft!“

und
"Kundenzufriedenheit „sehr gut“"

und 
"Gesamt-Note: 1,48"

Es existierte jedoch kein objektiver Test eines unabhängigen Dritten, sondern die Beklagte hatte lediglich selbst eine Kundenumfrage durchgeführt.

Dies bewertete das OLG München als irreführend. Denn es werde durch die Werbeaussagen der Eindruck erweckt, es handle es sich dabei um einen Test anhand objektiver Prüfungsmaßstäbe:
"Zur Grundlage dieser Angaben ist allein der Hinweis „Von uns für Sie geprüft“ lesbar. Aus diesem schließt der angesprochene Verkehr, dass eine Prüfung anhand objektiver Prüfmaßstäbe durchgeführt wurde, was für den Verkehr von erheblicher Bedeutung ist.

Eine solche Prüfung hat aber nicht stattgefunden. Vielmehr hat die Beklagte selbst bei ihren Kunden eine Umfrage durchgeführt. Dies entnimmt der Verkehr dem Hinweis aber nicht. Schließlich versteht der Verkehr unter „Prüfung“ nicht „Kundenbefragung“. Daher ist schon aus diesem Grund die Werbung wegen Irreführung wettbewerbswidrig. Insofern liegt der Hinweis der Beklagten neben der Sache, dieser Aussage sei zu entnehmen, der Verwender habe etwas für den Kunden selbst geprüft (Seite 4 der Berufungsbegründung vom 14.12.2020, Blatt 87 der Akten). Es wurde nicht geprüft, sondern es wurden Kunden nach ihrer Zufriedenheit befragt.

(...) Auch dass die Kundenbefragung von der Beklagten selbst und nicht von einem unabhängigen Dritten im Auftrag der Beklagten durchgeführt wurde, lässt sich der Anzeige in der für die Entscheidung maßgeblichen Form und Größe nicht ohne Weiteres entnehmen, auch nicht dem Hinweis „Von uns für Sie geprüft!“. Auch die Aufmachung mit der herausgestellten Bewertung „sehr gut“ und „? Gesamt-Note: 1,48“ entspricht der dem Verkehr geläufigen Darstellung von durch Dritte durchgeführte (Waren) Tests."


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3. OLG Schleswig: SCHUFA darf Insolvenzdaten nicht länger speichern als sie im Insolvenzbekanntmachungsportal veröffentlicht wurden
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Ein Insolvenzschuldner hat einen Löschungsanspruch gegen die Schufa Holding AG, wenn sie diese Daten aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal ohne gesetzliche Grundlage länger speichert und verarbeitet als in der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekVO) vorgesehen. Das hat der 17. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am vergangenen Freitag entschieden.

Zum Sachverhalt: 
Über das Vermögen des Klägers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und schließlich wurde ihm am 11. September 2019 durch das Amtsgericht die Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information wurde im amtlichen Internetportal veröffentlicht. Die Schufa kopierte die Daten von dort und pflegte sie in ihren Datenbestand ein, um Vertragspartnern diese Daten bei Auskunftsanfragen zum Kläger mitzuteilen.

Der Kläger begehrte die Löschung der Daten von der Schufa, da die Verarbeitung zu erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Nachteilen bei ihm führe. Eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben sei ihm nicht möglich.

Er könne aufgrund des Eintrags kein Darlehen aufnehmen, keinen Mietkauf tätigen und keine Wohnung anmieten. Derzeit könne er nicht einmal ein Bankkonto eröffnen. Die Schufa wies die Ansprüche des Klägers zurück und verwies darauf, dass sie die Daten entsprechend der Verhaltensregeln des Verbandes "Die Wirtschaftsauskunfteien e.V." erst drei Jahre nach Speicherung lösche. Die Daten seien bonitätsrelevante Informationen und daher für die Vertragspartner der Schufa von berechtigtem Interesse.

Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte Erfolg.

Aus den Gründen: 
Der Kläger kann von der Schufa die Löschung der Daten sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts über die Restschuldbefreiung verlangen.

