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Die einzelnen News
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BGH: Zwei parallele Online-Bestellungen benötigen keine getrennten Bestellbuttons, müssen aber als zwei Bestellungen erkennbar sein
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Zwei parallele Online-Bestellungen benötigen keine getrennten Bestellbuttons. Es muss aber für den Verbraucher erkennbar sein, dass es sich um zwei Bestellungen handelt (BGH, Urt. v. 04.06.2024 - Az.: X ZR 81/23).
Die Beklagte bot online Flugreisen an. Bei Bestellung konnten Kunden zusätzlich eine kostenpflichtige Prime-Mitgliedschaft abschließen, wodurch sich der Preis für die Reise reduzierte.
Der Bestellablauf war wie folgt: Nach Auswahl der konkreten Reise wurde dem Nutzer folgender Text angezeigt:
"Kostenloses 30-Tage-Probeabo Testen Sie unser Rabatt-Abonnement 30 Tage lang kostenlos! Nur 74,99 € im Folgejahr. Rabatte auf 100 % der Flüge und Hotels. Jederzeit kündbar. Andernfalls wird das Probeabo nach Ablauf von 30 Tagen automatisch auf ein kostenpflichtiges Abonnement aktualisiert."
Wählte der User diese Option, wurde der Preis für die Flugreise entsprechend reduziert.
Auf der Checkout-Seite hieß es dann:
“30-Tage-GRATIS-Probeabo Herzlichen Glückwunsch [...]! Mit Ihrem 30-Tage Prime Gratis-Probeabo sparen Sie [...] € bei diesem Flug.”
Es erschien der Preis für den Flug und der Button mit dem Text “Jetzt kaufen”. Darunter stand folgender Text:
"Ich habe jeweils die O. allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Tarifbedingungen der Airline und die Datenschutzrichtlinie gelesen und akzeptiere diese. Durch Anklicken autorisieren Sie O., ein Prime-Benutzerkonto mit der eingegebenen E-Mail-Adresse zu erstellen.
AGB Prime."
Die Beklagte buchte daraufhin vom Konto der Klägerin die Flugreise-Kosten und das Entgelt für die Prime-Mitgliedschaft iHv. 74,90 EUR ab.
Die Klägerin ging gegen die Abbuchung der 74,90 EUR vor, weil sie meinte, sie habe keine Prime-Mitgliedschaft abgeschlossen, sondern nur die Flugreise gebucht.
Der BGH gab der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung.
1. Zwei parallele Online-Bestellungen benötigen keine getrennten Bestellbuttons:
Der BGH stellt klar, dass für zwei parallele Online-Bestellungen durchaus ein einziger Bestellbutton ausreichend sein. Es müsse nur klar sein, dass der Kauf sich auf zwei getrennte Leistungen beziehe:
"In den Fällen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB muss der Verbraucher aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistungen des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht. (…)
Wenn mit einem einheitlichen Bestellvorgang Verträge über mehrere Leistungen abgeschlossen werden, die grundsätzlich unabhängig voneinander zu erbringen sind, muss die Maske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, dass der Verbraucher mit dem Betätigen der Schaltfläche eine auf den Abschluss aller dieser Verträge gerichtete Erklärung abgibt."
Gerichte in der Vergangenheit hatten dies teilweise noch anders gesehen und in diesen Fällen zwei getrennte Bestellbuttons verlangt.
Der BGH führt auch aus, wie die Bestellung hätte richtig aussehen müssen:
"Aus der Bestellmaske geht zwar hervor, dass mit dem Abschluss des Vertrages über die Flugreise ein Probe-Abonnement verbunden ist. Die in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung "30-Tage-GRATIS-Probeabo" lässt aber nicht hinreichend erkennen, dass es sich auch insoweit um eine kostenpflichtige Leistung handelt.
Der in einer zuvor angezeigten Bildschirmmaske enthaltene Hinweis, dass für die Zeit nach Ablauf des Probemonats eine Abonnement-Gebühr anfällt, wenn der Vertrag nicht rechtzeitig gekündigt wird, und der in der Bestellmaske enthaltene Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen reichen nicht aus, um die Bedeutung der Bestell-Schaltfläche hinreichend zu verdeutlichen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Angebot der Beklagten aus der Sicht eines aufmerksamen Verbrauchers angesichts der zuvor gegebenen Hinweise dahin zu verstehen ist, dass es auf Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements gerichtet ist. Diese Bedeutung geht aus der Bestellmaske jedenfalls nicht hinreichend deutlich hervor. Diese enthält keinen Hinweis auf eine Zahlungspflicht für das Abonnement. Sie erwähnt lediglich den Probemonat und hebt in diesem Zusammenhang den Begriff "GRATIS" hervor.
