____________________________________________________________ 1. BGH: Unternehmen darf Urteil gegen Mitbewerber auf Webseite veröffentlichen _____________________________________________________________ Ein Unternehmen darf ein Urteil gegen einen Mitbewerber wegen irreführender Werbung auf seiner Webseite veröffentlichen, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der Information hierüber besteht (BGH, Urt. v. 06.05.2021 - Az.: I ZR 167/20). Die Parteien waren Mitbewerber. Der Beklagte erwirkte in der Vergangenheit ein Gerichtsurteil gegen die Klägerin wegen irreführender Werbung im Zusammenhang mit der Akquisition von Anzeigenkunden. Dieses Urteil veröffentlichte der Beklagte auf seiner Webseite unter voller Nennung des Namens der juristischen Person der Klägerin. Hierin sah die Klägerin eine Wettbewerbsverletzung und ging dagegen juristisch vor. Zu Unrecht wie der BGH nun entschied. Ganz allgemein führt das Gericht aus: "Eine beeinträchtigende wahre Tatsachenbehauptung kann umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird (...). Dabei sind wahre Tatsachenbehauptungen, bei denen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zugleich zu eigennützigen wettbewerblichen Zwecken eingesetzt wird, mit Blick auf das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb allerdings strenger zu bewerten als Äußerungen, die nicht den lauterkeitsrechtlichen Verhaltensanforderungen, sondern lediglich dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen (...)." Im vorliegenden Fall spreche ein hohes Informationsinteresse für die volle Veröffentlichung des Urteils: "Die Güter- und Interessenabwägung ergibt, dass die mit der Veröffentlichung des Urteilstenors unter namentlicher Nennung der Klägerin einhergehende Verringerung der Wertschätzung der Klägerin sachlich gerechtfertigt und daher nicht unlauter ist. Das Berufungsgericht hat angenommen, es liege ein hinreichendes, das Interesse der Klägerin an der Wahrung ihres geschäftlichen Ansehens überwiegendes Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise vor. Eine Warnung vor den Geschäftspraktiken der Klägerin und die damit verbundene Vereinfachung der Rechtsverfolgung durch die namentliche Nennung erscheine auch noch mehrere Jahre nach Erlass des Urteils verhältnismäßig. Der angesprochene Verkehrskreis bestehe aus schützenswerten klein- bis mittelgroßen Unternehmen. Die gegen sie ausgeführten und abgeurteilten Geschäftspraktiken seien von allgemeinem Interesse, weil das Maß der Irreführung aufgrund des betrügerischen Charakters der untersagten Handlungen besonders schwer wiege. Das besondere Interesse an der namentlichen Nennung der Klägerin folge daraus, dass die Nennung zusammen mit der Wiedergabe des Tenors geeignet sei, die Klägerin von einer Wiederaufnahme der unlauteren und verbotenen Geschäftspraktiken abzuhalten. Hierdurch werde das Risiko erhöht, dass ein Betroffener dem Beklagten einen Verstoß melde und dieser aus dem Titel vollstrecke. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand." Daran ändere auch der Umstand nichts, dass das erwirkte Urteil bereits mehrere Jahre zurückliege: "Das Berufungsgericht hat das Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise wegen des schwerwiegenden Maßes der Irreführung der abgeurteilten Geschäftspraktiken der Klägerin erkennbar als gewichtig eingestuft. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Die in Rede stehenden Geschäftsmethoden sind weitgehend auf eine Täuschung potentieller Anzeigenkunden angelegt, indem sie ein Näheverhältnis der Klägerin zur Polizei oder die Erteilung oder einen bestimmten Inhalt eines vermeintlichen Anzeigenauftrags suggerieren. Die angesprochenen Verkehrskreise haben daher ein erhebliches Bedürfnis, über die von der Klägerin in der Vergangenheit praktizierten und ihr gerichtlich untersagten unlauteren Geschäftspraktiken aufgeklärt zu werden, um vor einer künftigen erfolgreichen Anwendung dieser Methoden seitens der Klägerin wirksam geschützt zu werden und vor einer fehlinformierten geschäftlichen Entscheidung bewahrt zu bleiben. (...) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass auch noch mehrere Jahre nach der Verurteilung der Klägerin das Interesse des angesprochenen Verkehrs anhielt, wegen seiner besonderen Schutzwürdigkeit über die von der Klägerin in der Vergangenheit praktizierten betrügerischen Geschäftsmethoden informiert zu werden. Das Berufungsgericht hat einen aktuellen Bezug zum Geschäftsgegenstand der Klägerin bejaht, weil diese sich auch künftig mit der Vermittlung von Anzeigenkunden befasst oder befassen kann." zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BGH: Sammelklage-Inkasso rechtmäßig _____________________________________________________________ Der II. Zivilsenat hat heute entschieden, dass ein sogenanntes