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Liebe/r Leser/in,

mich hat es schon vor vier Wochen erwischt. Eine SMS von EasyJet verkündete: „Wichtige Information: Es tut uns leid, dass Ihr easyJet-Flug 5708 annulliert wurde.“ Danach Sendepause. Keine Information, wie ich denn alternativ von Rom zurück nach Berlin kommen könnte, kein Mensch an der Hotline zu erreichen, dafür aber kurz darauf eine E-Mail von easyJet mit der Betreffzeile: „Robert, bist du bereit für dein nächstes Abenteuer? Erlebnisurlaub auf der Insel – jetzt buchen!“

Sie wissen sicher, meine Story über den derzeitigen „Fluchverkehr“ ist kein Einzelschicksal. Millionen Menschen in Europa erleben, wie kurzfristig Flüge abgesagt werden, wie man oft stundenlang am Check-in warten muss oder dass Gepäck nicht ankommt. Warum das so ist und was Sie als Flugreisender jetzt wissen müssen, erzählt mein Kollege Thomas Tuma in unserer Titelgeschichte ab Seite 54. Tuma war am Dienstag übrigens selbst Cancel-Opfer. Sein Flug für Freitag von München nach Hamburg wurde abgesagt. Am Telefon meinte er zu mir nur: „Man hat in diesem Land langsam das Gefühl, dass gar nichts mehr geht.“ Womit wir schon beim nächsten Thema wären.

Robert Habeck ist ein beinahe genialer politischer Kommunikator, vielleicht der beste, den wir derzeit haben. Aber seine Idee, sich der sich abzeichnenden Energiekrise Deutschlands mit einer kürzeren Verweildauer unter der Dusche entgegenzustemmen und gleich selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, ist deutlich unter seinem Niveau. Natürlich wurden andere Politiker sogleich gefragt, ob sie es künftig wie der Bundeswirtschafts- und -klimaschutzminister halten wollen. Und mancher entblödet sich nicht zu erwidern: „Ich dusche im Sommer ohnehin kalt.“ Und einfach „Nö“ sagte der Bundeskanzler in dieser Woche, als er gefragt wurde, ober er denn ein paar Energiespartipps auf Lager hätte.

Aus all dem spricht tiefer Unernst. Hier wird eine Existenzfrage unseres Landes auf Comedy-Niveau heruntergequatscht. Die Wahrheit ist: Die aktuelle Energiekrise, zu der nicht nur Putin einen Beitrag geleistet hat, sondern auch die Politik dieser Bundesregierung und ihrer Vorgängerinnen, berührt den Lebensnerv Deutschlands. Ohne eine verlässliche Versorgung 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr zu wettbewerbsfähigen Preisen sind Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt akut gefährdet.

Es geht dabei um Millionen Jobs, die Sicherheit von Rente und Gesundheitssystem sowie um die Zukunftsfähigkeit der europäischen Lead Nation. Und um unsere westlichen Werte. „Denn wenn wir die exportieren wollen, geht das nur über wirtschaftliche Stärke“, sagte mir kürzlich Günther Oettinger, ehemals EU-Kommissar (u. a. für Energie), als wir über die Rohstoffabhängigkeiten Deutschlands von totalitären Staaten wie China und Russland sprachen.

Übertreibe ich? Ich fürchte: nein! Seit vielen Jahren hantieren unsere Politiker mit immer steileren Prognosen, wann und in welchem Ausmaß erneuerbare Energien die fossilen Energieträger ersetzen werden – und verschließen dabei die Augen fest davor, dass die Realität den Plänen stets hinterherhinkte. Mir kommt das vor wie ein Hausbesitzer, der zu Beginn der Winterperiode seine alte Heizung ausbaut, ohne zu wissen, wann die neue kommt.

Klingt verrückt, aber exakt so verhält sich die deutsche Politik, wenn es um Energiesicherheit geht. Wir beschließen sehr konkret, wann wir aus welcher Energiegewinnung aussteigen – von Atom- bis Kohlekraft. Die Politik glaubt zu wissen, was wir alles nicht wollen: kein Schiefergas aus deutschen Landen, keine CCS-Technologie zur Abscheidung von CO2-Gas bei Kohlekraftwerken, keinen Strom aus Atomkraftwerken, die noch in Betrieb sind, über den 31. Dezember 2022 hinaus, keine Verbrennungsmotoren ab 2035. Leider steht dem eine dramatische Unkenntnis darüber entgegen, wann erneuerbare Energien (vor allem Wind- und Solarstrom) oder Ladesäulen in ausreichendem Maß und gesichert zur Verfügung stehen werden.