Nach Ablauf dieser Frist steht die weitere Verarbeitung durch die Schufa im Widerspruch zu § 3 Abs. 2 InsoBekVO und ist daher nicht mehr rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) Datenschutz-Grundverordnung. Werden die Daten des Klägers unrechtmäßig verarbeitet, kann er die Löschung dieser Information nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) Datenschutz-Grundverordnung von der Schufa verlangen und hat einen Anspruch auf künftige Unterlassung dieser Datenverarbeitung.

Die Schufa kann sich nicht darauf berufen, dass die Datenverarbeitung rechtmäßig sei, da sie ihren oder den berechtigten Interessen von Dritten diene. Ein Interesse kann nur dann berechtigt sein, wenn es nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung oder den Grundsätzen von Treu und Glauben steht.

Die Verarbeitung durch die Schufa steht aber nach Ablauf der gesetzlichen Löschungsfrist im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung von § 3 Abs. 2 InsoBekVO, wonach die Information zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung nur sechs Monate im Internetportal zu veröffentlichen ist.

Die Verarbeitung und Weitergabe dieser Information an eine breite Öffentlichkeit durch die Beklagte kommt einer Veröffentlichung im Internet gleich und ist daher nach Ablauf der gesetzlichen Löschungsfrist zu unterlassen.

Die Schufa kann sich nicht auf die Verhaltensregeln des Verbandes der Wirtschaftsauskunfteien berufen. Diese Verhaltensregeln entfalten keine Rechtswirkung zulasten des Klägers und stehen im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung.

(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 2. Juli 2021, Az. 17 U 15/21, Revision ist zugelassen)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig v. 05.07.2021

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4. OLG Schleswig: Einfache Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung nach neuem Wettbewerbsrecht ausreichend
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Bei Verstößen gegen die In
§ 13 Abs. 4 UWG statuierten Informationspflichten reicht es aus, wenn der Schuldner eine einfache Unterlassungserklärung abgibt. Es ist nicht notwendig, die Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe zu versehen (OLG Schleswig, Beschl. v. 03.05.2021 - Az.: 6 W 5/21).

Der Kläger, ein Mitbewerber, mahnte den Beklagten, einen Einzelunternehmer ohne Mitarbeiter, außergerichtlich wegen eines eBay -Angebots ab. Es ging dabei um eine fehlerhafte Grundpreis-Angabe und eine nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung.

Der Beklagte gab eine Unterlassungserklärung ab, jedoch ohne eine Strafbewehrung. Er verwies dabei auf die neue Regelung nach § 13a Abs. 2 UWG.

Der Kläger akzeptierte dies nicht und leitete das gerichtliche Verfahren ein.

Sowohl die 1. Instanz als auch in der Berufung wurde der Unterlassungsanspruch des Gläubigers abgelehnt.

Durch das neue Wettbewerbsrecht, das im Dezember 2020 in Kraft getreten sei, habe der Gesetzgeber bei Verstößen gegen die In § 13 Abs. 4 UWG statuierten Informationspflichten festgelegt, dass es ausreiche, wenn der Abgemahnte, wenn er weniger als 100 Mitarbeiter beschäftige, keine strafbewehrte Unterlassungserklärung mehr abgeben müsse.

Ausreichend sei vielmehr eine einfache Unterlassungserklärung, ohne jede Vereinbarung über eine Vertragsstrafe.
"Mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs wollte der Gesetzgeber die Generierung von Vertragsstrafen und Gebühren eindämmen und damit missbräuchlicher Anspruchsverfolgung im Lauterkeitsrecht entgegenwirken (...).

Dieser Intention würde es zuwiderlaufen, wenn ein Unterlassungsschuldner die Wiederholungsgefahr bei einer Abmahnung durch einen Mitbewerber in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n.F. nicht durch die Abgabe einer einfachen, nicht strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen könnte.