Sammelklage-Inkasso zulässig ist. Sachverhalt und Prozessverlauf: Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist als Rechtsdienstleisterin für Inkassodienstleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG) registriert. Auf einer von ihr betriebenen Webseite warb sie dafür, Ansprüche gegen die zwischenzeitlich insolvente Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG auf Rückzahlung des Flugpreises gesammelt über sie geltend zu machen. Den Kunden sollten keine Kosten entstehen, die Klägerin im Erfolgsfall 35% der Nettoerlöse aus dem Forderungseinzug erhalten. Aus abgetretenem Recht hat die Klägerin Schadensersatzansprüche von insgesamt sieben Kunden gegen den ehemaligen Geschäftsleiter der Air Berlin eingeklagt, da er verspätet Insolvenzantrag gestellt habe. Die Kunden haben zwischen Mai und Juli 2017 Flüge bei Air Berlin gebucht und bezahlt, die aufgrund der Insolvenz nicht mehr durchgeführt wurden. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die hier zu beurteilende Tätigkeit der Klägerin von ihrer Befugnis gedeckt ist, Inkassodienstleistungen zu erbringen. Vom Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG werden Geschäftsmodelle miterfasst, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen. Dies gilt auch für das sogenannte Sammelklage-Inkasso, bei dem mehrere Forderungen gesammelt und gebündelt gerichtlich geltend gemacht werden. Weder dem Wortlaut noch der Systematik der § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 RDG lässt sich entnehmen, dass solche Inkassoformen keine zulässigen Rechtsdienstleistungen sind. Bei einer am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, orientierten Würdigung erfasst der Begriff der Inkassodienstleistung unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters (Art. 12 Abs. 1 GG) auch Inkassomodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf die gerichtliche Einziehung von Forderungen abzielen, selbst wenn dazu eine Vielzahl von Einzelforderungen gebündelt werden. Der Klägerin ist ihre Tätigkeit auch nicht wegen der Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht nach § 4 RDG verboten. Ein Interessenkonflikt, der eine entsprechende Anwendung des § 4 RDG auf den vorliegenden Fall rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Da der Klägerin mit dem Sammelklage-Inkasso kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz zur Last fiel, war die zwischen den Kunden von Air Berlin und der Klägerin vereinbarte Abtretung wirksam. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, damit weitere Feststellungen zum Bestehen der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche wegen Insolvenzverschleppung nachgeholt werden können. Urteil vom 13. Juli 2021 - II ZR 84/20 Vorinstanzen: Landgericht Berlin – Urteil vom 31. Juli 2019 – 26 O 355/18 Kammgericht – Urteil vom 3. April 2020 – 14 U 156/19 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 13.07.2021 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) - Anwendungsbereich (1) 1Dieses Gesetz regelt die Befugnis, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. 2Es dient dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. § 2 RDG - Begriff der Rechtsdienstleistung (1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. (2) 1Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). […] § 3 RDG - Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. § 4 Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, dürfen nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. § 10 RDG Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde (1) 1Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen: 1. Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1), zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. OLG Frankfurt a.M.: Keine Verwechslungsgefahr zwischen Restaurant "Ciao" und Pizzeria "Ciao Mamma" _____________________________________________________________ Zwischen der Bezeichnung „Ciao“ für ein Restaurant, welches italienische Speisen anbietet, und einer Pizzeria, die unter „Ciao Mamma“ firmiert, besteht keine Verwechslungsgefahr. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies deshalb mit heute veröffentlichter Entscheidung den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zurück. Die Parteien betreiben jeweils ein Lokal mit italienischen Speisen in der Umgebung von Darmstadt. Das Lokal des Antragstellers heißt „Ciao“ und ist nach eigener Darstellung ein gehobenes italienisches Restaurant mit Pizzeria. Die Antragsgegnerin bewirbt ihr Lokal als „Hamburgeria“ und „Pizzeria“ unter dem Namen „Ciao Mamma“. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassen der Verwendung der Bezeichnung „Ciao Mamma“ in Anspruch. Das Landgericht hat den im Eilverfahren geltend gemachten Anspruch zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Bezeichnung „Ciao“ sei zwar eine besondere Geschäftsbezeichnung, der auch Unterscheidungskraft zukomme, führte das OLG aus. Insbesondere bei Gaststätten und Hotels sei der Verkehr daran gewöhnt, dass sich Unternehmen häufig glatt beschreibender Etablissementsbezeichnungen bedienten es aber in einem umgrenzten örtlichen Gebiet nur einen einzigen Geschäftsbetrieb mit diesem Namen gebe. Der Bezeichnung „Ciao“ könne damit eine gewisse originäre Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Da es sich erkennbar um eine Grußformel handele, sei der Schutzbereich allerdings geringer. Es liege jedoch keine Verwechslungsgefahr vor. Die Parteien betrieben zwar beide Lokale, in denen italienisches Essen, insbesondere Pizzen, angeboten würden, so dass Branchenidentität vorliege. Die Kennzeichnungskraft der älteren Bezeichnung „Ciao“ – also ihre Eignung, sich als Unterscheidungsmittel bei den Kunden einzuprägen - sei jedoch mit Rücksicht auf die Bedeutung des Begriffs als italienische Grußformel durchschnittlich. Die einander gegenüberstehenden Bezeichnungen „Ciao“ und „Ciao Mamma“ seien nicht hinreichend ähnlich, um eine Verletzungsgefahr zu begründen. Zu vergleichen sei dabei der Gesamteindruck. Der Bestandteil „Mamma“ führe zu einem deutlich abweichenden Gesamteindruck. Der Verkehr verstehe die Bezeichnung „Ciao Mamma“ auch nicht als Ableger des Lokals „Ciao“, da der Bestandteil „Ciao“ nicht als eigenständiger Stammbestandteil wahrgenommen werde. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.6.2021, Az. 6 W 35/21 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 8.4.2021, Az. 22 O 22/21) Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 14.07.2021 zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Hamm: Meldung eines Verstoßes an Amazon durch Mitbewerber ist kein wettbewerbswidriges Anschwärzen _____________________________________________________________ Meldet ein Unternehmen den Rechtsverstoß eines Mitbewerbers an den Plattformbetreiber Amazon, liegt hierin kein wettbewerbswidriges Anschwärzen (OLG Hamm, Urt. v. 08.10.2020 - Az.: 4 U 7/20). Die Klägerin meldete an Amazon den Gesetzesverstoß eines Mitbewerbers auf der Plattform. Die Beklagte sah hierin ein wettbewerbswidriges Anschwärzen und mahnte die Klägerin ab. Zu Unrecht wie nun das OLG Hamm entschied. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Gläubigerin den Weg der Beschwerde über Amazon gewählt und nicht direkt abgemahnt habe: "Dass die Klägerin ihre Beschwerde an den Plattformbetreiber aus sachfremden – wettbewerbsfremden – Interessen abgesetzt hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin zunächst den Weg der Beschwerde an den Plattformbetreiber gewählt hat, der überdies schnell und effizient zu einer Entfernung der nicht gesetzeskonformen Produktangebote aus dem Internet geführt hat, und nicht sofort eine gegebenenfalls Kostenerstattungsansprüche auslösende Abmahnung ausgesprochen hat, spricht im Gegenteil dafür, dass ihr Vorgehen dem Interesse an einem lauteren, gesetzeskonformen Wettbewerb entsprang. (...) Dass die Klägerin das sogenannte „Infringement“-Verfahren des (...) Plattformbetreibers missbraucht hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe dieses Verfahren nicht genutzt, sondern sich vielmehr direkt an die Rechtsabteilung des Plattformbetreibers gewandt. Hierfür spricht auch der Wortlaut der beiden E-Mails vom 11.06.2019 und vom 26.07.2019, in denen von einer Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht die Rede ist, sondern ausdrücklich auf eine Zuwiderhandlung gegen Anhang VIII der VO (EU) Nr. 874/2012 abgestellt wird. Das Vorbringen der Beklagten zu einem angeblichen Missbrauch des „Infringement“-Verfahrens ist vor diesem Hintergrund substanzlos und geht über bloße Vermutungen nicht hinaus." In der Meldung liege auch kein Wettbewerbsverstoß, denn die Beklagte habe tatsächlich gegen gesetzliche Vorschriften bei ihrem Angebot verstoßen: "Die Beschwerde der Klägerin (...) enthielt auch keine Herabsetzung oder Verunglimpfung der Beklagten (...) im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG. Die in dieser Beschwerde von der Klägerin geäußerte Rechtsauffassung, die beiden Produktangebote, die Gegenstand der Beschwerde waren und die hier auch nur in Rede stehen, entsprächen nicht den Vorgaben der VO (EU) Nr. 874/2012, war vielmehr zutreffend." zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. OLG Hamm: Universitäten steht kein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch bei querulatorischen Telefonanrufen zu _____________________________________________________________ Einer Universität als Körperschaft des öffentlichen Rechts steht wegen querulatorischer Telefonanrufe kein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu. Vielmehr