Dieses Laisser-faire in einer existenziellen Frage konnte man sich nur leisten, weil das preisgünstige Erdgas aus Russland scheinbar garantiert war. Nur deshalb war der Blitzausstieg aus der Kern­energie unter Kanzlerin Angela Merkel nach Fukushima 2011 möglich. Und deshalb sieht der Koalitionsvertrag der Ampel unter Kanzler Olaf Scholz den Bau etlicher Gaskraftwerke vor, um die ehrgeizigen Ziele der Klimawende rea­listisch erscheinen zu lassen. Übertüncht wurde diese fossile Wahrheit mit Hinweisen darauf, dass diese Kraftwerke eines Tages mit grünem Wasserstoff betrieben werden sollen.

Eines Tages – das ist die Grundlage der Energiepolitik dieser Regierung. Doch der brutale Überfall unseres Gas- und Öl-Hauptlieferanten Russland auf die Ukraine erzwingt jetzt einen energiepolitischen Offenbarungseid der deutschen Politik. Die „Zeitenwende“ des Kanzlers muss möglichst auch ökonomisch ausbuchstabiert, nicht nur in Kampfpanzern und Haubitzen beziffert werden. Dem unvermeidlichen Bruch mit der Position, keine deutschen Kriegswaffen in Spannungs­gebiete zu liefern, muss eine ebenso realistische Neubestimmung der Energie- und Wirtschaftspolitik folgen. Minister Habeck sollte hier mit einem Masterplan Energiesicherheit für Klarheit bei Wirtschaft und Bürgern sorgen.

Denn wie isoliert Berlin international mit seinen Plänen und Zielen dasteht, hat jüngst wieder der G7-Gipfel in Elmau gezeigt. An wohlmeinenden Worten fehlte es nicht, aber an konkreten Taten. Der französische Präsident Emmanuel Macron machte einmal mehr klar, dass für ihn nicht nur den erneuerbaren Energien, sondern eben auch der Atomenergie die Zukunft gehört. Die Energiewende bleibe „unsere große Baustelle für die kommenden Jahre“, und die Ukraine-Krise verstärke das Problem.

US-Präsident Joe Biden ließ es sich nicht nehmen, in den bayerischen Bergen zu verkünden, dass seine Regierung den Bau eines neuartigen Klein-AKWs in Rumänien unterstützen werde. Auch Japan setzt auf Atomkraft. Und die Schwellenländer wie Indien oder Südafrika werden sich den (Teil-)Verzicht auf Kohlekraft teuer vom Westen bezahlen lassen. Elmau hat sehr deutlich gemacht, wie sehr Putins Krieg die Prioritäten verändert hat. Die Sicherung von Energielieferungen zu bezahlbaren Preisen drängt den Klimaschutz vorerst in den Hintergrund. In Wahrheit glaubt niemand unserer wichtigsten Verbündeten an Deutschlands Weg, nur auf erneuerbare Energien zu setzen.

Wenn es auf jede Kilowattstunde ankommt, dann können nicht Terawattstunden in beliebiger Höhe ignoriert werden, dann können wir uns nicht auf vage Zusagen über zusätzliche Lieferungen aus den USA oder den Emiraten verlassen. Wer wie Habeck trotz globaler Energiekrise den Kohleausstieg bis 2030 für sakrosankt erklärt, muss konkret sagen können, woher die Energie dann kommen soll – am besten, zu welchem Datum und zu welchem Preis. Darauf ist vor allem der deutsche Mittelstand – das Rückgrat unserer Wirtschaft mit mehr als 50 Prozent der Beschäftigten – dringend angewiesen. Wenn dem Mittelstand im globalen Wettbewerb die Luft abgedrückt würde wegen zu hoher Energiepreise, wären die Folgen für uns alle dramatisch. Doch wir würden es erst merken, wenn es zu spät ist. Denn im Gegensatz zu den Konzernen, die einfach abwandern, stirbt der Mittelstand leise.

Wie sieht ein alter, weiser Mann, wie sieht der Weltaußenpolitiker Henry Kissinger, 99, unsere verrückte Welt? Er hat ein neues Buch mit dem Titel „Staatskunst – Sechs Lektionen für das 21. Jahrhundert“ geschrieben. Es erscheint am Montag. In dieser Ausgabe präsentieren wir Ihnen einen ex­klusiven Vorabdruck. Eine Frage, die ihn beschäftigt, ist, was gute Staatsführung ausmacht. Er sagt: „In Krisenzeiten, im Krieg, kann das bloße Management des Status quo der gefährlichste Kurs überhaupt sein.“ Ich finde, er hat recht. Lesen Sie mehr ab Seite 50.

mit vielen Grüßen,

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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