Dies lässt die Möglichkeit offen, dass es für den Abschluss eines sich an den Probemonat anschließenden kostenpflichtigen Abonnements einer weiteren Erklärung bedarf. Endgültige Klarheit darüber erlangt der Kunde allenfalls dann, wenn er die Schaltfläche "Jetzt kaufen" bereits betätigt hat. Dies genügt den Anforderungen aus § 312j Abs. 3 BGB nicht."
2. Beschriftung “Jetzt kaufen” für Bestellbutton ausreichend, auch wenn gar kein Kaufvertrag vorliegt:
Zugleich hat der BGH klargestellt, dass die Beschriftung des Bestellbuttons mit dem Text “Jetzt kaufen” ausreichend iSv. § 312j Abs.3 BGB ist.
Dies gelte auch für die Fälle, in denen - wie hier - rechtlich gar kein Kaufvertrag vorliege:
"Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten verwendete Formulierung "Jetzt kaufen" grundsätzlich auch beim Abschluss eines Personenbeförderungsvertrags oder eines Abonnementvertrags der im Streitfall zu beurteilenden Art hinreichend eindeutig ist.
Aus rechtlicher Sicht stellt der Abschluss solcher Verträge zwar keinen Kauf dar. Umgangssprachlich wird aber auch für die entgeltliche Beschaffung solcher Leistungen häufig der Begriff "Kauf" verwendet. Im Zusammenhang mit § 312j Abs. 2 BGB ist er jedenfalls deshalb hinreichend eindeutig, weil er zweifelsfrei eine Zahlungspflicht des Kunden signalisiert."
3. Kunde muss Preisvorteil bei Flugreise nicht herausgeben:
Die Klägerin müsse auch nicht den Preisvorteil, den sie durch die reduzierte Flugreise erlangt habe, herausgeben. Denn die Klägerin als Verbraucherin unterliege einem besonderen Verbraucherschutz:
"In der Konstellation des Streitfalls steht einem Anspruch auf Wertersatz (…) schon der Schutzzweck des § 312j Abs. 4 BGB entgegen.
§ 312j Abs. 3 BGB dient dem Zweck, den Verbraucher vor Irreführung und Übereilung aufgrund von unklaren oder verwirrenden Bestellsituationen zu schützen. Die in § 312j Abs. 4 BGB vorgesehene Rechtsfolge der Unwirksamkeit beruht auf der Erwägung, dass die Vorschrift eine vergleichbare Schutzwirkung wie eine Formvorschrift hat (…).
Dieser Schutzzweck würde unterlaufen, wenn ein Unternehmer, der vor Vertragsschluss nicht in der gebotenen Weise klargestellt hat, dass eine Leistung entgeltpflichtig ist, vom Verbraucher Wertersatz verlangen könnte, nachdem er die Leistung trotz nicht wirksamen Vertragsschlusses erbracht hat und der Verbraucher diese nicht herausgeben kann. (…)
Folglich muss es dem Unternehmer auch in dieser Konstellation grundsätzlich verwehrt sein, eine Entgeltpflicht, auf die er vor Vertragsschluss nicht in der gebotenen Weise hingewiesen hat, auf dem Umweg über einen Anspruch auf Wertersatz doch noch durchzusetzen, wenn der Verbraucher die Leistung nicht herausgeben kann."
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BGH: Erfindereigenschaft und Patentschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz
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Der BGH hat eine wegweisende Entscheidung zur Erfindereigenschaft und zum Patentschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz getroffen (BGH, Beschl. v. 11.06.2024 - Az.: X ZB 5/22).
Inhaltlich ging es um eine maschinen-generierte Erfindung. Rechtlich ging es dabei um die Frage, ob hierfür ein Patent erlangt werden kann.
Amtliche Leitsätze:
"a) Erfinder im Sinne von § 37 Abs. 1 PatG kann nur eine natürliche Person sein. Ein maschinelles, aus Hard- oder Software bestehendes System kann auch dann nicht als Erfinder benannt werden, wenn es über Funktionen künstlicher Intelligenz verfügt.
b) Die Benennung einer natürlichen Person als Erfinder ist auch dann möglich und erforderlich, wenn zum Auffinden der beanspruchten technischen Lehre ein System mit künstlicher Intelligenz eingesetzt worden ist.
c) Die Benennung einer natürlichen Person als Erfinder im dafür vorgesehenen amtlichen Formular genügt nicht den Anforderungen aus § 37 Abs. 1 PatG, wenn zugleich beantragt wird, die Beschreibung um den Hinweis zu ergänzen,die Erfindung sei durch eine künstliche Intelligenz generiert oder geschaffen worden.
d) Die Ergänzung einer hinreichend deutlichen Erfinderbenennung um die Angabe, der Erfinder habe eine näher bezeichnete künstliche Intelligenz zur Generierung der Erfindung veranlasst, ist rechtlich unerheblich und rechtfertigt nicht die Zurückweisung der Anmeldung nach § 42 Abs. 3 PatG."
