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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 14.01.2021 | Teils sonnig, teils wolkig bei 2°C. | ||
+ Schnelltests an Schulen: Das Richtige muss endlich richtig umgesetzt werden! + Die Problemnichtlöserin: Die harten Wochen der Bildungssenatorin + Kleine Parteien wollen digitaleres Wahlrecht erklagen – Grüne verzögern + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, das Positive zuerst! Berlin will flächendeckende Schnelltests an allen Schulen einführen – für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte. Das hat Sandra Scheeres am Mittwoch dem Tagesspiegel gesagt. Losgehen soll es „möglichst bald“, sagt die Bildungssenatorin. Endlich, endlich – aber doch zu spät – wird der erste Schritt vor dem Fünften gemacht: den Schulöffnungen. Nein, die Schnellabstriche bieten keine perfekte Sicherheit, die gibt‘s ohnehin nicht. Regelmäßige Testungen helfen, Infektionsketten rasch zu unterbrechen und einen besseren Überblick über die Ausbreitung des Virus zu bekommen. Eine Studie aus Harvard besagt, dass die Schnelligkeit und Frequenz der Schnelltests ihre geringere Sensitivität letztlich ausgleichen. Offen ist, wer die Tausenden Abstriche in Berlin bezahlt und durchführen soll. Bislang darf überall in Deutschland nur medizinisches Fachpersonal Stäbchen stecken, nur Lehrkräfte dürfen sich selbst testen. Der Bundesgesundheitsminister könnte das ändern. Die momentane Regel dagegen verspielt die eigentliche Stärke der Sofort-Tests und führt zu politischer Hirnlosigkeit: In Sachsen (Inzidenz: 304) etwa sollen ab kommendem Montag 30.000 Schüler in die Klassen zurückkehren und einmalig getestet werden. Das ist nicht nur ziemlich verrückt, weil einmalige Antigen-Tests immer nur einen Kurz-Eindruck geben, ob jemand infiziert ist. Es wird sogar zu einer Gefahr, weil die Klassen mit Lehrern in Busse gequetscht und zu hunderten „Testschulen“ gekutscht werden. Corona-Klassenfahrt…Hurra. Es ist ein trauriges, mahnendes Beispiel für die Hilflosigkeit politischer Entscheider – und dafür, wie es Berlin besser nicht macht. Am simpelsten wäre wohl, die Schüler könnten sich selbst abstreichen. „Wer in der Nase popeln kann, kann sich auch testen“, meinen Berlins Grüne. Was ein bisschen, nunja, sehr rotzig klingt, ist aber kein kompletter Unfug. Eine Studie ergab schon im Dezember, dass Selbsttests nach guter Anleitung die gleichen Ergebnisse bringen wie Fremd-Abstriche. Jens Spahn, übernehmen Sie! Damit Scheeres‘ große Test-Ankündigung am Besten schon vorgestern Realität wird: regelmäßig und überall, wo gemeinsam gelernt wird. | |||
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Die Bildungssenatorin braucht jetzt solche (angekündigten) Erfolge – Probleme lauern, wo sie auch hinschaut. Die CDU wird heute im Abgeordnetenhaus (wiederholt) ihre Entlassung fordern. Es grüßt das Murmeltier. Erst vergangene Woche war Scheeres von den Linken zur Alleinschuldigen am Schulchaos erklärte worden. Die Nicht-Anschaffung der Luftreiniger für Schulen gleicht fast überall einem Desaster, auch wenn jetzt die ersten Modelle eintrudeln. Das Geld reicht gerade für 1200 Luftfilter für alle 940 Schulen – das sind 1,28 pro Schule. Torsten Zuberbier, Charité-Arzt und Senats-Berater, sagte den Kollegen des „rbb“ jetzt: „Ein Luftfilter pro Schule ist ein Tropfen auf den heißen Stein – dann braucht man es eigentlich gar nicht zu machen.“ Rumms. Allerdings waren die Haushälter Scheeres wohl an die Gurgel gegangen, hätte sie im vergangenen Herbst mehr als die vereinbarten 4,5 Millionen Euro gefordert. Achja, das Chaos um das digitale Lernen und den „Nicht-Lernraum Berlin“ ist längst Stadtgespräch. Schule, aber als digitale Rostlaube. Und Scheeres-Horrorwaschzettel geht weiter: In den Kitas, wo eigentlich nur „Notbetreuung“ stattfinden soll, spielen im Schnitt wieder 30 Prozent der Kinder gemeinsam, das teilte die Bildungsverwaltung am Mittwoch mit. In den landeseigenen Kitas soll die Auslastung bei 50 Prozent liegen. Wer seine Kinder wirklich in den angeblichen „Notbetrieb“ bringen darf, hat der Senat nicht festgelegt (zur Einschränkung auf „systemrelevante Berufe“ will trotzdem kaum jemand zurück). Also fahren morgens alle, die nicht anders können oder wollen, ihre Kleinsten in die Kita. Eine Lösung dafür, das ist klar, ist kompliziert – aber auch nicht in Sicht. Womöglich wäre aber genau das der Anspruch an Scheeres: kreativ und frühzeitig sehr komplexe Probleme lösen. Es gelingt viel zu selten. | |||