Anderenfalls könnte der Mitbewerber den Unterlassungsschuldner trotz abgegebener Unterlassungserklärung – wie im vorliegenden Fall – gerichtlich in Anspruch nehmen. Dies würde zum einen dazu führen, dass die Entlastung der Gerichte durch das System aus Abmahnung und (strafbewehrter) Unterlassungserklärung in einer Vielzahl von Fällen abgeschafft wäre. Zum anderen würde dies in letzter Konsequenz für den Abgemahnten dazu führen, dass seine Belastung mit einer Vertragsstrafe durch eine solche mit Gebühren ersetzt werden würde. Für eine solche Intention des Gesetzgebers geben Wortlaut und Begründung nichts her."

Dem Standpunkt, dass die neue Regelung grundsätzlich die außergerichtliche Streitbeilegung ausschließe, erteilte das Gericht eine klare Absage:
"Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n.F. eine außergerichtliche Streitbeilegung nicht mehr möglich sein soll, da die Wiederholungsgefahr ausschließlich durch das Versprechen einer Vertragsstrafe ausgeräumt werden könne (...), vermag der Senat dem aus den oben genannten Gründen nicht zu folgen. Er verkennt nicht, dass das bisherige System von Abmahnung, Unterwerfung und Wegfall der Wiederholungsgefahr den Zweck verfolgt, dem Gläubiger und dem Schuldner ein Mittel an die Hand zu geben, um einen Streit ohne Inanspruchnahme der Gerichte beizulegen (...).

Da der Unterlassungsanspruch immer nur in der Zukunft erfüllt werden kann, muss der bei anderen Ansprüchen durch die Erfüllung eintretende Rechtsfriede auf andere Weise erreicht werden. Dies wurde bisher in dem drohenden Nachteil einer Strafe für den Fall einer Zuwiderhandlung gesehen, der den Schuldner vernünftigerweise von Wiederholungen abhält (...). Dieser Dogmatik des Unterlassungsanspruchs scheint es zu widersprechen, wenn die Wiederholungsgefahr in bestimmten Fällen nunmehr auch ohne ein Strafversprechen entfallen kann.

Jedoch führt auch eine Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung in den Fällen des § 13a Abs. 2 UWG n.F. im Falle des späteren Verstoßes durchaus zu nachteiligen Rechtsfolgen für den Schuldner.

So steht dem Gläubiger (neben dem gesetzlichen) dann auch ein vertraglicher Unterlassungsanspruch zu, sodass das Gericht nicht mehr den Wettbewerbsverstoß selbst prüfen muss, sondern nur noch den Verstoß gegen die Unterlassungserklärung festzustellen hat. Darüber hinaus handelt es sich bei dem erneuten Verstoß dann nicht mehr um den erstmaligen, so dass nunmehr eine Vertragsstrafe zugunsten des Gläubigers vereinbart werden kann."


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5. OLG Stuttgart: Entfernung eines Staatsanwalts aus dem Dienst wegen rechtswidriger Online-Beiträge
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Ein Staatsanwalt a. D. aus Südbaden wurde durch Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart aus dem Dienst entfernt. Der Dienstgerichtshof wies damit auf Grund mündlicher Verhandlung vom 18. März 2021 die Berufung des Staatsanwalts gegen das – inhaltlich gleichlautende - erstinstanzliche Urteil des Dienstgerichts für Richter zurück, mit dem dieses der vom Land Baden-Württemberg als Dienstherrn erhobenen Disziplinarklage und Nachtragsdisziplinarklage stattgegeben hatte.

Nach der heute bekannt gegebenen schriftlichen Urteilsbegründung hat der Staatsanwalt a. D., derzeit Mitglied des Bundestags, in seiner Zeit als aktiver Staatsanwalt mehrfach und kontinuierlich beamtenrechtliche Kernpflichten, insbesondere die Pflichten zur Verfassungstreue sowie zu Neutralität und Mäßigung, durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen im Internet im Zusammenhang mit seinem Wahlkampf in schwerer Weise verletzt und dadurch das Vertrauen des Landes als Dienstherrn und das Vertrauen der Allgemeinheit in seine pflichtgemäße Amtsführung vollständig und endgültig zerstört.