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BGH: Urheberrechtsverletzung auch dann, wenn Anerkennung der Urheberschaft lediglich ggü. Urheber bestritten wird
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Eine Urheberrechtsverletzung liegt auch dann vor, wenn die Anerkennung der Urheberschaft nur ggü. dem Urheber selbst und keinem sonstigen Dritten bestritten wird (BGH, Urt. v. 27.06.2024 - Az.: I ZR 102/23).
Die Beklagte behauptete gegenüber dem Kläger, der Urheber eines Buches war, dass sie die Urheberin sei und verlangte von ihm, sich zukünftig selbst als Schöpfer auszugeben. Wörtlich schrieb sie:
"(…) hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich mein gesetzliches Urheberrecht am Werk "Der verratene Himmel“ mit sofortiger Wirkung für mich beanspruche. Da ich mit Ihnen weder einen schriftlichen Vertrag noch eine sonstige abschließende Vereinbarung getroffen habe, werde ich meine bestehenden Ansprüche vollumfänglich geltend machen. Dazu zählen insbesondere mir zustehende Lizenzzahlungen sowie meine Autorenschaft. (…)
Ich fordere Sie zudem auf, sich nicht mehr weiter als Autor des Werkes zu bezeichnen."
Der Kläger sah in dieser Behauptung der Urheberrschaft eine Rechtsverletzung und klagte.
Die Vorinstanzen verneinten einen Rechtsverstoß, weil die Behauptung nur gegenüber dem Kläger, also dem Urheber, selbst erhoben wurden und keinem sonstigen Dritten.
Der BGH folgte dieser Ansicht nicht, sondern bejahte eine Rechtsverletzung.
Für eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts reiche es, wenn das Bestreiten nur gegenüber dem Urheber erfolge:
"Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts gebietet der persönlichkeitsrechtliche Charakter des Anerkennungsrechts gemäß § 13 UrhG keine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung.
(1) Gemäß § 11 Satz 1 UrhG schützt das Urheberrecht den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk. Neben dieser generalklauselartigen Bestimmung kommt das Urheberpersönlichkeitsrecht in weiteren daraus abgeleiteten Einzelregelungen zum Ausdruck, zu denen auch die Anerkennung der Urheberschaft gemäß § 13 UrhG gehört (…). Insgesamt ergibt sich aus diesen Bestimmungen ein umfassendes Verständnis des im Kern unverzichtbaren Urheberpersönlichkeitsrechts (…). Die durch § 13 Satz 1 UrhG geschützte Anerkennung der Rechtsposition als Werkschöpfer wird nach dem gebotenen umfassenden Verständnis unabhängig davon beeinträchtigt, ob das Bestreiten oder die Anmaßung der Urheberschaft lediglich gegenüber dem Urheber selbst zum Ausdruck gebracht wird oder ob die bestreitende oder anmaßende Äußerung auch gegenüber Dritten verbreitet wird."
Und weiter:
"(2) Ein auf das Bestreiten des Urheberrechts gegenüber Dritten begrenztes Verständnis der aus § 13 Satz 1 UrhG folgenden Rechte des Urhebers wird auch nicht durch Wertungen nahegelegt, die dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu entnehmen sind.
Die Annahme des Berufungsgerichts, das Urheberpersönlichkeitsrecht sei mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verwandt und dieses wiederum schütze lediglich davor, nicht durch die Verbreitung unwahrer Tatsachen gegenüber Dritten in ein "falsches Licht" gerückt zu werden, ist bereits deshalb nicht tragfähig, weil sie sich auf die Grundsätze des Schutzes vor Entstellung des Persönlichkeitsbilds in der Öffentlichkeit stützt (…).
Damit hat das Berufungsgericht lediglich eine besondere Fallgruppe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in den Blick genommen, deren Schutzgegenstand sich von dem hier in Rede stehenden Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts maßgeblich unterscheidet. Bei dem Recht des Urhebers gemäß § 13 UrhG geht es nicht - wie beim vom Berufungsgericht als relevant erachteten Schutz der Entstellung des Persönlichkeitsbilds - um den Schutz des sozialen Achtungsanspruchs einer Person in der Öffentlichkeit.
Das durch § 13 UrhG geschützte Urheberpersönlichkeitsrecht umfasst vielmehr die Anerkennung der Rechtsposition als Werkschöpfer an sich und - soweit es die Urheberbezeichnung auf dem Werk selbst im Sinne von § 13 Satz 2 UrhG betrifft - deren Dokumentation in der Außenwelt (…). Das urheberrechtliche Anerkennungsrecht ist deshalb - ebenso wie der persönlichkeitsrechtliche Schutz der Ehre gegen Beleidigungen und die Behauptung ehrenrühriger Tatsachen (…) - auch im Zweipersonenverhältnis zwischen dem Äußernden und dem betroffenen Rechtsträger gewährleistet."
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BGH: Wann Internet-Radiorecorder urheberrechtlich zulässig sind
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Der BGH hat sich in einer weiteren Entscheidung dazu geäußert, wann für Privatpersonen der Einsatz von Internet-Radiorecorder urheberrechtlich zulässig ist (BGH, Urt. v. 27.06.2024 - Az.: I ZR 14/21).
