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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 14.08.2020 | Schauer und Wolken bei schwül-feuchten 26°C. | ||
+ Volle Tüten, volle Fässer: Der Bildungsstreit eskaliert + Showdown in Charlottenburg: Chebli tritt gegen Müller an + Blaualgen, Wasserpest, Saugwürmer: Die Havel stinkt zum Himmel + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, die Schultüten sind voll, das Fass ist es auch. „Heute war es soweit“, sagte Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses gestern Abend. „Das Fass ist übergelaufen.“ Während heute und morgen 36.800 Erstklässler (Rekord seit dem Mauerfall) ihre Einschulung feiern, eskaliert der Streit zwischen Eltern, Gewerkschaft und der Bildungsverwaltung. In der Zentrale der Bildungsgewerkschaft GEW formierte sich gestern ein Protestbündnis für einen Corona-Bildungspakt, es kamen Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen – die Senatorin fehlte. Wirkte es Ende der vergangenen Woche noch so, als hätte Sandra Scheeres (SPD) mit dem eilig einberufenen Hygienebeirat die Lage befriedet (ein Schulstreik wurde gerade noch verhindert), ist davon nun nichts mehr übrig. Nach Corona-Fällen an mindestens acht Berliner Schulen, sieht sich das neue Bündnis zum Handeln genötigt. Eine Milliarde Soforthilfe lautet die Forderung: für zusätzliches Personal, Räume und digitale Infrastruktur, „für echte Hygiene an den Schulen“. Eine ähnliche wuchtige Wut war Scheeres bereits vor rund einem Jahr entgegengeschlagen angesichts schlechter Vergleichsarbeiten und fehlender Schulplätze. Auch damals berief sie zur Besänftigung eilig eine Kommission ein. Die Experten um den Bildungsforscher Olaf Köller sollen ihren Bericht im Herbst vorlegen, sagte Scheeres kürzlich, und lobte, dass die Qualitätskommission trotz Corona digital weiterhin getagt habe. In der Senatsverwaltung wird derweil über den Einsatz von CO2-Messgeräten in Klassenzimmern diskutiert, die laut dem TU-Forscher Martin Kriegel helfen könnten, um die Luftqualität zu messen. Das sei auch Thema bei der konstituierenden Sitzung des Hygienebeirats am Montag, hieß es gestern auf Checkpoint-Nachfrage aus der Bildungsverwaltung. Bis die Geräte tatsächlich einsatzbereit sind, könnten allerdings noch Wochen vergehen. Wochen, in denen Schülerinnen und Schüler sich ohne Abstand und Maske in teils schlecht belüftete Räume setzen müssen, denn eine Wahl haben sie nicht: Die Schulpflicht besteht weiterhin. „Wir sind Versuchskaninchen“, sagt eine Elternvertreterin aus Pankow. Mal sehen, was Scheeres diesmal aus dem Hut zaubert. | |||
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Derweil pendelt sich das Infektionsgeschehen bei rund 100 Neuinfektionen täglich ein. In Mitte steigen die Zahlen inzwischen so schnell, dass der Bezirk im bundesweit zu den am schlimmsten betroffenen zählt. Die Gesundheitsämter begründen das derzeit mit den Reiserückkehrern, doch auch die Rolle der Partys wird nach den Prohibitionsphantasien der Gesundheitssenatorin weiter diskutiert. Dilek Kalayci (SPD) hat nun alle Bezirke aufgefordert, Areale zu benennen, „in denen verstärkt feiernde und Alkohol konsumierende Gruppen Abstands- und Hygieneregeln missachten“. In Mitte wird der Vorschlag eines zeitlich begrenzten Alkoholverkaufsverbots dankend aufgenommen, der grüne Bürgermeister Stephan von Dassel findet es praktisch, dass dann gleich „auch die immer wieder festzustellenden Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz leichter zu ahnden wären“. Bei Twitter formulierte er es am Abend plattformangemessen lapidarer: „Für alle mit Schnappatmung und Wegebierverlustangst, weil in Mitte vermeintlich die Prohibition ausgerufen werden soll: die Politik wird prüfen, diskutieren und dann situationsangemessen entscheiden. Der Weltuntergang ist verschoben. Prost!“ Wie man eine coronakonforme Party veranstalten kann, hat ein kleines Berliner Kollektiv in einem Youtube-Tutorial veröffentlicht. Open Air, mit Absperrung, Abstand und Anstand und: Boxen nie Richtung Anwohner! Dann klappt’s auch mit den Nachbarn. Und vielleicht sogar der Polizei. | |||
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Gar nicht nach Party ist derzeit der SPD zumute, dabei hatte doch ihr neuer Kanzlerkandidat gerade zu Geschlossenheit aufgerufen. Doch dagegen ist Berlin bekanntlich resistent. Weshalb es nun trotz bewährter Hinterzimmer-Männerrunden zum offenen Kampf um eine Bundestagskandidatur kommt, Showdown in Charlottenburg, und der geht so: Staatssekretärin tritt gegen ihren Chef an. Obwohl der Regierende bereits am Montag erklärt hatte, in Charlottenburg-Wilmersdorf für den Bundestag kandidieren zu wollen, erklärte auch Sawsan Chebli dort gestern Abend ihre Kandidatur. „Ab heute stehe ich, Sawsan Chebli, der SPD und meinem Kreisverband als Kandidatin für die nächste Wahl zum Deutschen Bundestag zur Verfügung“, ließ Chebli am Abend verbreiten. „Ich bin froh, dass ich in einem Land lebe und in einer Partei aktiv sein darf, wo nicht Anspruchshaltung, sondern Engagement und Überzeugungen den Ausschlag geben.“ Linker Haken, Treffer. Während Müller bei seiner Rede am Abend zwar mehr Applaus bekam und Chebli ohnehin kaum Chancen ausgerechnet werden, waren gestern auch andere Stimmen zu hören: So mancher ist offenbar nicht ganz glücklich über die Herren Kühnert und Müller, die die Wahlkreise Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf unter sich verteilt hatten und das auch mit dem Listenplatz 1 vorhaben. Wo das doch immer ein Frauenplatz war. Offiziell läuft die Bewerbungsfrist in Cha-Wi übrigens noch bis zum 10. September. Wer will noch mal, wer hat noch nicht? | |||