Mit den von ihm in sehr zugespitzter Form verfassten bzw. verbreiteten, in ihrem Schwerpunkt migrantenfeindlichen (u. a. „Migrassoren“, „Invasion“), islamophoben sowie die deutsche Justiz delegitimierenden (u. a. „Gesinnungsjustiz“) Text- und Bildbeiträgen, für die er bewusst verstärkend die Autorität seines Amtes mit in Anspruch genommen habe, habe er – so der Dienstgerichtshof - die Grenzen der grundgesetzlich und durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierten Meinungsfreiheit weit überschritten.

Dieses über längere Zeit kontinuierlich praktizierte Verhalten mache es unmöglich, dass er in Zukunft nochmals als Staatsanwalt tätig werden könne. Die Entfernung aus dem Dienst – die härteste disziplinarische Maßnahme - sei deshalb unumgänglich und verhältnismäßig; mildere Disziplinarmittel reichten nicht aus.

Die Revision gegen das Urteil zum Dienstgericht des Bundes wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen zwei Wochen nach Urteilszustellung mit der Beschwerde angefochten werden.

Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart: DGH 2/19

Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Karlsruhe: Urteil v. 13. August 2018 RDG 1/17

Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 30.06.2021

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6. LSG Celle: Krankenkasse muss Kosten für Spracherkennungs-Software Dragon Naturally Speaking übernehmen
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Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Spracherkennung Dragon Naturally Speaking jedenfalls für behinderte Kinder ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Sicherung der Schulfähigkeit sein kann.

Geklagt hatten die Eltern einer damals neunjährigen Förderschülerin aus Ostfriesland, die seit einer frühkindlichen Hirnblutung an spastischen Lähmungen leidet. Nur unter größter Anstrengung konnte sie einen Stift halten und schreiben. Im Jahre 2016 beantragten die Eltern u.a. eine Computerausstattung mit Dragon Professional für Schüler für 595,- €.

Die Kasse lehnte den Antrag ab, da es sich bei der Software um ein Produkt für die Allgemeinbevölkerung handele und kein Hilfsmittel für Behinderte. Für sog. „Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ sei die GKV nicht zuständig. Außerdem könne das Mädchen die Spracherkennung unter MS-Windows nutzen. Für die barrierefreie Ausstattung von Schulen sei i.Ü. der Schulträger zuständig.

Demgegenüber meinten die Eltern, dass die betreffende Software ein anerkanntes Hilfsmittel sei, das von anderen Kassen regelmäßig übernommen werde. Es sei eine wichtige Hilfe, da längere Schreibaufgaben bisher von einer Integrationskraft übernommen würden.

Das LSG hat die Kasse zur Erstattung der verauslagten Kosten verurteilt. Zu den Aufgaben der GKV gehöre auch die Herstellung und Sicherung der Schulfähigkeit. Benötige ein Schüler aufgrund einer Behinderung ein Hilfsmittel um am Unterricht teilnehmen zu können oder die Hausaufgaben erledigen zu können, habe die Kasse dieses Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.

Bei Kindern sei ein großzügigerer Maßstab anzulegen um deren weiterer Entwicklung Rechnung zu tragen, so dass die Software hier als Hilfsmittel für Behinderte bewertet werden könne, das der Integration diene. Das Mädchen könne auch nicht auf die Spracherkennung von MS-Windows verwiesen werden, die jedenfalls 2016 noch nicht ausreichend entwickelt war. Eine Zuständigkeit des Schulträgers hat das Gericht verneint. Das Urteil ist rechtskräftig.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 1. April 2021 – L 4 KR 187/18, veröffentlicht bei www.juris.de; Vorinstanz: SG Oldenburg

Quelle: Pressemitteilung des LSG Celle v. 28.06.2021

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7. LG Frankfurt a.M.: Weiterhin fliegender Gerichtsstand bei Wettbewerbsverletzungen im Internet, wenn kein E-Commerce vorliegt
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Auch nach der kürzlichen Wettbewerbsrechtsreform gilt bei Internet-Verletzungen weiterhin der fliegende Gerichtsstand. Eine Einschränkung nach
§ 14 Abs.2 Nr.1 UWG kommt nur dann in Betracht, wenn es um ein spezifisches Handeln im elektronischen Rechtsverkehr geht. Hierfür reicht es nicht aus, wenn es sich um eine bloße Veröffentlichung im Internet handelt (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.05.2021 - Az.: 3-06 O 14/21).