Der amtlichen Leitsatz des “Internet-Radiorecorder II” -Urteils lautet:
“Nutzer eines Internet-Radiorecorders können sich auf die Privatkopieschranke des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG berufen, wenn sie private Vervielfältigungen anfertigen, indem sie sich auf der Internetseite des Dienstes Musiktitel aussuchen und ihre Titelauswahl in einer Wunschliste speichern, woraufhin der Dienst vollautomatisch die Sendung eines dieser Musiktitel aufnimmt, sobald dieser in einem angeschlossenen Internet-Radio gespielt wird, und diese Kopie in einem Speicherplatz des Kunden ablegt, der von dort aus die Musikaufnahme wiedergeben und herunterladen kann (Festhaltung an BGH, Urteil vom 5. März 2020 - I ZR 32/19, GRUR 2020, 738 = WRP 2020, 861 - Internet-Radiorecorder I).”
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OLG Frankfurt a.M.: Online-Vertragsschluss bei Hauptprodukt mit Zugabe bereits dann, wenn Beigabe versendet wird
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Im Onlinehandel liegt in der Übersendung einer Gratisbeigabe, deren Versendung einen Kaufvertrag über ein Hauptprodukt voraussetzt, auch die Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrags über das noch nicht versandte Hauptprodukt. Trotz eines sog. Preisfehlers kann der Kläger die Lieferung von neuen Smartphones zu 92 € statt 1.099 € laut UVP verlangen, bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die landgerichtliche Verurteilung mit heute veröffentlichter Entscheidung.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Lieferung und Übereignung von neun Smartphones in Anspruch.
Die Beklagte betreibt den deutschen Onlineshop eines weltweit tätigen Elektronikkonzerns. Laut ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen liegt in einer Kundenbestellung über den Button „jetzt kaufen“ ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages.
Die Auftragsbestätigung der Beklagten ist demnach noch keine Annahme dieses Angebots. Ein Kaufvertrag kommt laut AGB zustande, wenn die Beklagte das bestellte Produkt an den Käufer versendet und dies mit einer Versandbestätigung bestätigt. Dabei bezieht sich der Vertrag nur auf die in der Versandbestätigung bestätigten oder gelieferten Produkte.
Durch einen sogenannten Preisfehler bot die Beklagte online Smartphones für 92 € an. Der UVP für diese Produkte betrug 1.099 €. Zeitgleich bot die Beklagte bei Bestellungen bestimmte Kopfhörer als Gratisbeigabe an. Der Kläger bestellte im Rahmen von drei Bestellungen neun Smartphones sowie vier Gratis-Kopfhörer. Die Kaufpreise zahlte er umgehend.
Noch im Laufe des Bestelltages änderte die Beklagte den Angebotspreis auf 928 €. Zwei Tage nach den Bestellungen versandte sie die vier Paar Kopfhörer an den Kläger und teilte dies jeweils per Mail mit. Knapp zwei Wochen später stornierte sie die Bestellung unter Verweis auf einen gravierenden Preisfehler. Der Kläger begehrt nunmehr die Lieferung und Übereignung der Smartphones.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Diese Auffassung teilte das OLG im Rahmen seines Hinweisbeschlusses, der zur Rücknahme der Berufung führte: Zwischen den Parteien seien Kaufverträge über insgesamt neun Smartphones zustande gekommen. In den automatisiert erstellten Bestellbestätigungen liege zwar noch keine Annahmeerklärung, sondern allein die Bestätigung des Eingangs einer Bestellung.
Mit der Übersendung der Gratis-Kopfhörer habe die Beklagte jedoch den Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrages auch in Bezug auf die in der jeweiligen Bestellung enthaltenen Smartphones angenommen: “Denn anders, als wenn in einer Bestellung mehrere kostenpflichtige Artikel zusammengefasst werden, war unbedingte Voraussetzung der kostenlosen Übersendung der Kopfhörer der Erwerb eines Smartphones. Zwischen dem Erwerb des Smartphones und der Übersendung der Kopfhörer bestand ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt, dass die kostenlose Übersendung der Kopfhörer das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt - das Smartphone – voraussetzt“, begründete das OLG.
Der Kläger habe die Mitteilung, dass sämtliche versprochenen Gratisbeigaben nunmehr verschickt seien, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen dürfen, dass damit auch die Kaufverträge über die Smartphones bestätigt würden.
