Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist noch nicht allzu lange her, da löste „Deutschland schafft sich ab“ die wohl heftigste gesellschaftliche Debatte aus, die ein Sachbuch in der Bundesrepublik je angestoßen hat. Heute, an seinem 80. Geburtstag, legt Thilo Sarrazin in Berlin eine Neuausgabe mit dem Zusatz vor: „Die Bilanz nach 15 Jahren”, ergänzt um aktuelle Kommentare. Der Verlag verspricht: „noch explosiver als 2010“. Damals, als ich gerade die Fahnen für einen „Bild“-Vorabdruck gelesen hatte, rief ich Thilo Sarrazin an. Ich sagte: Erstens macht das Buch richtig schlechte Laune, zweitens stimme ich nicht mit allem überein, drittens ist es ungemein wichtig. Er lachte: „Ach, Frau Koch, ich weiß gar nicht, ob ich noch mit allem übereinstimme.“ Diese akademische Leichtigkeit – Debatte anstoßen, Gegenargumente abwägen – wurde Sarrazin in den Monaten danach geraubt, zwischen Heiligenverehrung hier, Morddrohungen und medialen Hinrichtungsversuchen dort. Der „Alle gegen einen“-Talk bei Reinhold Beckmann damals war eines der handwerklich bescheidensten Kapitel des Journalismus. |