Seit dem 02.12.2020 ist das neue Wettbewerbsrecht in Kraft getreten. Unter anderem wurde dabei § 14 Abs.2 UWG überarbeitet, wonach für Streitigkeiten im E-Commerce oder bei Telemedien der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt bzw. abgeschafft  werden sollte.

Im vorliegenden Fall war der Kläger Rechtsanwalt. Der Beklagte betrieb eine Internetseite und veröffentliche dort einen Text über den Kläger. Dies hielt der Kläger für wettbewerbswidrig und klagte vor dem LG Frankfurt a.M. unter Inanspruchnahme des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes. Das LG Frankfurt a.M. bejahte seine Zuständigkeit.

Denn die Einschränkung nach § 14 Abs.2 Nr.1 UWG greife mangels Bestimmtheit nicht:
"Die Vorschrift ist einer teleologischen Auslegung zugänglich. Ihrem Wortlaut fehlt es an der notwendigen Eindeutigkeit, wie die Doppelung der Begriffe „elektronischer Geschäftsverkehr“ und „Telemedien“ belegt.

Im Rahmen der Auslegung ist die Entstehungshistorie der Vorschrift heranzuziehen, wonach im Gesetzgebungsverfahren die zunächst geplante Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes aufgegeben wurde zugunsten einer Regelung, die den fliegenden Gerichtsstand auf typische Fälle rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen beschränken sollte, wie der Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet (...).

Daraus ist zu schließen, dass dem gesetzgeberischen Willen eine textliche Angleichung von § 14 II 3 Nr. 1 UWG an die Regelung in § 13 IV Nr. 1 UWG entsprach, die jedoch aufgrund eines redaktionellen Versehens unterblieben ist.


Der Ausschlusstatbestand ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, als dieser nur dann eingreift, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpft (...)."

Und weiter:
"Eine solche an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpfende Rechtsverletzung ist jedoch vorliegend nicht streitgegenständlich. Vielmehr macht der Verfügungskläger einen Verstoß geltend, der auf § 4 Nrn. 1 u. 2 UWG gestützt wird. Bei einem solchen Verstoß fehlt es jedoch an einer Verletzung, die geeignet ist, ein hohes Missbrauchspotenzial und die Gefahr von Massenabmahnungen zu begründen wie es zum Beispiel bei einer Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten der Fall ist.

Die Antragsfassung des Verfügungskläger, wonach er die Unterlassung der Berichterstattungen in ihrer Gesamtheit unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform begehrt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verbot ist umso„ kleiner“, je umfangreicher die Textpassage ist, die Gegenstand der Verfügung wird, weil der Ag. umso mehr Möglichkeiten hat, durch die Modifizierung von Formulierungen den Kernbereich des Verbots zu verlassen; dies gilt unabhängig davon, auf welche Anspruchsgrundlage der Unterlassungsantrag gestützt wird (...)."


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8. LG München I: Irreführende Werbung mit Schlager-Compilation, wenn keine Original-Stücke, sondern nur Re-Recordings
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Die u.a. auf Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer das Landgerichts München I hat mit Urteil vom 22.06.2021 eine einstweilige Verfügung bestätigt, in der sie einer Tonträgerherstellerin verboten hatte, eine Schlager-Compilation mit dem Titel: „Die Hit Giganten. Die besten Schlager Hits aller Zeiten“ anzubieten (Az. 33 O 6490/21).