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass unstreitig der Preis für die Smartphones bereits am Bestelltag selbst auf 928 € korrigiert worden sei. Ab diesem Zeitpunkt sei daher von der Kenntnis von dem Preisfehler im Haus der Beklagten auszugehen. Dies sei ihr insgesamt zuzurechnen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 18.4.2024, Az. 9 U 11/23 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 9.2.2023, Az.: 2-20 O 126/22)
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 04.07.2024
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OLG Hamm: Mahnung per SMS bei berechtigten Forderungen erlaubt
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Ein Gläubiger darf auch per SMS Mahnungen an einen Schuldner schicken. Zumindest dann, wenn dies Übermittlung tagsüber und nicht zur Nachtzeit geschieht und nicht eine Vielzahl von Zahlungserinnerungen erfolgt (OLG Hamm, Urt. v. 07.05.2024 - Az.: I-4 U 252/22).
Die Beklagte mahnte eine Privatperson wegen angeblich ausstehender Forderungen zweimal per Brief. Als keine Reaktion erfolgte, versandte sie tagsüber eine Mahnung per SMS:
"Hallo A,
Ihre Zahlungsfrist läuft ab. Zahlen Sie am besten noch heute.
Hier Ihr Link zur Online-Zahlung [xy.de]"
Die klägerische Verbraucherzentrale sah darin eine unzulässige aggressive geschäftliche Handlung und ging gegen den Anbieter vor.
1. Mahnung per SMS grundsätzlich zulässig:
Das OLG Hamm folgte dieser Ansicht nicht, sondern bejahte grundsätzlich die Zulässigkeit einer Mahnung auch per SMS:
"Ausgehend hiervon handelt es sich bei der streitgegenständlichen SMS (…), die ihre Adressatin unstreitig nicht zur Nachtzeit, sondern um 11:22 Uhr erreichte, nicht um eine Belästigung im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG.
Dabei ist insbesondere die aktuelle gesellschaftliche Informationswirklichkeit in den Blick zu nehmen. Der Erhalt einer SMS stellt aus der Sicht ihres Empfängers in heutigen Zeiten, in denen nahezu jeder eigenverantwortlich handelnde, geschäftsfähige Verbraucher über ein Smartphone verfügt, keinen tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre dar und ist letztlich nicht (mehr) anders zu beurteilen, als etwa der Erhalt einer E-Mail, mittels derer eine Mahnung/Zahlungserinnerung in rechtlich unbedenklicher Weise versandt werden kann.
Denn regelmäßig sind die Smartphones der Nutzer so eingerichtet, dass nicht nur der Eingang einer SMS oder einer anderen Mitteilung (Messenger-Nachrichten, Mitteilungen über soziale Netzwerke, etc.), sondern auch der Eingang einer E-Mail mittels sog. Push-Meldung - unter Umständen auch auf dem Sperrbildschirm - automatisch angezeigt wird, ohne dass der Nutzer seinen E-Mail-Account hierfür gezielt aufrufen muss.
Mit dem Erhalt einer SMS ist daher die für eine Belästigung nach § 4a Abs. 1 UWG vorauszusetzende Intensität nicht verbunden.
Sie stellt keinen unzumutbaren Eingriff in die Privatsphäre der angesprochenen Person dar. Zumal der potentielle Empfänger diesen Kommunikationskanal durch die Angabe seiner Mobilrufnummer bei dem Anbieter der Waren oder Erbringer der Dienstleistung regelmäßig selbst eröffnet haben wird.
Zudem obliegt es jedem Einzelnen, durch entsprechende Einstellungen des auf seinem/ihrem Smartphone installierten Betriebssystems darüber zu entscheiden, ob er/sie eingehende Nachrichten (E-Mails, SMS, Messenger-Nachrichten, etc.) als sog. Push-Meldungen automatisiert und noch dazu auf dem Sperrbildschirm angezeigt erhalten will oder nicht.
Mithin ist die Sichtweise des Klägers verfehlt, wonach sich der Empfänger einer SMS - anders als bspw. bei einem Brief - der Kenntnisnahme nicht verschließen kann. Dass die Möglichkeit besteht, derartige Einstellungen vorzunehmen, ist senatsbekannt, so dass kein Bedürfnis besteht, den vom Kläger angebotenen Beweis darüber zu erheben, dass eingehende SMS stets auf dem Sperrbildschirm erscheinen."
Für die rechtliche Zulässigkeit spreche auch die Tatsache, dass die Beklagte ihre Zahlungsaufforderungen zunächst per Briefpost versandt habe. Erst als daraufhin keine Reaktion erfolgt sei, haben sie den SMS-Kanal gewählt:
“Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beklagte zunächst zweimal erfolglos auf postalischem Weg gemahnt hat, bevor sie die beanstandete SMS mit der Zahlungserinnerung versandte. Damit hat sie sich für eine abgestufte Vorgehensweise entschieden, die insbesondere auch auf die Interessen der vermeintlich säumigen Verbraucherin Rücksicht genommen hat, indem sie zunächst einen weniger direkten Kommunikationskanal zur Mahnung der vermeintlich bestehenden Forderung gewählt hat.”
