Die Zusammenhänge am Rohstoff-Markt! Liebe Leserin, lieber Leser, es geht derzeit sehr turbulent zu an den Rohstoff-Märkten. Im Blickpunkt stehen dabei vor allem die Energie-Preise, auch weil diese die Konsumenten am stärksten betreffen. Klar: Die Rallye beim Rohöl-Preis findet ihre Entsprechung an den Preistafeln der Tankstellen und ist damit für jeden sichtbar. Es ist naheliegend für den starken Preisanstieg bei den Energie-Rohstoffen – auch Erdgas und Kohle sind deutlich teurer geworden – eine höhere Nachfrage verantwortlich zu machen. Tatsächlich hat die International Energy Agency IEA ihre Nachfrage-Prognose für Rohöl für das 4. Quartal deutlich nach oben korrigiert. Gleichzeitig fällt aber auch das Angebot geringer aus als erwartet, u.a. wegen der Produktions-Ausfälle im Golf von Mexiko und weil die OPEC-Staaten derzeit nicht einmal ihr vereinbartes Produktionsziel einhalten können. Am Energie-Markt gibt es also ein Angebotsproblem. Saudi-Arabien und andere Länder könnten mehr exportieren, haben das aber aktuell offenbar nicht vor. Auch die US-Produzenten, die in früheren Jahren Angebotslücken gerne gefüllt haben, halten sich derzeit zurück. 2022 dürfte sich das Blatt aber voraussichtlich wenden, wenn die OPEC+ wie vereinbart das Angebot nach und nach erhöht. Rallye bei den Industrie-Metallen In der Öffentlichkeit weniger im Fokus als die Energie-Rohstoffe stehen derzeit die Industrie-Metalle wie Kupfer, Nickel, Aluminium und andere. Dabei gab es hier zuletzt ebenfalls deutliche Preissprünge. Die Marktlage ist ähnlich wie bei Rohöl komplizierter, als sie auf den ersten Blick scheint. Beispiel Zink: Der Preis des Metalls, das zur Veredelung von Eisen und Stahl verwendet wird, schoss in den letzten Wochen sprunghaft nach oben. Seit Anfang Oktober hat sich Zink um 28% verteuert. Verantwortlich dafür ist aber nicht die hohe Nachfrage, sondern eine Verknappung des Angebots. So haben mehrere große Zink-Hersteller angekündigt, die Produktion wegen der extrem gestiegenen Energiekosten einzuschränken. Das ist symptomatisch dafür, dass die Preise der oft mit großem Energieaufwand verarbeiteten Industrie-Metalle derzeit stärker durch die hohen Energiepreise und Angebotsausfälle als durch eine steigenden Nachfrage getrieben werden. Beim besonders energieintensiven Aluminium ist das schon seit längerem der Fall. Bei Kupfer und den anderen Metallen schlägt das inzwischen ebenfalls mehr und mehr durch, wie der starke Preisanstieg der letzten Tage zeigt: Der Preisanstieg bei Kupfer erklärt sich ganz banal auch durch eine Verknappung am Markt, die Lagerbestände an den Rohstoff-Terminbörsen in London (LME) und Shanghai (SHFE) sind deutlich gefallen, in London wurde sogar das niedrigste Niveau seit 1974 erreicht. Fällt der Kupfer-Preis wieder? Die Händler am Termin-Markt gehen aber offenbar nicht davon aus, dass diese Knappheit anhält. Der Kassapreis lag zuletzt etwa 300 US-Dollar höher als der 3-Monats-Forward. Mit anderen Worten: Bei Lieferung des Kupfers in 3 Monaten muss ein deutlich niedriger Preis bezahlt werden als bei Lieferung sofort ("kassa"). So groß war dieser Unterschied zuletzt 1997. Die an der LME gehandelten Futures mit längerer Laufzeit notieren nochmals niedriger. Diese auch bei anderen Metallen zu beobachtende Markteinschätzung dürfte damit zusammenhängen, dass sich einerseits die Nachfrage-Aussichten wegen der Konjunkturabschwächung in China eingetrübt haben. Darauf bin ich im Report von letzter Woche: "China-Aktien: Je 5 Argumente für und gegen ein Investment!" näher eingegangen. Andererseits werden sich die Angebotsbedingungen wegen steigender Produktion und wieder sinkender Kosten für Energie und Fracht verbessern. Jedenfalls geht man am Termin-Markt offenbar davon aus. Ich weiß nicht, ob das so kommt. Möglicherweise wird die Nachfrage-Entwicklung unterschätzt. Klar ist aber, dass die Märkte derzeit durch verschiedene Einflüsse verzerrt sind und der aktuelle Preisanstieg bei den Metallen nicht unbedingt in die Zukunft fortgeschrieben werden kann. Es wird auch in den nächsten Monaten turbulent zugehen, stärkere Preiskorrekturen beim einen oder anderen Rohstoff sind dabei wahrscheinlich. Als Beispiel dafür mag Eisenerz dienen, dessen Preis sich nach einer Rallye im 1. Halbjahr wieder halbiert hat und auf das Niveau von Anfang 2019 zurückgefallen ist. Eisenerz muss nicht mit hohem Energieaufwand verarbeitet werden, auch deswegen schlägt sich der geringere Bedarf in China, auf das 70 Prozent der weltweiten Nachfrage entfällt, in einem deutlichen Preisrückgang nieder. Der Preis für Stahl ist dagegen weiter gestiegen, weil die bei seiner Verarbeitung eingesetzte Kohle teurer geworden ist. Viele verarbeitende Firmen in China müssen zudem ihre Produktion wegen der von Peking verordneten bzw. gewollten Stromrationierung einschränken. Mein Fazit Der Preistreiber bei den Industrie-Metallen ist derzeit weniger eine steigende Nachfrage als höhere Energiekosten und eine Verknappung des Angebots, weil manche verarbeitende Firmen dazu gezwungen sind die Produktion einzuschränken oder ganz zu stoppen. Wer am Rohstoff-Markt investiert, sei es über ETCs oder Zertifikate in die Entwicklung der Rohstoff-Preise direkt oder in die Aktien der Rohstoff-Produzenten, sollte das bedenken und sich auf Preis- und Kursschwankungen einstellen. Der Rohstoff-Markt ist komplizierter als es auf den ersten Blick scheint. Derzeit sieht es so aus, als würden die hohen Energie- und Frachtkosten ein wichtiger Preistreiber bei den verarbeitenden Industriemetallen wie Kupfer bleiben. Das kann sich aber schnell ändern, wenn am Energiemarkt eine Entspannung eintreten sollte. Früher oder später wird es dazu kommen.
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