Auf dieser Compilation befanden sich auch Aufnahmen, bei denen es sich nicht um die Originalaufnahmen der Erstveröffentlichung, sondern um danach noch einmal eingespielte Neuaufnahmen der Schlager mit den Künstlern handelte. Dass sich nicht die Originalaufnahmen der Künstler auf der CD befänden, müsse auf der Vorderseite des Covers klar und unmissverständlich erkennbar sein, so die 33. Zivilkammer.

Die Tonträgerherstellerin hatte Ende April 2021 eine Schlager-Compilation, unter dem Namen „Die Hit Giganten. Die besten Schlager Hits aller Zeiten“ herausgebracht. Auf dieser CD befanden sich auch Aufnahmen der Stücke „Anita“ von Costa Cordalis, „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg und „Ein bisschen Frieden“ von Nicole, allerdings in Form sog. „Re-Recordings“ aus den Jahren 2004 und 2017. Hierauf hatte die Herstellerin auf dem Cover der CD nicht gesondert hingewiesen, was zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch eine Wettbewerberin führte.

Die Tonträgerherstellerin vertrat die Auffassung, eine Irreführung von Verbrauchern liege nicht vor. Schon aufgrund der Tatsache, dass gerade im Hinblick auf Schlagertitel unzählige verschiedene Versionen existierten, erwarte man als Käufer nicht, dass sich auf betreffenden Compilations nur „Originalaufnahmen der Erstveröffentlichung“ befänden.

Die 33. Zivilkammer folgte dem nicht.

Zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei dem Umstand, dass bestimmte Titel auf einer CD nur in der Fassung einer Neueinspielung enthalten sind, um eine wesentliche Information gem. § 5a Abs. 2 UWG, welche den Verbrauchern nicht vorenthalten werden dürfe.

Nach Ansicht der Kammer erwarten potentielle Käufer einer Schlager-Compilation, dass auf dieser diejenigen Aufnahmen enthalten sind, die sie aus dem Radio kennen. Dies sind aber nach Auffassung der Kammer in der Regel Aufnahmen aus der Zeit, in der der betreffende Song erstmals Bekanntheit bei einem breiten Publikum erlangte.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressmitteilung des LG München I v. 01.07.2021

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9. VG Münster: Keine Erlaubnis mehr für gewerbliche Lotto-Vermittlung
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Das Verwaltungsgericht Münster hat durch Beschluss vom 1. Juli 2021 den Eilantrag einer Firma mit Sitz im Kreis Coesfeld abgelehnt, die sich gegen den sofortigen Widerruf der Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung gewehrt hat.

Die Antragstellerin hat nach eigenen Angaben aufgrund einer ihr im Jahr 2018 erteilten Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung zurzeit mit etwa 11.000 Kunden Glücksspielverträge mit einer Laufzeit von durchschnittlich noch fünf Monaten und einem Umsatzvolumen von etwa 3,5 Millionen Euro geschlossen.

Mit Ordnungsverfügung vom 17. Juni 2021 hatte das Niedersächsische Innenministerium die der Antragstellerin erteilte Erlaubnis mit sofortiger Wirkung widerrufen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Es lägen zahlreiche Beschwerden über Telefonaktionen vor, die auf die Antragstellerin zurückzuführen seien. Aus der Auswertung der Beschwerden und der von der Staatsanwaltschaft Münster zur Verfügung gestellten Ermittlungsakten wegen des Verdachts des Betruges ergebe sich ein typisches Handlungsmuster der zumindest mittelbar durch die Antragstellerin beauftragten Callcenter.

Dieses bestehe darin, dass die Betroffenen überraschend von einem Mitarbeiter angerufen würden, welcher ein in Wahrheit nicht bestehendes Vertragsverhältnis zwischen dem Betroffenen und einem „Lotto-Club“ behaupte. Den Betroffenen werde dargelegt, dass sie im Rahmen eines kostenlosen Probeabonnements an Lotterien teilgenommen hätten, das sich nunmehr wegen nicht erfolgter Kündigung in einen kostenpflichtigen zwölfmonatigen Vertrag verlängert habe.