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Unter den vollen Kitas, den zurückströmenden Kindern, leiden besonders die Erzieher. Sie fühlen sich schlecht geschützt, vergessen. Eine Angestellte einer Berliner Kita berichtet dem Checkpoint über ihre Arbeit. Sie will aus Sorge um ihren Arbeitsplatz anonym bleiben: „In meiner Gruppe betreue ich mit meiner Kollegin zwischen 6 und 9 Kinder – von 11. Die gesamte Belegung im Haus ist momentan bei 30- 50 Prozent, Tendenz steigend.“ „Wir Erzieher fühlen uns nicht ausreichend geschützt. Wir haben bisher keine FFP2-Masken bekommen, auch noch keine Luftfilteranlage oder CO2-Anzeige. Im Elternkontakt tragen wir selbstgekaufte Masken, in der täglichen Arbeit mit den Kleinen tragen wir keine Masken.“ „Wir können nicht verstehen, warum die Regierung nicht die Notbetreuung der Kinder von systemrelevanten Eltern beschließt? Was sind die Hintergründe? Die Angst um die Kinder, die Angst vor der Kritik der Eltern? Die Gefahr für Leib und Seele besteht nicht bei allen Kindern und in extremen Notlagen sollte man unterstützen, aber...wir können und wollen das nicht beurteilen, diskutieren und bestimmen.“ „Dass wir keine Lobby haben, kommt nun wieder sehr deutlich zu Tage: Ein Frauenberuf der von Frauen ausgeübt wird, die viel zu verantwortungsvoll, sozial, engagiert und selbstlos sind.Aber wir sind es wirklich leid und fordern einfach mehr Anerkennung, Akzeptanz, Achtung und Aufmerksamkeit.“ | |||
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Jetzt geht’s vor Gericht. Weil sich Rot-Rot-Grün mit einem pandemie-gerechten Wahlrecht Zeit lässt, hat die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) jetzt Klage beim Berliner Verfassungsgericht eingereicht. Die Piraten Berlin erklärten auf Checkpoint-Anfrage, sie wollten sich der Klage anschließen, wenn in vier Wochen nichts passiert sei. „Radikal:Klima“ und „Die Partei“ erklärten, keine Räume für analoge Aufstellungsversammlungen zu finden. Wie am Montag (CP 11.01.) berichtet, könnte die Pandemie kleine Parteien im schlimmsten Fall um die Abgeordnetenhauswahl bringen: Bei ihnen drängt die Zeit besonders, weil alle, die nicht schon im Parlament sitzen, bis Juli 2.200 Unterstützerunterschriften sammeln müssen – das geht aber nur, wenn Kandidaten nominiert sind. Dabei liegt ein Gesetzentwurf für digitale Kandidatenwahlen und (im Notfall) eine komplette Briefwahl im Herbst schon vor. SPD und Linke haben ihn am Dienstag in ihren Fraktionen beschlossen. Nur die Grünen zögern und erklären, rechtliche Bedenken am Entwurf des SPD-Rechtspolitikers Sven Kohlmeier zu haben (was genau, lesen Sie hier). Einen eigenen Vorschlag gibt es bisher nicht, zwei Gespräche sollen abgesagt worden sein. Böse Stimmen in der Koalition behaupten, die Grünen hätten nicht den allergrößten Handlungsdruck – weil gerade ihre Klientel große Schnittmengen zu Piraten, Radikal:Klima oder ÖDP hat. Wertvolle Stimmen im womöglich engen Rennen ums Rote Rathaus. Ein klärendes Gespräch ist für heute angesetzt. Bis nächsten Mittwoch muss nun eine Lösung her – sonst würde sich das Gesetzgebungsverfahren bis in den März verzögern. | |||
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Ganz anderes Thema: In Zeiten der Vereinzelung ist Seelsorge wichtiger denn je. Viele suchen jetzt Halt, manche auch im Glauben. Auf berlin.de werden, sucht man nach „Seelsorge“, acht Krisen- und Notrufnummern für Erwachsene angegeben. Eine übersichtliche Zahl, sicher gut ausgewählt. Man findet dort neben einer kirchlichen Seelsorge auch eine muslimische Hotline: Allerdings wird diese Nummer von „Islamic Relief Deutschland“ betrieben. So steht es auf deren Homepage. Ein Verein, der laut Bundesregierung über „signifikante personelle Verbindungen zur „Muslimbruderschaft“ oder ihr nahestehende Organisationen“ verfügt – und deren Ideologie gilt als verfassungsfeindlich. Auf Anfrage des FDP-Abgeordneten Holger Krestel zu diesem Thema erklärt jetzt der Chef der Senatskanzlei, Christian Gaebler, ausführlich, dass berlin.de ja nicht vom Land betrieben werde, sondern vom Unternehmen „Berlin Online“. Die Firma sei verantwortlich für die „Redaktion der vermarkteten Seiten und auch die des technischen Dienstleisters, sowohl für den Betrieb des Portals“. Weiter schreibt Gäbler: „Die Inhalte des Landes Berlin hingegen werden bereitgestellt von den jeweiligen Verwaltungseinheiten, die Senatskanzlei (Landesredaktion) als Verfahrensverantwortliche koordiniert das Hauptstadtportal im Ganzen.“ Wenn also auf der berlin.de-Seite des „Landesbeauftragten für Psychiatrie“ (siehe hier) für eine Seelsorge-Hotline geworben wird, deren Betreiber Verbindungen zur Muslimbruderschaft haben, ist demnach…das Land Berlin dafür verantwortlich. Und wer übernimmt die Verantwortung? | |||
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