| Guten Morgen,
die Vorwürfe wiegen schwer, schwerer jedenfalls als die Ordner, um die es geht. Das „Statement“ der Grünen aus Friedrichshain-Kreuzberg dagegen wirkt wie ein Beitrag fürs Berlin-Museum, Abteilung „hilflose Hybris“. Hier der Wortlaut:
„Die Behauptung der ‚Aktenmanipulation‘ gegenüber Bezirksstadtrat Florian Schmidt ist haltlos. Fest steht, dass während des noch laufenden Verfahrens zum Finanzierungsprozess der Diese eG die Akten nicht vollständig eingesehen werden dürfen, da davon dringende öffentliche Interessen und schützenswerte Belange Dritter, also auch die der Mieter*innen, berührt werden können (§ 11 Abs. 2, BezVerwG). Das Bezirksamt hat zugesichert, Einsicht in alle Akten zu gewähren, sobald der Prozess abgeschlossen ist. Daraus nun einen Vorwurf zu konstruieren, entbehrt jeglicher Grundlage.“
Wir fassen noch mal zusammen – der Vorwurf der SPD lautet:
1) dass den Bezirksverordneten verschwiegen wurde, dass die Akten unvollständig sind, denn im § 11 Absatz 2 des Bezirksverwaltungsgesetzes steht auch: „Die Verweigerung der Akteneinsicht ist schriftlich zu begründen.“
2) dass Akten manipuliert, konkret: umpaginiert wurden, damit nicht auffällt, dass sie unvollständig sind.
3) dass Stadtrat Schmidt die Verweigerung der vollständigen Herausgabe erst im Nachhinein und auf Nachfrage bei einer gemeinsamen vertraulichen Fraktionssitzung von Grünen, SPD und Linken zugegeben hat, nicht aber gegenüber den Oppositionsfraktionen von CDU und FDP, die ebenfalls Akteneinsicht hatten.
4) dass Stadtrat Schmidt die Verweigerung in der als vertraulich deklarierten Sitzung nicht mit dem Bezirksverwaltungsgesetz begründet hat, sondern damit, dass er verhindern wollte, „dass die Inhalte von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegels zur politischen Agitation genutzt werden“. Da ließe sich durchaus von niederen Beweggründen sprechen.
Am ausführlichsten ist noch die Mail aus dem Büro von Schmidt an die SPD: Darin heißt es, dass in einem Fall „eine elektronisch geführte Kommunikation (…) aufgrund begrenzter Arbeitskapazitäten bislang nicht komplett ausgedruckt“ und auf Unbedenklichkeit geprüft werden konnte. In anderen Fällen befinde sich die Genossenschaft „in einem laufenden Finanzierungsprozess“, einer Akteneinsicht stünden „dringende öffentliche Interessen“ entgegen, Nachteile für „das Wohl des Landes“ seien nicht auszuschließen. Die sind allerdings auch so schon entstanden: Der finanzielle Schaden für den Bezirk im Zusammenhang mit dem Ziehen des Vorkaufsrechts zugunsten der Genossenschaft „Diese“ ist zurzeit sechsstellig.
Gründe für die Verweigerung der vollständigen Akteneinsicht hätten allerdings, wenn das alles zutrifft, schriftlich erklärt werden müssen – und zwar vor der Einsichtnahme, nicht erst dann, als die Unvollständigkeit der Akten aufgefallen, ja: aufgeflogen war. Auch anderen Fraktionen waren sowohl diese Informationen als auch Akten vorenthalten worden.
Dazu kein Wort der Entschuldigung. Kein Wort auch zur Frage, ob Akten mit zumindest missverständlicher Paginierung versehen wurden, absichtlich oder nicht. Und kein Wort zur ersten Begründung der Vorlage unvollständiger Unterlagen: oppositionelle „Instrumentalisierung“ und journalistische „Agitation“.
Demokratie endet da, wo politische Aktivisten im Sinne einer Sache, die sie selbst als gut definieren, die Rechte von Parlamenten, Opposition und Presse für minderwertig erachten und danach handeln. Was rechtlich „feststeht“ und was Stadträte „dürfen“, entscheidet in einer demokratisch verfassten Gesellschaft, deren Machtbalance auf Gewaltenteilung beruht, nicht der von seiner Selbstherrlichkeit beeindruckte Bezirkssprengel einer Partei.
Einen „Mini-Robin-Hood“ nennt Berlins Regierender Bürgermeister den Stadtrat; Schmidt sagt, er trägt diesen Spitznamen „mit Ehre“, und zwar „ob mit oder ohne ‚Mini’.“ Aber das autonome Kreuzberger Grundgesetz, legal, illegal, scheißegal, gilt im Rathaus nicht. Hier heiligt auch nicht der Zweck die Mittel, hier schaden die Mittel dem Zweck: Sie erzwingen eine Polarisierung, in der es nur ein Dafür oder Dagegen gibt, ein Richtig oder Falsch, ein Gut oder Böse – ganz egal, was es kostet, Geld oder Gesetz. Aber so ist Politik nicht, so führt sie nicht zum Erfolg. „Florian Schmidt ist ein hervorragender Stadtrat, ich vertraue ihm sehr“, sagt der Landesvorsitzende der Grünen. Das ist sein gutes Recht. Das Recht anderer ist es, den Stadtrat zu kontrollieren. Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht Sherwood Forest. | |