| Guten Morgen,
Michael Müller kann stolz sein auf die prosperierende Wissenschaftslandschaft. Berlin ist attraktiv für Forscherinnen und Forscher, für Lehrende und Lernende. Die Universitäten gehören zur nationalen Spitzenklasse, und in dieser Disziplin spielt der Regierende Bürgermeister in Personalunion als Senator oben mit: Er holte die Wissenschaft in die Senatskanzlei und Steffen Krach an seine Seite – der Staatssekretär, längst selbst ministrabel, hält Müller unauffällig und effektiv den Rücken frei. Im Penthouse der Berliner Politik sind die Aussichten prächtig.
Eine Etage tiefer haust das Berliner Bildungsprekariat. Die Aussichten zu Beginn des neuen Schuljahrs: trübe. Es gibt Schimmel statt Schampus, traurige Gestalten schleppen in alten Tornistern die Probleme von gestern wie einen Plumpsack im Kreis herum, und in der Mitte: immer ein faules Ei. Nicht einmal die Hälfte der Grundschüler erfüllt die Erwartungen in den Fächern Deutsch und Mathe.
Als hätten Hochschule und Schule nichts miteinander zu tun, hat die Feiergesellschaft die Leiter nach oben gezogen und hungert sich so irgendwann selbst aus. Denn die Schülerinnen und Schüler von heute sind die Studierenden von morgen – oder eben auch nicht.
Im Tagesspiegel hat Sebastian Turner den Regierenden Bürgermeister aufgefordert, die Schule zur Chefsache zu erklären. Aber Chefsache ernstgenommen kann eigentlich nur heißen: Müller muss auch die Schule als Senator übernehmen. Als Regierender sitzt er am längeren Hebel, wenn es ums Geld für Schulen geht. Als Schulsenator kann er einen Elitewettbewerb ausrufen: Europas beste Lehrer kommen nach Berlin! In jeder Klasse müht sich nicht nur einer ab, sondern gehen zwei oder sogar drei gut bezahlte Pädagogen auf individuelle Anforderungen ein. Anstatt nur mit dem solidarischen Grundeinkommen mühsam einen neuen Sozialreparaturbetrieb zu eröffnen (die ersten zwei Teilnehmer des Programms haben ihre Verträge), löst Müller das Urversprechen der Sozialdemokratie ein: gleiche Chancen für alle. Nicht als 99. ideologische Schulreform, sondern als Basis für eine gute Bildung, für ein gutes Leben und zur Sicherung des Nachwuchses an den Berliner Hochschulen. Zu verlieren hätte Müller nichts - aber viel zu gewinnen. | |