Das OLG lässt bewusst offen, dass möglicherweise etwas anderes gelten könne, wenn die Nachricht zur Nachtzeit eingehe oder mehrfach auf diese Weise gemahnt werde:
“Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, wenn ein Schuldner mit einer Vielzahl von SMS oder solchen, die zur Nachtzeit bei ihm eingehen, konfrontiert wird, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die von einem (vermeintlichen) Schuldner hinzunehmende Lästigkeitsgrenze nicht überschritten, wenn - wie hier - lediglich eine SMS versandt wird, nachdem die (vermeintliche) Schuldnerin auf zwei zuvor postalisch erhaltene Mahnungen hin nicht reagiert hat (…).”
2. Mahnung per SMS aber unzulässig, wenn gar keine Forderung besteht:
Im vorliegenden Fall verurteilte das OLG Hamm die Beklagte jedoch ausnahmsweise zur Unterlassung. Das lag aber an der Tatsache, dass gar keine Forderung nachgewiesen war:
"Überdies stellt die konkludente Behauptung, es sei zu einem entsprechenden Vertragsschluss zwischen der angesprochenen Verbraucherin und (…) gekommen, eine unwahre Angabe im Sinne von § 5 Abs. 2 Fall 1 UWG dar (…).
Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, in der von ihr versandten SMS seien keinerlei Angaben enthalten gewesen, die Anknüpfungspunkt einer irreführenden Behauptung sein könnten - insbesondere seien dort keinerlei Ausführungen zur konkret geltend gemachten Forderung, ihrem Gläubiger und/oder dem Rechtsgrund (etwa dem vermeintlich zugrunde liegenden Vertragsverhältnis) gemacht worden, so dass mit ihr nicht im Sinne der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über den Abschluss eines Vertrags habe getäuscht werden können -, verfängt dies letztlich nicht.
Zwar ist es zutreffend, dass die SMS lediglich den Hinweis auf eine nicht näher benannte, auslaufende Zahlungsfrist und die mit einem weiterführenden Link versehene Aufforderung zur Begleichung der nicht näher spezifizierten Forderung enthält. Allerdings ändert dies nichts daran, dass die Beklagte damit konkludent das Bestehen der dieser Zahlungsaufforderung zugrunde liegenden Forderung und damit gleichfalls das Zustandekommen des dieser Forderung zugrunde liegenden Vertrags behauptet hat."
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LG Ansbach: Kein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bei Meldung an SCHUFA ohne Einwilligung bei Abschluss eines Handy-Vertrages
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Ein Verstoß gegen die DSGVO ist nicht zwingend gegeben, wenn bei der Anmeldung eines Mobilfunkvertrags ohne Einwilligung positive Daten an die SCHUFA übermittelt werden. Es bedarf vielmehr des Nachweises eines konkreten Schadens (LG Ansbach, Urt. v. 20.06.2024 - Az.: 2 O 1111/23).
Das verklagte Telekommunikationsunternehmen übermittelte ohne Zustimmung positive Daten eines neuen Kunden an die SCHUFA. Der betroffene Kunde forderte daraufhin Schadensersatz in Höhe von 5.000,- EUR wegen einer angeblichen DSGVO-Verletzung.
Das LG Ansbach verneinte einen Anspruch, weil es an einem Schaden fehle.
Der Kläger sei für den geltend gemachten Anspruch beweispflichtig:
"Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die negativen Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen, trägt die vom Verstoß betroffene Person (EuGH a. a.O., Rn. 84). Der bloße objektive Umstand des Vorliegens eines Kontrollverlustes ist als solcher allein noch nicht ausreichend, um einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen (…)."
Dieser Beweislast sei der Anspruchsteller nicht nachgekommen:
"Der Begriff des Schadens in Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist europarechtskonform auszulegen. Der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO begründet dabei entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits einen Schaden (…)
Das Gericht hat den Kläger informatorisch angehört und den gesamten Prozessstoff gewürdigt. Es vermag sich im Ergebnis dessen nicht davon zu überzeugen, dass dem Kläger durch die Einmeldung von Positivdaten an die SCHUFA ein immaterieller kausaler Schaden entstanden ist.
a) Im Rahmen der informatorischen Anhörung hat der Kläger angegeben, wegen der Sache nicht an Schweißausbrüchen zu leiden; jedoch habe er die Sorge, ihm könne in den nächsten Jahren ein Kredit für einen Hausbau „wegen irgendwelcher Einträge bei der SCHUFA“ verweigert werden. Ihm sei in der jüngeren Vergangenheit bereits einmal wegen seines SCHUFA-Scores ein Kleinkredit verweigert worden, dies binnen zwei Sekunden; die Ablehnung habe auf einem Algorithmus beruht.
An den konkreten Anlass für die Beantragung des Kleinkredits könne er sich nicht erinnern; dass dieser ihm aufgrund der damaligen Negativzinsen noch zusätzlich Geld in die Tasche gespült hätte, wäre ein „schöner Nebeneffekt“ gewesen."
