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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 12.03.2021 | Regnerisch und windig bei 10°C. | ||
+ Skandäälchen im Säälchen + Schwarz-Grüne Annäherung + AfD sucht sich Journalisten aus + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, die ersten witterten schon ein Skandäälchen im Säälchen, als gestern Mittag die Meldung aufploppte: Im Holzmarkt soll am 27. März ein Konzert mit echten Menschen stattfinden. Berlin dreht durch, die Clubs öffnen wieder! Durchaus denkbar bei der aktuellen Gesamtstrategie der schleichenden Durchseuchung. Doch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) erklärte leicht rotwangig wenig später bei Facebook, dass es sich dabei um den kürzlich angekündigten Versuch der Kultur unter Corona handele. Das Pilotprojekt läuft vom 19. März bis zum 4. April. „Wir probieren das jetzt einfach mal, obwohl es eigentlich noch nicht geht“, sagte Lederer. Damit man vorbereitet sei, wenn es dann vielleicht doch irgendwann geht. Also, was geht? Acht Orte sind dabei: Das BE zeigt Stuckrad-Barres „Panikherz“ (Regie: Oliver Reese), die Berliner Philharmoniker spielen mit Kirill Petrenko, die Staatsoper Unter den Linden mit Daniel Barenboim, das Konzerthaus Berlin, die Volksbühne, die Deutsche Oper, eine Tagung der MICE-Branche im Estrel und besagtes Konzert im Säälchen. Die Tickets sind personalisiert und nur gültig mit Personalausweis und Nachweis eines tagesaktuellen negativen Antigen-Testergebnisses. „Wir alle blicken auf ein Jahr zurück mit kulturellen Mangelerscheinungen, mit zu langem Haar, mit vielen, vielen Entbehrungen“, sagte Lederer. Dass lange Haare kulturell betrachtet mal zum Problem werden würden, hatte so wohl auch niemand erwartet. Aber das gilt bekanntlich für so einiges. Es kommentiert meine Kollegin Constanze Nauhaus: „Das fühlt sich so ein bisschen an wie diese von den Lehrern organisierten ,Diskos‘ auf Klassenfahrten, die um 18 Uhr losgingen, mit Stühlen am Rand. Und das Einzige, was man sich an jenem 27. März durch die Nase wird ziehen können, ist ein Wattestäbchen.“ Also: Haare ab, Computer an: Der Vorverkauf beginnt am Montag. Wer es schafft, ein Ticket und für denselben Tag einen Termin im Testzentrum zu bekommen (Liste hier), wird mit dem Checkpoint-Behördentermin-Award ausgezeichnet. Registrierung bitte unter checkpoint@tagesspiegel.de (ohne Termin möglich!), Verleihung im Sommer 2025, garantiert ohne Stühle am Rand. | |||
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Ein politisches Pilotprojekt streben offenbar die Grünen an. Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin für die AGH-Wahl im September, hat sich jedenfalls eine eher ungewöhnliche Partnerin gesucht. Gemeinsam mit Carola Zarth, Inhaberin einer Kfz-Werkstatt, Präsidentin der Berliner Handwerkskammer und 2016 noch Kandidatin der CDU im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf, hat Jarasch für den Tagesspiegel einen Gastbeitrag verfasst, in dem sie gemeinsam das Integrationsgesetz des Senats verteidigen. Die Verwaltung sei nicht nur relativ alt im Vergleich zum Rest der Stadt, „sie ist auch weniger vielfältig als die Stadtgesellschaft“, schreiben sie. „Im öffentlichen Dienst liegt der Anteil an Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund gerade mal bei zwölf Prozent, verglichen mit den mehr als ein Drittel der Berliner*innen mit Migrationshintergrund.“ Jarrasch und Zarth sehen in dem nun auf den Weg gebrachten Gesetz „einen überfälligen Schritt zur Verwaltungsmodernisierung. Als eine Maßnahme, von der alle profitieren: die Verwaltung, die dringend gut qualifizierten Nachwuchs braucht, die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt.“ Nun könnte man fragen, wie geschickt es ist, dass die Präsidentin einer zur politischen Neutralität verpflichteten Kammer gemeinsame Sache mit einer Wahlkämpferin macht (in der Kammer war das durchaus umstritten). Im Team Jarasch hingegen freut man sich über so viel Flexibilität. Ihr Wahlkampfmanager kündigte am Telefonat an, dass die Kandidatin bis September noch „Brücken in die Stadtgesellschaft“ bauen will – mit weiteren überraschenden Positionspartner:innen. Der Verband der Fleischwirtschaft und der Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler e.V. freuen sich schon auf ihren Anruf. | |||
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Apropos gemeinsame Sache: In der Verfalls-Opera der CDU („The Masked Deputy“) sind gestern weitere Charaktere demaskiert worden. Fassen wir kurz den Stand der Dinge zusammen (man verliert da leicht den Überblick): Zwei CDU-Bundestagsabgeordnete bereicherten sich am Maskenmangel, drei ließen sich von autoritären Regimen bezahlen und einer feierte mitten in der Pandemie fröhlich seinen 60. Geburtstag (Video hier). „Dass ich damit meiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden bin, bedaure ich“, sagte Klaus-Peter Willsch nachdem der Spiegel die Party aufgedeckt hatte. Von Stühlen an der Tanzfläche war nichts zu sehen. | |||
