Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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18. Juni 2023
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
das ist nun der dritte, vorläufig letzte Newsletter zu diesem Thema in Folge: Es geht noch einmal um Flucht und Migration. Der Anlass ist ein unendlich trauriger, ein katastrophaler: Vor kurzem ist im Mittelmeer, vor der Küste Griechenlands, ein überfülltes Flüchtlingsboot gesunken; man spricht von fünfhundert Toten, darunter viele Kinder und schwangere Frauen. Es ist wie ein grausamer Kommentar zum EU-Asylkompromiss und zum Weltflüchtlingstag, der am 20. Juni, am kommenden Dienstag, begangen wird.

Stellen wir uns vor, es gäbe ein großes Flüchtlingsbuch – als Buch zum Weltflüchtlingstag; darin verzeichnet alle Schicksale, alles Leid, alles Elend, alle Hoffnung, alle Zuversicht. Stellen wir uns vor, es gäbe in diesem großen Flüchtlingsbuch eine Seite für jeden Flüchtling, eine Seite für jeden Vertriebenen, eine Seite für jeden, der seine Heimat verlassen und anderswo Schutz suchen musste. Eine Seite nur für jeden; für alle Sehnsucht, für alle Enttäuschung, für alle Ängste, für das Leben und für das Sterben und für alles dazwischen.

Stellen wir uns vor, wie ein solches Buch aussähe: Die aktuelle Ausgabe hätte 108 Millionen Seiten. So viele Flüchtlinge gibt es derzeit auf der Welt. Die Flüchtlinge aus der Ukraine und die Flüchtlinge, die über den Balkan und das Mittelmeer nach Deutschland kommen, sind ein kleiner Bruchteil der gigantischen Gesamtflüchtlingszahl. All diese Flüchtlinge wären notiert in diesem Buch: Diejenigen, deren Heimat von Putin zerbombt wird; diejenigen, die dem Terror der Islamisten, diejenigen, die dem Hunger, diejenigen, die der Folter mit knapper Not entkommen sind; diejenigen, die es nach Europa schaffen und dort von Land zu Land geschickt werden; diejenigen, die im Mittelmeer ertrunken sind; diejenigen, die durch die Wüsten Afrikas gelaufen sind und dann an der Grenze zu Europa, vor einem Stacheldrahtzaun stehen; diejenigen, die zu Millionen in ihrem Nachbarland in Notlagern darauf warten, dass die Zustände im Heimatland besser werden; diejenigen auch, die nach dem Verlassen ihrer Heimat verkommen sind in der Fremde. Die Kinder wären genauso verzeichnet in diesem Buch wie ihre Mütter und Väter, die Kinder also, für die es keinen Hort und keine Schule gibt. Es stünden in diesem Flüchtlingsbuch auch diejenigen Menschen, die aufgenommen worden sind in einer neuen Heimat – und wie sie es geschafft haben, keine Flüchtlinge mehr zu sein.

Todesursache Flucht

Es wäre dies nicht ein einzelnes Buch; es wäre ein Buch bestehend aus vielen Bänden. Wenn jeder dieser Bände fünfhundert Seiten hätte - das Flüchtlingsbuch bestünde aus über zweihunderttausend Bänden. Wenn man die Bände stapelte, wäre der Bücherturm höher als der höchste Berg der Erde. Es gibt diesen Bücherturm nicht. Aber es gibt ein Buch von Kristina Milz und Anja Tuckermann, das "Todesursache Flucht" heißt und den Untertitel trägt: "Eine unvollständige Liste"; es ist soeben in neubearbeiteter Auflage erschienen und wird am kommenden Dienstagabend im Literaturhaus München vorgestellt.
SZPlus Weltflüchtlingstag
Todesursache Corona, Todesursache Flucht
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Ich wünsche Ihnen, trotz aller Bedrängnisse, gute Tage. Gönnen Sie sich einen Strauß Löwenmäulchen; die beginnen jetzt zu blühen - und nicht nur ihren Namen mag ich sehr.

Ihr
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Ein autobiographisches Kalendarium
Ich empfehle Ihnen an dieser Stelle jede Woche Bücher von anderen Autoren. Heute nutze ich die Gelegenheit, Sie auf mein eigenes neues Buch hinzuweisen. Es ist soeben erschienen und heißt "Mensch Prantl. Ein autobiographisches Kalendarium". Das Buch verbindet Themen, die mir wichtig waren und wichtig sind mit bestimmten Monaten: Das Thema Gleichberechtigung und Emanzipation beispielsweise mit dem März, weil am 8. März Weltfrauentag ist. Meine Liebe zum Grundgesetz erkläre ich im Kapitel Mai, weil es am 23. Mai 1949 in Kraft getreten ist. Und weil ich die Analyse und Diskussion dieser Themen mit persönlichen Erfahrungen, Abenteuern und Schnurren verwebe, nenne ich das Buch im Untertitel "autobiographisches Kalendarium". Da erzähle ich etwa von der Warnung vor mir, die Helmut Kohl über meinen Kopf hinweg seinem Freund Leo Kirch zugerufen hat; oder von den Fake-Fotos von mir, die Horst Herold, der Präsident des Bundeskriminalamts in der RAF-Zeit, als schon sehr alter Herr auf seinem Computer für mich als Geburtstagsgruß gebastelt hat; oder davon, wie mich Edmund Stoiber aus seinem Büro geworfen hat.

Die Berliner Parlamentsbuchhandlung hat dazu eine Signieraktion arrangiert. Wer ein Exemplar von "Mensch Prantl" mit Autogramm (25 Euro pro Buch plus 2,50 Euro Versandkosten) möchte, schreibt an service@parlamentsbuchhandlung.de. Signierte Exemplare gibt es dort auch von meinem 2021 erschienen Buch "Himmel, Hölle, Fegefeuer. Eine politische Pfadfinderei in unsicheren Zeiten".

Heribert Prantl: Mensch Prantl. Ein autobiographisches Kalendarium. Das Buch ist soeben im Verlag LangenMüller erschienen. Es hat 280 Seiten und kostet 25 Euro.
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SZPlus
Der Wegbereiter der Populisten
Wenn man über einen verstorbenen Politiker einen Nachruf zu schreiben hat, fällt einem schon vor dem ersten Grübeln der alte lateinische Satz ein: "De mortuis nil nisi bene". Manche übersetzen das so, dass über Tote nur Gutes geredet werden soll.  Wörtlich steht aber da, dass über Tote "gut" geredet werden soll. Das ist dem Kollegen Oliver Meiler in seinem Nachruf auf Silvio Berlusconi gelungen. Er hat trefflich über ihn geschrieben, indem er gut auch über die vielen dunklen Seiten des "Masseurs der Massen" schreibt. Berlusconi hat die Welt verändert, urteilt der Kollege Meiler, "wenn auch nicht zum Guten": Er sei der "Wegbereiter vieler Populisten, Demagogen und Kopfverdreher" gewesen. Das beschreibt Meiler kenntnisreich und mit Raffinesse.
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