kann sie zum Schutz der Funktion ihrer Behörde von ihrem digitalen Hausrecht Gebrauch machen und es durch Verwaltungsakt durchsetzen. Dies hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 09.07.2021 in einem Eilverfahren entschieden. Der Beklagte war von August 2017 bis Januar 2018 bei der klagenden Universität als Arbeitnehmer tätig. Das Arbeitsverhältnis endete innerhalb der Probezeit durch Kündigung der Universität. Danach führten die Parteien u. a. noch ein arbeitsgerichtliches Verfahren. Ab dem Sommer 2020 kam es zu einer Vielzahl von Anrufen von anonymen Telefonnummern bei der Universität, die dem Beklagten zuzuordnen sind, soweit es zu einem Gespräch kam. Die Universität hat in diesem Eilverfahren verlangt, es dem Beklagten zu untersagen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter telefonisch insbesondere dann zu kontaktieren, wenn mehrere Anrufe an einem Tag hintereinander erfolgen, obwohl bereits zuvor Anrufe erfolgt sind. Das Landgericht Bochum (Az. 2 O 299/20) hat mit Urteil vom 01.03.2021 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Universität könne sich als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen, weshalb ihr ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch nicht zustünde. Die Berufung der Universität gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg. Ein Unterlassungsanspruch folge – so der 7. Zivilsenat – nach den gegebenen Umständen nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die massiven und von der Universität mangels sachlichen Grundes nicht mehr hinzunehmenden, teils mit unterdrückter Rufnummer durchgeführten Telefonanrufe des Beklagten auf Festnetz- und Mobilfunkanschlüssen im Rektorat, beim Kanzler und dem Justiziariat würden zwar unmittelbar die Behördenabläufe stören. Dennoch bestehe kein Bedürfnis, den vorerwähnten zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch insoweit auf den Betrieb der Universität auszudehnen, da sie als Behörde originäre verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen den Beklagten ergreifen könne. Zum Schutz ihrer Funktion könne sie aus eigener Befugnis und ohne Inanspruchnahme der Gerichte von ihrem digitalen Hausrecht Gebrauch machen, das insbesondere auch einen störungsfreien Telefonverkehr ermöglichen solle. Dieses Hausrecht könne sie durch Verwaltungsakt durchsetzen. Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 09.07.2021 (Az. 7 U 14/21, OLG Hamm) Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 14.07.2021 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OVG Schleswig: Online-Unternehmen muss sich beim E-Mail-Marketing ggü. Datenschutzbehörde nicht selbst belasten _____________________________________________________________ Ein Online-Unternehmen muss sich ggü. einer Datenschutzbehörde, die bestimmte Auskünfte verlangt, nicht selbst belasten, sondern hat grundsätzlich ein Auskunftsverweigerungsrecht. Dies gilt jedoch nur für solche Fragen, bei denen die Gefahr besteht, dass ein Strafverfahren oder eine Ordnungswidrigkeit droht (OVG Schleswig, Beschl. v. 28.05.2021 - Az.: 4 MB 14/21). Die Klägerin betrieb einen Online-Versand für Kosmetikprodukte und bewarb diesen auch mittels E-Mail-Marketing. Bei der zuständigen Datenschutzbehörde beschwerten sich im Jahr 2019 sieben verschiedene Personen, die behaupteten, dass die Klägerin ihnen Spam-Mails zugeschickt habe. Es habe weder eine Kundenbeziehung bestanden noch sei eine Einwilligung erteilt worden. Daraufhin wandte sich die Behörde an die Klägerin und verlangte schriftlich mehrere Auskünfte: Frage 1: Von welchen Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern und für Werbezwecke werden Daten verarbeitet? Frage 2: Welche personenbezogenen Daten werden konkret erhoben? Frage 3: Frage nach den Technisch-Organisatorischen Maßnahmen (TOM) und dem Verfahrensbverzeichnis? Frage 4: Wie viele Personen seien von den Maßnahmen betroffen? Frage 5: Einhaltung der datenschutzrechtlichen Informationspflichten nach Art. 14 DSGVODas Amt drohte pro nicht erteilter Auskunft ein Zwangsgeld iHv. 200,- EUR an. Das betroffene Unternehmen lehnte eine Beantwortung ab und berief sich im weiteren Verlauf auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht, da sie sich selbst belasten wollte. Die Datenschutzbehörde verhängte daraufhin ein Zwangsgeld iHv. 1.000,- EUR (= 5 Fragen a 200,- EUR). Hiergegen ging die Klägerin nun gerichtlich vor. Vor dem OVG Schleswig bekam sie jedoch nur teilweise Recht. Hinsichtlich der Fragen 3 und 5 sei die Verhängung eines Zwangsgeldes rechtswidrig, so die Richter. Bei den anderen Punkten hingegen sei das Vorgehen der Behörde nicht zu beanstanden. Grundsätzlich müsse sich kein Betroffener selbst belasten, indem er der Datenschutzbehörde Auskünfte erteile und sich damit einem Straf- oder