Als besonders kritisch bewertete das Gericht, dass die Angaben in dem klägerischen Schriftsatz und die Äußerungen in der mündlichen Verhandlung voneinander abwichen:
"In der Klageschrift ist demgegenüber von Existenzsorge, Stress, Unwohlsein und Unruhe die Rede. In der Replik wird ebenfalls auf den abgelehnten Kredit eingegangen und ausgeführt, der Kläger habe Bedenken hinsichtlich der Sicherheit seiner Daten, insbesondere im Fall eines Hackerangriffs auf die Server der SCHUFA. (…)
Widersprüche zwischen dem Vorbringen aus der Anhörung und dem schriftlichen Vortrag kann das Gericht frei würdigen, wobei das Vorbringen des Klägers aus der informatorischen Anhörung dem hierzu in Widerspruch stehenden schriftsätzlichen Vortrag seines Prozessbevollmächtigten in der Regel vorgeht (…). Anlass, vorliegend von dieser Regel abzuweichen, besteht nicht, zumal gerichtsbekannt die Behauptung, der Betroffene leide an Existenzängsten, Stress oder allgemeinem Unwohlsein, identisch in zahlreichen weiteren Verfahren mit vergleichbarem Sachverhalt gemacht wird."
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LG Augsburg: Automatische Meldung von Positivdaten an die SCHUFA bei Abschluss von Handy-Vertrag durch berechtigte Interessen gerechtfertigt
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Die automatische Meldung von Positivdaten an die SCHUFA bei Abschluss eines Handy-Vertrages ist durch die berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO gerechtfertigt (LG Augsburg, Urt. v. 06.06.2024 - Az.: 113 O 4038/23).
Die Klägerin verlangte von dem Telekommunikationsunternehmen, bei dem sie einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hatte, einen Ausgleich nach Art. 82 DSGVO, weil ohne ihr ein Einverständnis Positivdaten an die SCHUFA übermittelt wurden. Sie war der Ansicht, dass diese Weitergabe eine Datenschutzverletzung darstelle.
Dieser Ansicht hat das LG Augsburg eine klare Absage erteilt.
Das Handeln der Beklagten sei durch die berechtigten Interessen (Art. 6 Abs.1 f) DSGVO) legitimiert:
"Das Gericht sieht bereits keinen Verstoß der Beklagtenseite (…), da die von der Beklagten vorgenommene Datenübermittlung nach der gemäß Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO vorzunehmenden Interessenabwägung gerechtfertigt ist.
1) Das Gericht hat hierbei insbesondere in seine Erwägungen eingestellt, dass die Beklagte hierbei nicht nur eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, sondern durch die Datenübermittlung mittelbar auch Interessen der Verbraucher und somit letztlich auch der Klagepartei selbst gefördert werden. Dies trifft insbesondere zu, soweit die Beklagte die Einmeldung der Daten zum Schutz der Verbraucher vor Identitätsdiebstahl und sonstigen Betrugsstraftaten vornimmt.
Ein verständiger Verbraucher hat offenkundig ein erhebliches Interesse daran, dass seine Daten nicht für kriminelle Zwecke missbraucht werden und insbesondere nicht widerrechtlich auf seinen Namen Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden.
Die Beklagte hat plausibel dargelegt, dass sie die Daten (auch) an die SCHUFA übermittelt, um derartige Fälle, insbesondere in der Konstellation der sogenannten „Waren“- oder „Paketagenten“ zu vermeiden. Es ist gerichtsbekannt, dass die Opfer derartiger Identitätsdiebstahls-Fälle oftmals erhebliche Unannehmlichkeiten erdulden und in nicht unerheblichem Umfang eigene zeitliche und finanzielle Ressourcen aufwenden müssen, um die Folgen solcher Straftaten zu beseitigen. Die Erschwerung solcher krimineller Handlungen liegt daher im wohlverstandenen Interesse nicht nur der Beklagten, sondern auch der Klagepartei und aller übrigen Telefonkunden."
Und weiter:
“Ein für die Klagepartei weniger belastendes, aber ebenso effektives Mittel zur Erreichung dieses Zwecks als die Übermittlung der Vertragsdaten an die SCHUFA ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.”
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LG Bochum: Online-Werbung "Arzt für ästhetische Eingriffe" verlangt entsprechende Qualifikation im Bereich der plastischen Chirurgie
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Wirbt ein Anbieter im Internet mit der Bezeichnung "Arzt für ästhetische Chirurgie", weckt dies beim Verkehr eine entsprechende Erwartungshaltung, so dass der Betreiber über eine entsprechende Qualifikation im Bereich der plastischen Chirurgie verfügen muss (LG Bochum, Urt. v. 20.12.2023 - Az.: I-13 O 74/23).
Die Beklagte betrieb drei Arztpraxen und war unter anderem im Bereich der minimalinvasiven Schönheitsbehandlungen tätig. Sie warb auf ihrer Webseite mit der Angabe von Personenfotos mit dem Statement
"Arzt für ästhetische Eingriffe"
Das LG Bochum stufte diese Werbung als irreführend ein.