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Erinnern Sie sich noch ans fröhliche Cluster-Bild des Senats (CP vom 23.02.)? Da hieß es: Die vorsichtigen Öffnungsschritte im Bildungsbereich seien „an ein weiter abgesenktes Infektionsgeschehen geknüpft und werden bei einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner zur Disposition gestellt“. Zumindest Neukölln (107,5) müsste nach Tagesspiegel-Rechnung (schneller als das RKI) schon wieder dicht gemacht werden, Tempelhof-Schöneberg (78,2) und Spandau (82,9) sind auf dem schlechtesten Weg dahin. Da aber einige Außenbezirke wie Pankow (39,8) noch deutlich niedrigere Werte verzeichnen, schreiten im Gesamt-Berliner Mittel (63,4) die Öffnungsschritte unaufhaltsam voran – angetrieben auch durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (CP von gestern), dass die Klassen sieben bis neun beim Präsenzunterricht nicht benachteiligt werden dürfen. Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD): „Wir sind mit den Schulleitungsverbänden, Amtsärzten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits seit vielen Tagen im Gespräch über eine mögliche Rückkehr der Klassen 7 bis 9 im Wechselunterricht. Das Thema werde ich in die nächste Senatssitzung einbringen. Die Idee ist, dass diese Schülerinnen und Schüler vor Ostern zumindest noch einmal Präsenztermine haben, einen unmittelbaren Kontakt zu ihrer Lehrkraft erleben und mal wieder ihre Schule von innen sehen.“ Bürgermeisterinnenkandidatin Bettina Jarasch (Grüne): „Die Mittelstufe war im 1. Lockdown letztes Jahr schon die letzte Gruppe, die zurück in die Schule durfte. Es ist angesichts des Urteils eine Frage der Gleichbehandlung, auch diesen Kindern schnellstmöglich Wechselunterricht zu ermöglichen. Dafür erwarte ich aber auch genügend Schnell- und Selbsttests, denn zu allen Öffnungsschritten gehört zwingend der Schutz der Familien und des pädagogischen Personals.“ Wie sieht es also derzeit aus mit dem Schutz der Kleinsten? Während die Inzidenz bei den über 70-Jährigen in den vergangenen Wochen deutlich zurückgeht (erste Impfeffekte), ist sie bei den Kindern zuletzt stark gestiegen. Bei den unter 4-Jährigen hat sie sich in den vergangenen zwei Wochen bundesweit fast verdoppelt (auf jetzt 60), bei den 5- bis 14-Jährigen ist sie um mehr als ein Drittel gestiegen (auf jetzt 67,6). „Alarmierend“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung. „Wir haben laut RKI innerhalb von drei Wochen eine Verdoppelung der Zahlen in der Gruppe der 5- bis 9-Jährigen. Die Vermutung, dass dies mit den vor 3 Wochen begonnenen Schulöffnungen in unmittelbarem Zusammenhang steht, liegt nahe. Wir warnen davor, Schulöffnungen weiter voranzutreiben, so lange die Ursachen hierfür nicht eindeutig geklärt sind und der aus den drei Säulen Impfen, Testen und von Hygienekonzepten bestehende Gesundheitsschutz ohne jegliche Einschränkung nicht umgesetzt werden kann.“ Und sie warnen und warnen und... Parallel zu den Inzidenzen bei den unter 5-Jährigen steigt übrigens auch die Auslastung in den Berliner Kitas: Innerhalb einer Woche hat sich die Betreuungsquote um zehn Prozent erhöht, von 52,7 Prozent (Stand 03.03.) auf 59,8 Prozent (Stand Dienstag, 09.03.). Gestern waren dann bereits 62,7 Prozent der Kinder wieder da. Zahl der coronabedingt geschlossenen Kitas derzeit: 32 (von 2747). Zahl der erkrankten Lehrerinnen und Erzieher, die nicht mehr arbeiten können: unbekannt. | |||
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Zumindest geht der Senat auch in der Schule nun auf Abstand zur Alltagsmaske: Die Zeit der coolen Motivmasken ist vorbei, „im Schulgebäude, im Unterricht und prinzipiell im Schulalltag“ müssen nun medizinische Masken getragen werden, Ausnahme: Schulhof. Solche Masken seien zu Hundertausenden vorhanden, hieß es in einer Mitteilung der Senatsverwaltung für Bildung. „Erst im Februar wurden zuletzt knapp 700 000 medizinische Masken sowie FFP2-Masken an die Schulen verteilt. Dort liegen also in der Regel medizinische Masken bereit, um Schülerinnen und Schülern auszuhelfen, die selbst ihre medizinischen Masken gerade nicht dabeihaben.“ Hoffen wir, dass diesmal die Regel auch die Regel ist (ausnahmsweise). | |||
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Manchmal dauert es 200 Jahre, bis sich etwas tut (wir Frauen sind das gewohnt), diesmal, genau genommen, 212 Jahre. Vor diesem Hintergrund erscheinen die drei Jahre, die wir Barbara Slowik nun „Der Polizeipräsident in Berlin“ nennen mussten wie ein Sternchen in den Geschichtsbüchern. 43 Männer und eine Frau später ist das Gesetz durch, die Behörde heißt ab April offiziell „Polizei Berlin“ und das beschreibt es doch ganz gut. Sternchen: Der zuständige Innensenator heißt auf Twitter übrigens @derinnensenator (und das erst seit einem Jahr) und hoffentlich dauert es nicht weitere 209 Jahre, bis die Problematik jemandem auffällt. Slowik jedenfalls freut sich seit 2019 auf die Umbenennung („Ich begrüße das natürlich außerordentlich“), ein aktuelles Statement von ihr war bis Redaktionsschluss (5 Uhr) leider nicht mehr zu bekommen. Vermutlich schraubt sie schon die Schilder ab. | |||
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