Ordnungswidrigkeiten aussetze. Für ein solches Auskunftsverweigerungsrecht sei es nicht notwendig, dass eine tatsächliche Gefahr einer Rechtsverfolgung bestünde. Vielmehr reiche es bereits aus, wenn dies ernsthaft möglich erscheine: "Die Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts des § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG ist nur insoweit berechtigt, wie der an sich zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft auf solche Fragen verweigert, deren Beantwortung ihn der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Es gibt kein generelles, umfassendes Schweigerecht, und es muss dem Betroffenen eine bestimmte "Gefahrenlage" drohen (...). Für das Bestehen einer solchen Gefahrenlage bedarf es nicht der sicheren Erwartung einer Bestrafung oder Sanktionierung in Anknüpfung an die Erteilung der Auskunft. Indessen genügt auch nicht die bloße Vermutung oder theoretische Möglichkeit einer solchen. Notwendig, aber auch hinreichend ist, dass die Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ernsthaft möglich erscheint (...)." Mittels dieses Maßstabs bewertete das Gericht im Einzelnen nun die fünf Fragen. Und kam bei Frage 1 2 und 4 zu keiner Gefahr einer Selbstbelastung: "Ein Verstoß gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO, der hier zur Einleitung eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten führen könnte, ergibt sich nicht a priori aus der Beantwortung dieser Fragen, die darauf abzielen aufzuklären, von welchen Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern die Antragstellerin Daten erhebt und für Werbezwecke verarbeitet (Frage 1), welche personenbezogenen Daten insoweit erhoben werden (Frage 2) und wie viele Personen betroffen sind (Frage 4). Allein die Benennung von Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern, die Angabe, um welche personenbezogenen Daten es sich dabei handelt bzw. wieviele Personen betroffen sind, lassen noch keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten erkennen. Die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung erfordert das Hinzutreten weiterer Umstände, wie beispielsweise das Fehlen einer Einwilligung zur Datenverarbeitung." Nach Auffassung des OVG Schleswig hätte das betroffene Online-Unternehmen somit nicht die Auskunft auf diese Fragen verweigern dürfen. Anders hingegen seien die Fragen 3 und 5 zu bewerten. Hier existiere ein reales Risiko, sodass ein Auskunftsverweigerungsrecht bestünde: "Die Fragen 3 und 5 (...), zielen anders als die Fragen 1, 2 und 4, auf die Einholung von solchen Auskünften ab, die die Antragstellerin der Gefahr eines Verfahrens nach dem Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten aussetzen können. Aus der Beantwortung der Frage 3 kann sich unmittelbar ergeben, dass die Antragstellerin die Verpflichtungen aus Art. 24 und Art. 32 DSGVO nicht erfüllt, was gemäß Art. 83 Abs. 4 lit. a DSGVO mit Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro oder bis zu 2 % des Jahresumsatzes des Unternehmens belegt werden kann (...). Ebenfalls sanktioniert werden Verstöße gegen die Informationspflichten, die gemäß Art. 14 DSGVO bestehen, wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden, vgl. Art. 83 Abs. 5 lit. d DSGVO (...)." In diesen beiden Fällen sei es daher rechtswidrig gewesen, ein Zwangsgeld zu verhängen. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Ob die Fragen 1, 2 und 4 tatsächlich so unproblematisch zu beantworten sind wie das Gericht hier behauptet, kann mit guten Argumenten bezweifelt werden. Denn bereits durch diese Informationen kann sich der Betroffene - zumindest teilweise - selbst belasten. Die Antworten können zahlreiche Details enthalten, die die spätere Verhängung einer Ordnungswidrigkeit deutlich erleichtern oder gar erst ermöglichen. Jedem betroffenen Unternehmen sollte aber klar sein, dass, selbst wenn es sich erfolgreich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beruft, am Ende eines ins Haus steht: Eine umfangreiche Datenschutzprüfung durch die Behörde, häufig vor Ort. Ob das Geltendmachen einer Auskunftsverweigerung daher tatsächlich sinnvoll ist, kann nur in jedem konkreten Einzelfall beantworten werden. Die Praxis zeigt aber, dass eine kooperative Verhaltensweise häufig ein sinnvolleres Vorgehen ist und am Ende, für alle Beteiligten, mit einem annehmbaren Ergebnis endet. