SPD und Grüne in der Regierung – das gab es schon einmal. Einige wichtige Reformen brachte Rot-Grün ab 1998 auf den Weg, aber auch viel Enttäuschendes. Was wir aus der Zeit lernen können, damit es diesmal besser läuft, hat Campact-Vorstand Christoph Bautz für Sie analysiert.

Hallo John Do,

23 Jahre ist es her, dass ich mit einer Regierung schon einmal viel Hoffnung auf progressiven Wandel verband. Ich war noch Student, engagierte mich in der Anti-Atom-Bewegung und für ökologische Landwirtschaft. Und Rot-Grün legte mit Schröder, Fischer und Lafontaine schwungvoll los: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz kam, das Staatsbürgerschaftsrecht wurde reformiert.

Aber bald wurde ich bitter enttäuscht. Der Atomausstieg – verwässert. Die Ökosteuer-Reform blieb ohne Wirkung. Noch schlimmer: Nach dem hoffnungsvollen Start bestimmte eine neoliberale Agenda die Politik von SPD und Grünen. Sie entlasteten Reiche bei der Steuer, ließen Börsenspekulant*innen mit ihren Hedgefonds freien Lauf, führten das Sanktionssystem von Hartz IV ein.

Was mich in diesen Tagen umtreibt, ist die Frage: Was lernen wir aus den sieben rot-grünen Jahren für die neue Ampel-Regierung? Wie können wir gemeinsam dafür sorgen, dass eine Regierung mit Grünen und SPD diesmal mehr Veränderung bringt? Ich habe den Eindruck: Es fehlte damals – und es braucht genauso jetzt – Protestbewegungen, die für progressiven Wandel streiten. Als Rot-Grün mit den Bossen der Energiekonzerne über den Atomausstieg verhandelte, waren die Straßen ums Kanzleramt leer. Und gegen Hartz IV kamen erst Hunderttausende zu Großdemos zusammen, als schon alles beschlossen war.

Meine Konsequenz aus Rot-Grün: Ich gründete Ende 2004 zusammen mit zwei Freunden Campact. Wir spezialisierten uns auf das, was damals fehlte: Eine breite Bürgerbewegung, die in den Momenten der Entscheidung fokussierte Kampagnen über das Internet organisiert – damit sich nicht wieder die Konzernlobbys durchsetzen. Und immer dann, wenn die Regierung droht, Mist zu bauen, Bündnisse schmiedet. Damit wir zusammen schnell Hunderttausende Menschen bewegen können, um gemeinsam auf die Straße zu gehen.

Im kommenden Jahr entscheidet sich, ob die Ampel zu einer Regierung der Erneuerung wird. Das ist genau solch eine Situation, in der es Campact braucht – uns alle braucht. Gemeinsam mit Ihnen möchte ich all das entstehen lassen, was unter Rot-Grün so schmerzlich fehlte: Online-Appelle mit Hunderttausenden und gezielte Aktionen dort, wo die Ampel ihre Klima-Pläne verhandelt – etwa beim Kohleausstieg oder dem Ausbau der Erneuerbaren. Massenprotest, wenn bei der Verkehrswende unter einem FDP-Minister Volker Wissing weiter nichts vorangeht oder Cem Özdemir als grüner Agrarminister den Umbau der Landwirtschaft nur halbherzig anpackt.

Die Lobbys der Auto-, Agrar- und Energiekonzerne werden alles daran setzen, den Wandel auszubremsen. Bei FDP und Teilen der SPD finden sie Gehör. Für Campact bedeutet das: Gleichzeitig dutzende Politikprozesse im Blick haben, blitzschnell Kampagnen, Aktionen und Demonstrationen starten, wenn die Lobby ihre engen Drähte spielen lässt. Deswegen müssen wir jetzt noch stärker werden. Ich möchte daher Sie, John Do, ganz persönlich bitten: Stärken Sie jetzt unsere Bürgerbewegung für das neue Jahr. Jede Spende zählt – unterstützen Sie Campact mit 5 Euro.

Der Kohleausstieg: soll „idealerweise“ bis 2030 stattfinden. Das Dieselprivileg bei der Kfz-Steuer – es wird „überprüft“. Und Landwirt*innen „sollen auf dem Weg zur Klimaneutralität im Rahmen des Umbaus der Nutztierhaltung unterstützt werden.“[1]Das sind nur drei Stellen aus dem Koalitionsvertrag. Aber sie zeigen, was sich dort wie ein roter Faden durchzieht: sehr viele vage Verabredungen. Die Grünen konnten sich bei den Koalitionsverhandlungen in entscheidenden Klimaschutz-Fragen nicht gegen FDP und SPD durchsetzen.

Die Ampel-Koalition hat die großen Konflikte einfach vertagt. Auf 2022. Nächstes Jahr soll laut Vertrag alles wichtige in einem Klimaschutz-Sofortprogramm geregelt werden. Dann entscheidet sich, ob die Konzernlobbys wieder sehr viel verwässern – wie damals bei Rot-Grün. Oder aber die Ampel den Aufbruch zu einer konsequenten Klimaschutzpolitik wagt. Überall sind wir als Bewegung gefragt, möglichst starke Regeln für das Klima durchzusetzen. Mit einer guten Mischung aus Online-Appellen, medienwirksamen Aktionen und Demonstrationen, soweit die Corona-Pandemie sie zulässt.

All das schaffen wir nur, wenn sich jetzt viele Menschen hinter Campact stellen und die Aktionen unserer Bürgerbewegung mit ihren Spenden ermöglichen. Bitte schließen Sie sich an. Schon mit 5 Euro machen Sie einen Unterschied!

Herzliche Grüße
Christoph Bautz, Campact-Vorstand

PS: „Wir schaffen ein Regelwerk, das den Weg frei macht, um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen.“ Dass die Ampel etwas so weitreichendes im Koalitionsvertrag verspricht, ist ein großer Erfolg für die Klimabewegung. Doch noch löst sie das Versprechen nicht mit konkreten Plänen ein. Das wollen wir 2022 – im Jahr der Entscheidungen – ändern. Bitte machen Sie das mit Ihrer Spende möglich.

Falls Sie das bevorzugen, können Sie auch direkt auf unser Aktionskonto überweisen:

Campact e.V.
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN DE94 2512 0510 6980 9900 00
BIC BFSWDE33HAN

[1]„Mehr Fortschritt wagen“, Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, SPD Online, eingesehen am 20. Dezember 2021