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Derweil besuchte die unangefochtene rote Kandidatin fürs Rote Rathaus gestern die Polizeiakademie in Berlin, die Königin des Ortstermins auf Ortstermin. All das, um zu zeigen: Giffey kann auch innere Sicherheit. Ein kleiner Wahlkampfauftakt mit Elefanten im Raum: In der SPD gibt es nach der coronabedingten Schonfrist für einen glücklich agierenden Müller nun wieder einige, die sagen: Der Regierende muss vorzeitig den roten Rathaussessel räumen, um Giffey bei der Wahl im nächsten Herbst einen Amtsbonus zu verschaffen. Kleines Manko an diesem Szenario: Giffey würde in diesem Fall auch das Amt der Wissenschaftssenatorin von Müller übernehmen. Und wäre somit auch für die FU zuständig, die ihr gerade haarscharf nicht den Doktortitel aberkannte. Da allerdings auch die Betreuerin ihrer Doktorarbeit, Tanja Börzel, im Promotionsausschuss saß, der die Prüfungskommission einberief, bemüht sich die Opposition im Abgeordnetenhaus nun um einen Untersuchungsausschuss. | |||
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Über grölende Gören beschwerte sich ein Anwohner in der Siedlung Eichkamp, weil diese auf der Straße spielten. Er drohte gar, die Kinder zu vergiften oder zu entführen, Bücher eines „bekannten Horror-Krimi-Autors“ aus dem Kiez lieferten ausführliche Anregungen „für meine Ideen“, stand in den Briefen, die kürzlich in den Briefkästen der Anwohner lagen, garniert mit einer rassistischen Beleidigung gegen die Mutter. Nun wurde ein 72-Jähriger festgenommen, die Polizei fand eine Schreckschusswaffe, ein Fleischermesser und eine Machete bei ihm. Und der Kiez zeigt Gesicht. „Unsere Siedlung lebt von Familien mit Kindern, hier ist Lebensraum für sie und so soll es unbedingt bleiben“, steht in einer Unterschriftensammlung. Mehr dazu gibt’s heute im Bezirksnewsletter meines Kollegen Cay Dobberke (hier kostenlos abonnieren). | |||
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Es bleibt heiß in den nächsten Tagen, die Gewitter machen offenbar wie so häufig einen Bogen um Berlin. Wohin also zur Abkühlung. Schwimmbäder? Abgeklebt und ausverkauft (nur in den Kombibädern Spandau Süd und Mariendorf sowie den Sommerbädern Gropiusstadt und Mariendorf und dem Kinderbad Marzahn gab es bis zum frühen Morgen noch Resttickets fürs Wochenende). Die Seen? Völlig überfüllt. Und jetzt auch noch das: Blaualgen, Wasserpest, Saugwürmer – Berlins Gewässer stinken zum Himmel und verderben uns den letzten Rest an Badespaß. Hilft nur noch der alte Wespentrick: Ab besten den Mund halten. | |||
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Leider ist auf den Straßen momentan auch nicht viel mehr Wasser zu holen: Eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Kristian Ronneburg hat ergeben: Von den 157 Brunnen, Fontänen, Wasserfällen und Planschen der Berliner Wasserbetriebe sind knapp ein Viertel (36) derzeit nicht in Betrieb. Zur Begründung gibt’s ein bildschönes Brunnenbingo: „Überprüfung nach DGUV3 nicht bestanden: Verstoß gegen die Norm. Umbau notwendig, sonst Gefahr für Passanten.“ (Brunnen Rüdersdorfer Straße in Fhain) „Überprüfung nach DGUV3 nicht bestanden: Keine Zugänglichkeit zur Steuerung der Brunnenanlage, damit keine Prüfung durchführbar“ (Drei-Brunnen-Becken in Pankow) „Pumpe wird erneuert“ (Petersburger Platz, Friedrichshain) „Brunnenbecken undicht“ (Oranienplatz, Kreuzberg) „Überprüfung nach DGUV3 nicht bestanden: Komplett Erneuerung der E-Anlage. Brandspuren an den Adern/Leitungen“ (Boxhagener Platz, Friedrichshain) „Pumpenstube undicht / Wassereintritt“ (Kaiser-Wilhelm-Platz, Schöneberg) „Überprüfung nach DGUV3 nicht bestanden: Pumpe gebrochen, Motor Wasserschaden“ (Brunnen der Jugend, Lichtenberg) Die Wasserbetriebe sind allerdings zuversichtlich, 20 Brunnen „noch in der Brunnensaison 2020“ in Betrieb nehmen zu können, geschätzte Kosten 323.150 Euro. Vielleicht könnten sie dann gleich die Blaualgen mitbeseitigen? | |||
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Apropos mitbeseitigen: Die weltberühmten Wildschweine, die letzte Woche am Teufelssee einem Nacktbader den Laptop klauten, sollen (Kevin, Ohren zu!) erschossen werden. Förster haben die Tiere schon länger im Visier, weil sie jegliche Scheu verloren hätten (Q: rbb). Berlin is over. (Und sicher Armin Laschet schuld) | |||
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