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. LG Bonn: Kein Schadensersatz für verspätete DSGVO-Auskunft _____________________________________________________________ Auch bei einer verspäteten DSGVO-Auskunft nach Art. 15 DSGVO steht dem Betroffenen kein Anspruch auf Schadensersatz zu (LG Bonn, Urt. v. 01.07.2021 - Az.: 15 O 375/20). Die Klägerin machte gegen ihren ehemaligen Anwalt u.a. einen DSGVO-Auskunftsanspruch geltend. Dieser übergab die Informationen erst verspätet in der mündlichen Verhandlung. Der Verzug betrug insgesamt 8 Monate. Daraufhin verlangte die Klägerin Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO. Zu Unrecht wie das LG Bonn nun entschied: "Der Klägerin steht aufgrund der erst nach acht Monaten erteilen Datenauskunft kein Anspruch auf Schadensersatz in Form eines Schmerzensgeldes aus Art. 82 DSGVO zu. Es kann dahinstehen, ob in der deutlich verzögerten Erteilung der Datenauskunft ein Verstoß im Sinne des Art. 82 Absatz 1 DSGVO zu sehen ist. Schließlich spricht die Norm nur demjenigen einen Schadensersatzanspruch zu, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung einen Schaden erlitten hat. Gemäß Art. 82 Absatz 2 DSGVO haften die Verantwortlichen (...) für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung entstanden ist. Daher kommt nur ein Verstoß durch die Verarbeitung selbst in Betracht, die verordnungswidrig sein muss, um einen Schadensersatzanspruch auszulösen. Aufgrund von anderen Verstößen, die nicht durch eine der DSGVO zuwiderlaufende Verarbeitung verursacht worden sind, kommt eine Haftung nach Art. 82 Absatz 1 DSGVO nicht in Betracht (...). Eine bloße Verletzung der Informationsrechte der betroffenen Person aus Art. 12-15 führt daher nicht dazu, dass eine Datenverarbeitung, infolge derer das Informationsrecht entstanden ist, selbst verordnungswidrig ist (...). Dementsprechend löst die nach Art. 12 Absatz 3 Satz 1 DSGVO verspätete Erfüllung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO aus." Und weiter: "Unabhängig davon scheitert der Anspruch auch daran, dass ein Schaden nicht dargelegt ist. Allein dass die Klägerin auf die Datenauskunft „warten“ musste, kann auch nach dem Schadensmaßstab der DSGVO keinen ersatzfähigen Schaden begründen. Es muss auch bei einem immateriellen Schaden eine Beeinträchtigung eingetreten sein, die unabhängig von einer Erheblichkeitsschwelle wenigstens spürbar sein muss. Andernfalls scheidet ein „Schaden“ begrifflich schon aus. Eine solche Spürbarkeit kann dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden." Anmerkung von RA Dr. Bahr: Die Rechtsfrage, wann und unter welchen Bedingungen ein Unternehmen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO an einen Betroffenen leisten muss, ist nach wie vor höchstrichterlich ungeklärt. Es ist aber absehbar, dass der EuGH demnächst dazu Stellung nehmen wird, vgl. unsere Kanzlei-News v. 18.02.2021. Zudem läuft aktuell auch ein Revisionsverfahren vor dem BGH zu dieser Problematik. In der Praxis ist derzeit weiterhin keine klare Linie erkennbar. Die meisten Instanzgerichten entscheiden vielmehr nach wie vor sehr unterschiedlich. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. LG Köln: Schadensersatzanspruch bei unwirksamer Abmahnung wegen Foto-Nutzung _____________________________________________________________ Wird eine urheberrechtliche Abmahnung nicht ausreichend konkretisiert und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 97a Abs.2 UrhG, ist die ausgesprochene Abmahnung unwirksam und dem Abgemahnten steht ein Schadensersatzanspruch zu (LG Köln, Urt. v. 20.05.2021 - Az.: 14 O 167/20). Der Kläger wurde durch den Beklagten, einen Fotografen, abgemahnt. Ihm wurde vorgeworfen, unerlaubt ein Foto auf seiner Webseite benutzt zu haben. In der anwaltlichen Abmahnung forderte er Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Rechtsanwaltsgebühren. Er verwies dabei auf seine Tätigkeit als Fotograf und zur Berechnung seines Schadensersatzanspruchs auf die Preisliste auf seiner Homepage. In dem Schreiben fehlte u.a. die Anschrift des Fotografen und das Bild selbst. Der Abgemahnte stufte die ausgesprochene Abmahnung daher als unwirksam ein und verlangte entsprechend Schadensersatz (§ 97a Abs.5 iVm. Abs.2 UrhG). § 97a UrhG: Abmahnung (1) ... (2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise 1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt, 2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen, 3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und 4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, ob die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam. (...) (4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt." Zu Recht wie das LG Köln nun entschied. Die Abmahnung sei unwirksam, da sie nicht die Mindestanforderungen des § 97a Abs.2 UrhG erfülle: "Der Antrag zu 2. der Klage ist ebenfalls begründet, weil der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 UrhG hat, weil die Abmahnung nicht den Anforderungen aus § 97a Abs. 2 UrhG entspricht. