Liebe/r Leser/in, gut, Sie wollen also ins Kanzleramt und Angela Merkel nachfolgen. Das ist sehr lobenswert – und im Grunde auch recht einfach. Sie sollten volljährig sein, Ihre Staatsangehörigkeit sollte deutsch sein – und Sie sollten Ihr uneingeschränktes Wahlrecht besitzen. Das war’s. Sie müssen nicht mal einen Sitz im Bundestag haben, und Sie müssen auch nicht mindestens 40 Jahre alt sein. Das gilt nur, wenn Sie sich für das Amt des Bundespräsidenten interessieren. Der Mann im Bellevue sollte Sie aber kennen und einigermaßen ernst nehmen. Er muss Sie nämlich als Kanzler oder Kanzlerin dem Bundestag vorschlagen. Bevor ich es vergesse: Von den Damen und Herren dort sollten Sie auch einigermaßen ernst genommen werden. Die Abgeordneten nämlich müssen Sie wählen. Okay, das war’s dann aber wirklich.
Über den letzten Punkt müssen wir vielleicht noch mal reden. Ernst genommen zu werden – das ist eine ernste Sache. Niemand kann verlangen, dass Sie über jedes Thema bis in die letzte Fußnote Bescheid wissen. Niemand kann erwarten, dass Sie für jedes Problem sofort eine Lösung parat haben. Niemand kann fordern, dass wirklich jedes Wort von Ihnen Gewicht hat. Das nicht. Aber jeder kann und wird erwarten, dass jedes Wort von Ihnen auch wirklich Ihr Wort ist. Dass Sie das, was Sie sagen, auch meinen – und dass Sie ehrlich Auskunft geben über sich und Ihre Überzeugungen. Mit anderen Worten: Niemand sollte Ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen können. Verzichten Sie also auf Zwei- und Dreideutigkeiten, auf noch so niedrige Hochstapeleien in eigener Sache, und schmücken Sie sich um Himmels willen nur mit Ihren eigenen Federn.
Sie denken: Wer schreibt ein Buch schon allein? Mit Abkupfern und Aufhübschen kommen Sie nicht dorthin, wo Sie hinmöchten. Denken Sie das nicht!
Ach, Sie haben das schon getan? Das ist aber dumm. Jetzt dürfen Sie diesen Fehler auf keinen Fall machen: Schreien Sie nicht „Rufmord!“ oder „Kampagne!“. Und nehmen Sie sich bloß keinen Promi-Anwalt, von dem Sie glauben, er könne irgendjemanden zum Schweigen bringen.
Das kann er nicht. Das können nur Sie. Geben Sie Fehler ohne Wenn und Aber zu, und achten Sie ab jetzt endlich auf Ihre Glaubwürdigkeit. Aber das ist ja klar. Darüber müssen wir nicht reden. Oder? |