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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 23.06.2021 | Schwüle, bewölkte, aber weitestgehend freundliche 24°C. | ||
+ Regenbogen über Deutschland vor heutigem Fußballspiel + Wenn der Milieuschutz Bewohner verdrängt + Club wird zu Co-Working-Fläche + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, | |||
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wir beginnen den Tag mit einem Regenbogen, von Naomi Fearn noch extra für die heutige Checkpoint-Ausgabe zum EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn gezeichnet – denn in München darf das Stadion am Abend nicht in den Farben der Vielfalt erstrahlen, die Uefa hat’s in ihrer selbstherrlichen Einfältigkeit verboten (CP von gestern). Die offizielle Begründung: „Der Kontext dieser speziellen Anfrage“ sei „eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt“ – und die verstoße gegen die Statuten der „Union der Europäischen Fußballverbände“, die sich für „politisch und religiös neutral“ hält. Tatsächlich aber ergreift die Uefa damit Partei für eine Regierung, die in den zehn Jahren ihrer Herrschaft demokratische Institutionen geschwächt und Grundrechte sowie die Gewaltenteilung eingeschränkt hat. Ein neues Gesetz verbietet die Aufklärung Jugendlicher über Homosexualität sowie ihre Darstellung in Büchern, Filmen und Websites für U18-jährige. Mitten in der EU werden Menschen aufgrund ihrer Sexualität unterdrückt – der Regenbogen ist dagegen ein Zeichen für Solidarität und Freiheit, für die Selbstverständlichkeit des Lebens und der Liebe: hier im Checkpoint, in den Stadien von Berlin, Köln und Frankfurt am Main, auf U-Bahnhöfen, auf Firmensignets, auf Websites, in Zeitungen, auf Social-Media-Profilen, auf der Kapitänsbinde von Manuel Neuer, fast überall – nur nicht am Münchner Stadion. Auch ein Zeichen: Wer Protest gegen Diskriminierung verbietet, ist nicht neutral, sondern feige. | |||
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Berlins Clubs haben die Stadt nach dem Mauerfall noch liebens- und lebenswerter als ohnehin schon gemacht – aber eben auch wertvoller in wirtschaftlicher Hinsicht. Jetzt werden sie selbst verwertet, also: vom eigenen Erfolg gefressen. Neuester Fall: das „Nuke“ (CP von gestern). Jetzt stellt sich heraus: Die Eigentümerin, die dem Friedrichshainer Laden kündigte, zog schon der „Griessmühle“ in Neukölln den Stecker. Damals, Anfang vergangenen Jahres, hatte eine Sprecherin der „S Immo“ versichert, dies bleibe „ein Einzelfall“. Auf ihrer Website schreibt die Firma: „Wir suchen Orte für neue Ideen“. Der Geschäftsführer hat uns gestern verraten, welche „neuen Ideen“ das sind: „Es werden wieder Büroflächen oder Co-Working-Flächen werden, teils auch gemischt mit Wohnungen. Die Nachfrage ist natürlich sehr, sehr stark, und ich glaube auch, das braucht die Stadt.“ Mag sein. Aber irgendwann werden die neuen Co-Worker feststellen, dass Berlin auch nicht mehr viel anders ist als die Dörfer, aus denen sie kommen. | |||
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Mit dem Milieuschutz will der Senat die Verdrängung alteingesessener Bewohnerinnen und Bewohner durch Luxussanierung verhindern – deshalb dürfen hier u.a. keine Aufzüge eingebaut werden. Was aber, wenn die alteingesessenen Leute auch älter werden? Ein Fall aus Schöneberg (Barbarossa-/Kyffhäuserstr.) verdeutlicht das Problem – hier hatte der Bezirk zwei Hausgemeinschaften (nur selbst genutzte Eigentumswohnungen, 80% der Bewohner über 60, viele seit mehr als 30 Jahren hier, einige von ihnen mobilitätseingeschränkt) den Aufzugeinbau verwehrt. Das stellt den Milieuschutz auf den Kopf – manche Menschen werden gerade deswegen nach Jahrzehnten aus ihrem Kiez verdrängt und zum Umzug in eine barrierefreie Wohnung gezwungen. Der Senat verteidigt das Vorgehen so (Drucksache 18/27821): „Die Nachrüstung von Aufzügen ist nur ein Element einer wirksamen Barriere-Reduktion im Wohnungsbestand. Genauso bedeutsam sind der Abbau von Schwellen und Stufen, Verbreiterungen von Türen, ausreichende Bewegungsflächen im Küche-Bad-Bereich, ebenerdige Einstiege in die Dusche bis hin zu ausreichenden Abstellmöglichkeiten für Mobilitätshilfen.“ Ernsthaft, „der Abbau von Stufen“? Da fehlt ja bloß noch der Hinweis auf Flugtaxis zum Transport von Gehilfen und Einkaufstüten in den 4. Stock – und überhaupt: Was haben die Leute in diesem Alter noch draußen zu suchen? Der FDP-Abgeordnete Thomas Seerig, der die Anfrage stellte, kommentiert das so: „R2G sind die Erfordernisse von Barrierefreiheit und Inklusion in der Praxis eben egal.“ Im Koalitionsvertrag findet sich das Wort „Barrierefreiheit“, als Ziel formuliert, übrigens auf 187 Seiten gleich 35 Mal. | |||
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Der Streit ums Flussbad wird zur wilden Wasserschlacht: In einem Brief an den Regierenden Bürgermeister wettern die Initiatoren des benachbarten Einheitsdenkmals (u.a. Wolfgang Thierse, Günter Nooke, Florian Mausbach, Günter Jeschonnek) u.a. gegen die geplante Freitreppenanlage zum Spreekanal. Gestern schrieb der Vorstand des Flussbad-Projekts zurück – er wirft der Denkmalgruppe um den früheren Bundestagspräsidenten Falschdarstellungen, Unsachlichkeit, „Diffamierung“ und „eine Form von Vandalismus in Bezug auf den städtebaulichen und gesellschaftlichen Diskussionsprozess“ vor. Das klingt schwer nach Verbal-Randale – Fortsetzung folgt: Thierse und Nooke haben für morgen zu einer Baustellen-PK geladen. Checkpoint-Prognose: Das wird neue Wellen schlagen. | |||
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Zu unserer neuen Serie „Aus dem Alltag eines AfD-Abgeordneten“, heute: Verkehrsexperte Gunnar Lindemann will vom Senat wissen, wie man eine Wahlurne knackt (Drucksache 18/27780). Vielleicht von vorne? „Die Briefwahlurnen besitzen ein abschließbares Klappschloss.“ Hm, besser von oben? „Die Scharniere zum Öffnen des Deckels wurden genietet und sind nicht ohne Gewalteinwirkung zu öffnen.“ Also mit dem Hammer? Nein, keine Chance: „Unabhängig von dem o.g. Sicherheitskonzept bietet bereits das Grundgesetz eine solide Basis für demokratische Wahlen.“ Und das ist nun echt mal eine stahlharte Antwort. | |||
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