Denn die verwendeten Begrifflichkeiten würden bei medizinischen Laien den Irrtum hervorrufen, es läge eine besondere fachliche Qualifikation vor. Dies sei aber gerade nicht der Fall:
"Nach Auffassung der Kammer erweckt die Kombination der Begriffe „Arzt für“ und „Eingriffe“ bei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht die Vorstellung einer kosmetischen Behandlung, sondern einer ärztlichen in den Körper eingreifenden Behandlung, zumal weitere Hinweise auf die Spezialisierung von (…) folgen, zum Beispiel „Nasenkorrektur“ und „ästhetische Fettreduktion“.
Durch die Gesamtgestaltung wird nach Auffassung des Gerichts bei den angesprochenen Verbrauchern eine Fehlvorstellung dahingehend ausgelöst, dass (…) eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Bereich der plastischen Chirurgie erworben haben."
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Werbung auch einen inneren Wahrheitskern habe:
"Auch eine objektiv richtige Angabe kann irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt (…).
Die in diesem Fall vorzunehmende Interessensabwägung, bei der auch die durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Berufsausübungsfreiheit zu berücksichtigen ist, ergibt, dass das Verbot der streitgegenständlichen Werbung keinen unverhältnismäßigen oder nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die nach § 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufausübungsfreiheit darstellt.
Der Beklagten ist es ohne Weiteres möglich, die Qualifikation der für sie tätigen Ärzte (…) anderweitig hervorzuheben, zum Beispiel durch den nach der Berufsordnung für Ärzte zulässigen Hinweis auf Tätigkeitsschwerpunkte.
Die Auffassung der Beklagten, nach § 17 Abs. 5 der Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein seien die Geschäftsführer der Beklagten verpflichtet, ihr Tätigkeitsgebiet in Form einer Arztbezeichnung, nämlich „Arzt für ästhetische Eingriffe“ auf dem Praxisschild anzugeben, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar und findet keine Stütze in den Regelungen der Berufsordnung. (…)"
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LAG Erfurt: Nachträgliche Änderung einer elektronischen Patientenakte rechtfertigt außerordentliche Kündigung
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Nimmt die Mitarbeiterin einer Arzt-Praxis heimlich Änderungen an der elektronischen Patientenakte vor, rechtfertigt diese im Zweifel eine außerordentliche Kündigung (LAG Erfurt, Urt. v. 28.02.2024 - Az.: 4 Sa 166/23).
Die klagende Arzthelferin wehrte sich vor Gericht gegen eine außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die verklagte Ärztin hatte festgestellt, dass die Klägerin ungefragt nachträgliche Änderungen an einer der elektronischen Patientenakten vorgenommen hatte und hielt dies für so gravierend, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei.
Das LAG Erfurt hielt die Kündigung für wirksam und wies die Klage ab.
Denn die Manipulation einer Patientenakte stelle einen ganz massiven Rechtsverstoß dar:
"Die nachträgliche Veränderung von Daten in der elektronischen Patient*innenakte durch die Klägerin ist eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Diese ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.
Die Patient*innenakte enthält die für die medizinische Behandlung eines Menschen wichtigen Informationen wie z.B. Anamneseergebnisse, frühere Diagnosen, bislang verschriebene Medikamente, ggf. Informationen über Unverträglichkeiten usw.
Sie dient aber auch der Dokumentation von Behandlungsverläufen und ist ggf. als Nachweis im Rahmen von Haftungsfragen bedeutsam.
Außerdem ist die Dokumentation bei einem Ärzt*innenwechsel von großer Wichtigkeit. Auch für Abrechnungsfragen kann die Patient*innenakte bedeutsame Informationen enthalten.
Der Inhalt muss deshalb stimmen. Verantwortlich hierfür ist der*die Ärzt*in. Deshalb gehört es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des medizinischen Hilfspersonals, Eintragungen in die Patient*innenakte sorgfältig und anweisungs- sowie wahrheitsgemäß vorzunehmen und nachträgliche Änderungen, die nicht den Tatsachen entsprechen zu unterlassen."
Und weiter:
"Damit fehlt in der Tat eine Voraussetzung das Arbeitsverhältnis im besonders sensiblen Bereich der Patient*innenversorgung fortzuführen. Die Risiken hieraus für die Patient*innen aber auch für die für Fehler haftende Beklagte sind zu hoch.
Dem gegenüber können die Interessen der Klägerin den schwerwiegenden Umstand des Vertrauensverlustes nicht kompensieren. Zugunsten der Klägerin war die lange Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren zu berücksichtigen und vor allem, dass das Arbeitsverhältnis 15 Jahre lang beanstandungsfrei verlief. (…)
Allerdings kann dies dann letztendlich doch nicht im Ergebnis zu ihren Gunsten durchschlagen, um der Beklagten das Arbeitsverhältnis weiter zuzumuten."
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