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Abmahnung keine Ablichtung oder sonstige eindeutige Konkretisierung des streitgegenständlichen Lichtbilds enthielt und somit die Rechtsverletzung nicht genau bezeichnet war im Sinne von § 97a Abs. 2 Nr. 2 UrhG. Dies genügt bereits, um die Abmahnung unwirksam zu machen. Auf die anderen Einwände des Klägers gegen die Abmahnung kommt es nicht weiter an, sodass weitere Ausführungen entbehrlich sind."Auch der Schadensersatzanspruch des Abgemahnten sei gegeben: "Aus den vorstehenden Erwägungen ist auch der Antrag zu 3. der Klage dem Grunde nach begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 97a Abs. 4 UrhG. Mit Blick auf die Höhe hat der Kläger seine erforderlichen Aufwendungen spiegelbildlich zur Höhe der Abmahnkosten berechnet. Dabei hat er einen Gegenstandswert i.H.v. 29.576,18 € und eine 1,5 Geschäftsgebühr angesetzt und einen Betrag von 1.584,26 € berechnet. Mit Ausnahme der fehlerhaften Berechnung der Gebühr begegnet dies im Ergebnis angesichts der Berühmung von Ansprüchen des Beklagten keinen Bedenken. Der Gegenstandswert errechnet sich zwar aus der Höhe der in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche und zwar Schadensersatz in Höhe von 19.600,- €, dem Unterlassungsanspruch zu 6.000,- € sowie der eigenen Forderung in Höhe von 1.584,26 €, mithin 27.184,26 € (in der Abmahnung geltend gemachte Zinsen in Höhe von 2.415,92 € bleiben als Nebenforderung außer Betracht). Da mit dieser leicht überhöhten Angabe des Gegenstandswerts jedoch kein Gebührensprung verbunden ist, bleibt sie im Ergebnis ohne Folge." zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. VG Weimar: Verfassungsschutz darf AfD-Landesverband nicht als "Prüffall" bezeichnen _____________________________________________________________ Bezeichnung des Landesverbandes der AfD als „Prüffall“ durch den Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz unzulässig Die öffentliche Äußerung des Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz im September 2018, dass er den Landesverband der AfD als Prüffall bearbeite, ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Weimar mit Urteil vom 11.06.2021, das am heutigen Tage verkündet wurde, entschieden. Es hat damit der auf Unterlassung dieser Äußerung gerichteten Klage des Landesverbandes Thüringen der Partei „Alternative für Deutschland“ stattgegeben. Am 06.09.2018 hatte der Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungs-schutz anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2017 geäußert: „Daher habe ich als Präsident des Amtes für Verfassungsschutz in Thüringen den Landesverband der AfD in Thüringen in der hiesigen Bearbeitung bei uns im Amt mit heutiger Wirkung als Prüffall eingestuft“. Über diese Äußerung wurde danach in der Presse berichtet. Mit seiner Klage vertritt der Landesverband der Partei die Auffassung, diese Äußerung greife in rechtswidriger Weise in sein Recht als politische Partei aus Art. 21 des Grundgesetzes ein, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Zur Urteilsbegründung hat die 8. Kammer des Gerichts ausgeführt, dass die Klage zulässig und begründet sei. Mit der öffentlichen Äußerung habe der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz in das Recht der AfD, als politische Partei gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen (Art. 21 Abs. 1 GG), eingegriffen. Sie sei geeignet gewesen, die Mitwirkung der Partei an der politischen Willensbildung des Volkes und ihre Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien negativ zu beeinflussen. Für diesen Eingriff habe es einer gesetzlichen Grundlage bedurft, an der es fehle. Insbesondere könne das Recht, eine politische Partei in der Öffentlichkeit als „Prüffall“ zu bezeichnen, nicht aus dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz hergeleitet werden. Soweit dieses in §§ 5 Abs. 2 Bestimmungen über die Veröffentlichung von Informationen enthalte, setzten diese voraus, dass entweder sichere Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten vorlägen oder zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für einen diesbezüglichen Verdacht. Das Thüringer Verfassungsschutzgesetz enthalte jedoch keine Befugnis, bereits im Stadium des sog. „Prüffalls“ zu informieren. Hierbei gehe es um Fälle, in denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen noch nicht vorlägen, sondern nur vermutet würden und deshalb erst ermittelt werden müssten. Dabei sei unstreitig, dass die Beobachtungs- und Ermittlungstätigkeit selbst auch auf dieser Stufe zulässig sei; sie habe allerdings außerhalb der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu erfolgen. Das streitgegenständliche Informationshandeln könne auch nicht auf das Thüringer Pressegesetz gestützt werden. Denn der presserechtliche Auskunftsanspruch reiche nicht weiter als das verfassungsschutzrechtliche Informationsrecht, so dass der Beklagte verfassungsschutzrechtlich zum Stillschweigen verpflichtet gewesen sei. Die Äuße-rungen könnten auch nicht auf das allgemeine Recht zu staatlichem Informa-tionshandeln gestützt werden. Das Gericht hat mit dem Urteil lediglich die Frage der Rechtsgrundlage für die Bekanntgabe eines „Prüffalls“ geklärt. Damit war keine rechtliche Bewertung verbunden, ob der Thüringer Landesverband der AfD als „Prüffall“ behandelt werden darf oder nicht. Eine weitere Klage einzelner Landtagsabgeordneter sowie der Landtagsfraktion der Partei wies das Gericht als unzulässig ab, weil den Klägern die Klagebefugnis fehle. Sie seien in der streitigen Äußerung nicht namentlich genannt und damit nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar von der Äußerung berührt. Aktenzeichen 8 K 1151/19 We und 8 K 498/20 We. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Quelle: Pressemitteilung des VG Weimar v. 12.07.2021 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Europäischer Datenschutzausschuss: Kein Dringlichkeitsbeschluss hinsichtlich der Weiterverarbeitung von WhatsApp-Nutzerdaten _____________________________________________________________ Wie der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) mitteilt, hat das Gremium keinen Dringlichkeitsbeschluss hinsichtlich der Weiterverarbeitung von WhatsApp-Nutzerdaten durch Facebook erlassen. Der EDSA ist der europäische Zusammenschluss aller nationalen Datenschutzbehörde in Deutschland. Inhaltlich geht es in dieser Angelegenheit um die neuen Nutzungsbedingungen, die Facebook vor einiger Zeit eingeführt hat und zu denen der Nutzer seine Zustimmung erklären sollt. Der Hamburgische Datenschutzbehörde hatte im Mai 2021 eine vorübergehendes Verbot gegenüber Facebook erlassen, vgl. die Kanzlei-News v. 12.05.2021. Da es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handelt, riefen die Hanseaten den EDSA an, um eine Lösung auf europäischer Ebene herbeizuführen. Dies lehnte der EDSA nun ab. Zwar sei es sehr wahrscheinlich, dass Facebook gegen die DSGVO verstoßen habe. Jedoch sei es vor Einleitung weiterer Maßnahmen zuerst notwendig, den Sachverhalt weiter zu ermitteln: "Based on the evidence provided, the EDPB concluded that there is a high likelihood that Facebook IE already processes WhatsApp IE user data as a (joint) controller for the common purpose of safety, security and integrity of WhatsApp IE and the other Facebook Companies, and for the common purpose of improvement of the products of the Facebook Companies. However, in the face of the various contradictions, ambiguities and uncertainties noted in WhatsApp’s user-facing information, some written commitments adopted by Facebook IE and WhatsApp IE’s written submissions, the EDPB concluded that it is not in a position to determine with certainty which processing operations are actually being carried out and in which capacity. In addition, there was not enough information to establish with certainty whether Facebook IE already started to process WhatsApp IE user data as a (joint) controller for its own purposes of marketing communications and direct marketing, and cooperation with the other Facebook Companies. Nor could it be established whether Facebook IE already started or will soon start processing WhatsApp IE user data as a (joint) controller for its own purpose in relation to WhatsApp Business API." Daher sei es notwendig, dass die nationale Datenschutzbehörde in Irland, dem Sitz von Facebook Ireland, entsprechende Ermittlungen durchführe: "Considering the high likelihood of infringements in particular for the purpose of safety, security and integrity of WhatsApp IE and the other Facebook Companies, as well as for the purpose of improvement of the products of the Facebook Companies, the EDPB considered that this matter requires swift further investigations. In particular to verify if, in practice, Facebook Companies are carrying out processing operations which imply the combination or comparison of WhatsApp IE’s user data with other data sets processed by other Facebook Companies in the context of other apps or services offered by the Facebook Companies, facilitated inter alia by the use of unique identifiers. For this reason, the EDPB requests the IE SA to carry out, as a matter of priority, a statutory investigation to determine whether such processing activities are taking place or not, and if it is the case, whether they have a proper legal basis under Article 5(1)(a) and Article 6(1) GDPR." Gegenüber Heise Online erklärt der Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Prof. Caspar, dass er den Beschluss des Gremiums mit großer Sorge sehe. Er könne nicht erkennen, warum es an einer Dringlichkeit fehle, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit bestünde, dass mehrere 100 Millionen EU-Bürger DSGVO-Verletzungen ausgesetzt seien. zurück zur Übersicht
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