Aus vorgetäuschter Kulanz werde angeboten, die Laufzeit des Vertrags auf drei Monate zu verkürzen. Nach durch den ausgeübten Druck erreichter Einwilligung werde darauf hingewiesen, dass ein anderer Mitarbeiter in Kürze anrufen werde, um sich das soeben Vereinbarte bestätigen zu lassen. Im zweiten Telefonat werde durch entsprechende Gesprächsführung ein erstmaliger Vertragsabschluss über die Teilnahme an Lotterien durch das erste Telefonat suggeriert, welcher nun bei Tonaufnahme bestätigt werden solle.

Dabei gingen die Betroffenen davon aus, dass es sich um die im ersten Telefonat besprochene Verkürzung des in Wahrheit nicht bestehenden Vertragsverhältnisses handele und bejahten daraufhin auf Aufforderung den Vertragsabschluss. In der Folge erhielten die Betroffenen ein Willkommensschreiben samt Teilnahme-Zertifikat. Das Schreiben weise die Antragstellerin als Absenderin aus. Sodann werde auf den Konten der Betroffenen eine Lastschrift der Antragstellerin ausgewiesen.

Demgegenüber hatte die Antragstellerin unter anderem geltend gemacht: Sie unterhalte selbst keine Callcenter, weshalb sie keine Verantwortung für das Verhalten der Mitarbeiter in den Callcentern trage. Vielmehr habe sie Beschwerden jeweils zum Anlass genommen, die Zusammenarbeit mit dem betreffenden Callcenter zu beenden.

Dem folgte das Verwaltungsgericht Münster jedoch nicht und entschied nunmehr, der Widerruf der Erlaubnis sei offensichtlich rechtmäßig. In den Gründen des Beschlusses heißt es unter anderem: Der Vortrag der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren vermöge weder die tatsächlichen Feststellungen des Antragsgegners noch die daraus von ihm gefolgerte glücksspielrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu erschüttern.

Insbesondere ergebe sich die glücksspielrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin daraus, dass sie jedenfalls nicht in ausreichender Weise gegen die Handlungsweise der Callcenter eingeschritten sei, die ihr durch die Vielzahl an Beschwerden und eingeleiteten Strafverfahren – allein in den Verwaltungsvorgängen seien 172 Strafverfahren aktenkundig – offensichtlich bekannt gewesen sei.

Gerade der Umstand, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin im Verlauf mehrerer Jahre wiederholt  zur polizeilichen Vernehmung geladen worden sei und die Vorwürfe in den einzelnen Strafverfahren nahezu identisch seien, mithin deutlich ein Muster erkennen ließen, hätte sie dazu veranlassen müssen, das Konzept der Beauftragung von externen Callcentern zu überdenken und gegebenenfalls selbst rechtliche Schritte gegen diese einzuleiten.

Ungeachtet dessen erscheine es bei lebensnaher Betrachtung fernliegend, dass sämtliche der beauftragten Callcenter über den Verlauf mehrerer Jahre zufällig dieselben Unzulänglichkeiten in der Gesprächsführung aufwiesen. Dieser Umstand begründe eher den vom Antragsgegner geäußerten Verdacht, dass es sich hierbei um eine systematische Vorgehensweise auch der Antragstellerin selbst handele.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt werden.

(Az.: 9 L 433/21 – nicht rechtskräftig)

Quelle: Pressemitteilung des VG Münster v. 02.07.2021

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10. LG Stuttgart: Wettbewerbsverstoß auch bei bloßem menschlichen bzw. technischen Versagen gegeben
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Ein Wettbewerbsverstoß ist auch dann zu bejahen, wenn es sich bei dem betreffenden Fehler um einen Einzelfall handelt, der auf menschlichem oder technischem Versagen beruht (LG Stuttgart, Urt. v. 17.03.2021 - Az.: 40 O 47/20 KfH).

Die Beklagten war eine Versicherungsgesellschaft.

