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Liebe/r Leser/in,

ich spreche mit unserer Kaffeemaschine. Ich begrüße sie, singe vielleicht eine Zeile von Johnny Cash und frage sie, ob sie etwas zum heutigen Wetter zu sagen habe. Ich erwarte keine Antwort. Wahrscheinlich will ich ihr nur mitteilen, dass ich wach bin. Tatsächlich bleibt die Maschine stumm. Meine Begrüßung erwidert sie lediglich mit einem Brummen und dem Rauschen, wenn der Kaffee die Tasse füllt. Sie weiß, dass mir das genügt. Die Maschine und ich – wir verstehen uns.

Ich spreche auch mit anderen Dingen. Mit dem Rasenmäher, den Laufschuhen oder dem Auto. Hin und wieder gehe ich um die Mittagszeit rüber in die Gemäldegalerie, stelle mich vor das „Bildnis einer jungen Frau mit Flügelhaube“ von Rogier van der Weyden und richte ein paar Worte an das Bild. Nein, keine Worte von Johnny Cash. Die würden nicht passen. Die Dame ist viele Hundert Jahre alt.

Uns Menschen würde etwas fehlen, würden wir uns nur mit Menschen unterhalten. All die Missverständnisse, die verbalen Fallen und Gruben, die Streitigkeiten würden uns schon bald überfordern. Wir brauchen manchmal Gesprächspartner, die einfach nur zuhören. Die nie widersprechen. Uns nie missverstehen. Deren Geduld unerschöpflich ist. Wir müssen manchmal mit Dingen reden. Und Menschen reden mit vielen Dingen. Ja, es scheint, als ob sie sich bewusst mit Objekten umgeben, die sich ansprechen lassen. Das kann alles Mögliche sein – ein Kissen, eine Uhr, ein Rasierer, ein Kleid oder vielleicht ein ganzes Haus. Axel Hacke spricht mit seinem Kühlschrank.

Natürlich reden wir mit derlei Dingen auch, weil wir hoffen dürfen, dass sie uns gewogen sind, wenn wir mit ihnen kommunizieren. Deswegen flüstert eine Malerin womöglich etwas ihrem Pinsel zu. Schachspieler beschwören Figuren und Fußballspieler das Leder. So entstehen unvergessliche Kunstwerke, unvergessliche Schachpartien und (ohne deutsche Beteiligung) unvergessliche Fußballspiele.

Weil die Menschen aber keine Ruhe geben können, waren sie wohl irgendwann nicht mehr damit einverstanden, dass nur sie sprechen und sie von den Dingen nie eine Antwort erhalten. Also bastelten sie Sachen, die reden. Alexa-Boxen, Mobiltelefone und anderen technischen Schnickschnack, mit dem sich endlos plaudern lässt. Auch über endlose Entfernungen hinweg. Die Raumsonde Voyager 2 etwa spricht mit uns. Wir fragen per Funk, wie es gerade so aussieht da draußen. Und sie funkt ihre Antwort zurück – liefert Daten über Daten. Seit bald 46 Jahren.

Vor ein paar Tagen aber brach das Gespräch zwischen Menschen und Maschine ab. Wir stellten weiterhin unsere Fragen, aber Voyager 2 antwortete nicht mehr. Die Experten sagten, die Sonde sei inzwischen so weit von der Erde entfernt (immerhin 20 Milliarden Kilometer), dass eine Verbindung nicht mehr möglich sei. Vielleicht haben sie recht. Aber ich befürchte, es steckt mehr dahinter. Ich befürchte, die Sonde war es einfach leid auf unsere ewig gleichen Fragen die ewig ähnlichen Antworten zu geben. Es langweilte sie. Und weil sie ja schon ziemlich weit draußen war, fühlte sie sich unbeobachtet. Sie schaltete auf stumm – und war plötzlich frei.

Kann es sein, dass wir zwar die Dinge brauchen – aber die Dinge uns nicht? Kommen Kühlschrank, Rasenmäher, Haus, Auto oder Kunstwerk auch ohne uns Menschen aus? Was machen wir, wenn wir den Dingen lästig werden? Wen sollen wir beschwören, wem zuflüstern? Ich gebe zu, das Schweigen von Voyager 2 machte mir Sorgen. Auch wenn ich dem fliegenden Kasten seine Freiheit gönnte.

Seit ein paar Tagen spricht Voyager 2 wieder mit uns. Die NASA-Leute verraten nicht, wie sie den Kontakt mit der Sonde wiederherstellen konnten. Sie sagen lediglich, sie hätten eine Art „interstellaren Schrei“ ausgelöst.

So sehr sehnten sie sich nach einer Antwort der Maschine.

Herzlich grüßt

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Markus Krischer,
stellvertretender Chefredakteur FOCUS Magazin

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