Schönhoven-Buchvorstellung: Von demokratischen Triumphen und totalitären Tragödien Vortrag widmet sich den Schicksalen der SPD-Abgeordneten während der NS-Diktatur „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“, lautet der Titel des neuen Buches des Historikers Klaus Schönhoven, das gestern Abend in der Stadtbücherei dem Würzburger Publikum vorgestellt wurde. Seit einigen Jahren erinnert die Otto-Wels-Straße in der Würzburger Innenstadt an jenen Sozialdemokraten, der in seiner Rede gegen das Ermächtigungsgesetz als SPD-Fraktionsvorsitzender diesen historischen Satz sagte. Das Buch analysiert die Verfolgungsschicksale der SPD-Abgeordneten, die im Jahr 1933 als einzige gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmten und sich damit der grenzenlosen Rachsucht der Nationalsozialisten auslieferten. Nachgezeichnet werden die Leidenswege dieser Abgeordneten während der NS-Zeit. Sie waren geprägt von Verhaftung und Ausgrenzung, Flucht und Emigration, Entmenschlichung und Ermordung in den Gefängnissen und Konzentrationslagern der nationalsozialistischen Diktatur. Bildunterschrift, v. l.: SPD-Bundestagskandidatin Eva-Maria Linsenbreder, MdL Georg Rosenthal (Würzburg Stadt), Historiker Klaus Schönhoven, MdL Volkmar Halbleib (Würzburg Land) Jede politische Kultur gründe auf Erinnerung, erklärte Schönhoven zu Beginn seines Vortrags. Deshalb stehe die deutsche Erinnerungskultur vor besonderen Herausforderungen, wenn es um das 20. Jahrhundert gehe. Sie müsse einerseits die deutsche Diktaturgeschichte schonungslos aufklären und andererseits auch die Erinnerung an die deutsche Demokratiegeschichte wachhalten. Denn die deutsche Geschichte sei im letzten Jahrhundert gleichermaßen von totalitären Tragödien und demokratischen Triumphen geprägt worden. Der 23. März 1933, an dem das "Ermächtigungsgesetz" vom Reichstag verabschiedet worden ist, sei ein düsterer Schicksalstag gewesen, aber auch als ein Tag der demokratischen Standfestigkeit und unbeugsamen Überzeugungstreue in die deutsche Erinnerungsgeschichte eingegangen, blicke man auf das geschlossene "Nein" der SPD-Reichstagsfraktion zu diesem nationalsozialistischen Frontalangriff auf den republikanischen Rechtsstaat. Die Fragen des Publikums moderierte der ehemalige Oberbürgermeister und SPD-Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal. Er begrüße, dass die Rufe nach Erinnerung und Aufklärung nicht verhallten, sondern weiterklängen. Bis in die sechziger Jahre, war das für die junge Bundesrepublik keine Selbstverständlichkeit. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Volkmar Halbleib, dankte dem Historiker, dass er sich diesem wichtigen Thema gewidmet hat. Für ihn sei der Widerstand der Sozialdemokraten gegen die Nationalsozialisten trotz lebensbedrohlicher Konsequenzen einer der Gründe für seinen Parteieintritt gewesen. Er appellierte an das Publikum, auch in der heutigen Zeit sehr genau auf die Wortwahl der Populisten und neuen Rechten zu achten: „Im Zweifel ist jede Formulierung genauso schlimm gemeint, wie sie geäußert wird“, so Halbleib. Die Aktion eines Pegida-Demonstranten, der in Dresden mit einem Galgen symbolisch zur Hinrichtung der Bundeskanzlerin als einer angeblichen "Volksverräterin" aufrief, führte Schönhoven als einen Beleg dafür an, dass eine Stabilisierung des demokratischen Bewusstseins auch heute noch eine Daueraufgabe ist, der man sich stets stellen müsse. Einen Beitrag hierzu könne auch die Geschichtsschreibung leisten, die dem Demokratiegedächtnis einen historischen Platz als Identitätsanker der Bundesrepublik geben wolle. Die Auseinandersetzung mit den Lebensläufen der standhaften sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten, die sich 1933 dem Nationalsozialismus entgegenstellten und dafür in den folgenden Jahren bis 1945 einen bis dahin unvorstellbaren Verfolgungsterror erdulden mussten, der sich auch öffentlich vor aller Augen vollzog, als Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte mit Füßen getreten wurden, sei eine historische Lektion, die man nicht vergessen darf. "Die Erinnerung an diejenigen wachzuhalten, die in schwierigsten Zeiten und trotz aller Konsequenzen für die Demokratie eintraten, ist unsere wichtigste Aufgabe", schloss Rosenthal. Das Buch liegt im Buchladen Neuer Weg in der Sanderstraße zum Erwerb aus. |