Als ein Kunde online seine Kontonummer von einer inländischen zu einer ausländischen Kontoverbindung ändern wollte, trat ein technischer Fehler auf. Als der Kunde sich im Anschluss an die Beklagte wandte, pflegte diese die Daten händisch in das System nach.

In einem weiteren Fall erhielt ein Kunde von einer Mitarbeiterin die fehlerhafte Auskunft, dass nur deutsche Konten für die Bezahlung akzeptiert würden.

Als die Kundin sich an die Zentrale der Schuldnerin wandte, bekam sie von dort die Mitteilung, dass selbstverständlich auch nicht-deutsche Kontoverbindungen akzeptiert würden.

Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung konnte die Beklagte nachweisen, dass es sich dabei um Einzelfälle handelte, die auf einem menschlichem oder technischem Versagen beruhten.

Es stellte sich nun die Frage, ob durch diese Handlungen auch eine Wettbewerbsverletzung begangen wurden. Denn nach ständiger Rechtsprechung müssen ausländische Konten akzeptiert werden, vgl. unsere
Kanzlei-News v. 24.04.2020. Das LG Stuttgart bejahte diese Frage und nahm einen Wettbewerbsverstoß an.
"Im Fall des Kunden B. hat die Beklagte (...) selbst vorgetragen, es sei offenbar zu einem technischen Fehler gekommen, als dieser versucht habe, die ausländische IBAN im Kundenkportal einzugeben. Dem Kunden wurde unstreitig die Fehlermeldung "Bankleitzahl (...) ist unbekannt! Bitte überprüfen." angezeigt.

Der Zeuge H. hat in der mündlichen Verhandlung zwar glaubhaft angegeben, dass es grundsätzlich in der IT-Architektur der Beklagten ohne weiteres möglich sei, Einzugsermächtigungen bei Banken in allen SEPA-Staaten einzurichten. Der technische Fehler hätte nicht auftreten dürfen. Worauf er beruht habe, sei trotz erheblicher Bemühungen nicht reproduzierbar bzw. erklärbar gewesen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Anlage der SEPA-Lastschrift mit einem ausländischen SEPA-Konto zunächst nicht möglich war.

Im Fall der Kunden R. steht ebenso fest, dass dieser durch die Sachbearbeiterin Frau F. mitgeteilt wurde, dass die Anlage einer Einzugsermächtigung mit ausländischer Bankverbindung nicht gehe und dass dieser außerdem ein Formular mit der voreingedruckten Kennung "DE" in dem entsprechenden Feld für die IBAN übergeben wurde. Auch hier hat der Zeuge H. in der mündlichen Verhandlung zwar glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, dass dies auf ein Fehlverhalten der Sachbearbeiterin zurückzuführen sei, auch insofern steht dies der Annahme einer Verletzungshandlung aber nicht entgegen.

Es wurde jedenfalls zwei Kunden durch die Unmöglichkeit, eine ausländisches SEPA-Konto anzugeben, zunächst vorgegeben, in welchem Mitgliedsstaat dieser ihr Zahlungskonto zu führen hätten. Damit liegt ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO vor."

Entscheidend sei nur, ob es objektiv zu einem Verstoß gekommen sei. Subjektive Motive und Ursachen seien unerheblich:
"Der Umstand, dass es - wie von der Beklagten vorgetragen und vom Zeugen H. auch glaubhaft bekundet - nie eine derartige Weisung der Beklagten gegeben hat und dass in beiden Fehlern lediglich - technisches bzw. menschliches - Versagen Ursache der Vorgänge war, führt nicht zu einem anderweitigen Ergebnis.

Die Verletzungshandlung ist verschuldensunabhängig zu bestimmen."


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Registriert bei der Deutschen Bibliothek: ISSN 0340-3718

Verantwortlicher Herausgeber ist

RA Dr. Martin Bahr
Kanzlei Dr. Bahr, Mittelweg 41 a, 20148 Hamburg
Tel.: 040 - 35 01 77 60, Fax: 040 - 35 01 77 61
E-Mail: info@Dr-Bahr.com Homepage: https://www.Dr-Bahr.com

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