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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 02.11.2020 | Vereinzelte Regenschauer bei max. 19 °C. | ||
+ Parlament diskutierte am Sonntag über Corona-Politik + Neue Regeln ab heute in Kraft – Gotteshäuser bleiben offen + Erste Pannen am BER + |
von Felix Hackenbruch |
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Guten Morgen, gestern gab es – ganz floskelfrei – Sonntagsreden im Abgeordnetenhaus. Einen Tag vor dem Lockdown Light durften die Parlamentarier in einer Sondersitzung doch noch über die bereits beschlossenen Corona-Maßnahmen debattieren – erstmals, bevor diese in Kraft treten. Herbstferienbedingt hatte das Plenum einen Monat nicht getagt. Dass es reichlich Rede- und Schreibedarf gab, wurde schon nach 90 Sekunden Regierungserklärung klar. AGH-Präsident Ralf Wieland musste Michael Müller unterbrechen, weil seine Rede konsequent von der AfD niedergebrüllt worden war. „Benehmen Sie sich nicht wie Ihre Freunde im Bundestag“, warnte Wieland. Ansonsten zeigte sich, dass über das Krisenmanagement zu sprechen fast genauso wichtig ist, wie das Krisenmanagement selbst. | |||
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Die Debatte in der Reihenfolge der Auftritte in Zitaten: Michael Müller (SPD): „Ich will kein Brüssel in Berlin. Ich will kein Bergamo. Ich möchte keine Bilder wie im Frühjahr, von Kühllastern mit Verstorbenen, die durch New York fahren. Ich möchte so etwas nicht für Berlin. […] Es geht darum, zu Hause zu bleiben. […] Der Monat November ist der Monat der Eigenverantwortung. Wir können und wollen eine Stadt mit fast vier Millionen Einwohnern nicht lückenlos überwachen. Wir können und wollen nicht vor jedes Wohnzimmer einen Polizisten stellen. […] Wir müssen über den sensiblen Umgang und den Schutz unserer Grundrechte reden. Aber für die ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Krise ist es nicht nötig, Veganköchen oder Reichsflaggenträgern hinterherzulaufen.“ Burkard Dregger (CDU): „Wir tragen die Maßnahmen bis zum 30. November mit. Aber einen Blankoscheck bekommen Sie nicht. […] Wir brauchen eine vernünftige, vorausschauende Politik, die die Regeln durchsetzt, die die Ehrlichen nicht bestraft, sondern unterstützt, und die nicht ideologische Irrationalitäten über den Gesundheitsschutz setzt, wie dies in Friedrichshain-Kreuzberg der Fall ist.“ Georg Pazderski (AfD): „Diese Sitzung ist eine Farce, eine reine Alibi-Veranstaltung. […] Hier wird eine Stadt sinnlos mit dem Holzhammer K.O. geschlagen.“ Carsten Schatz (Linke): „Ein Lockdown lässt sich leichter in einer Villa mit Garten oder einem Loft mit Dachterrasse aushalten, als zu viert in einer Dreizimmerwohnung. Und erst recht besser, als wenn man sich in einer Gemeinschaftsunterkunft das Zimmer teilen oder gar auf der Straße leben muss. […] Es zeigt sich, was in einer kapitalistischen Gesellschaft Priorität hat: arbeiten und konsumieren. […] Unsere Perspektive darf nicht sein, dass wir vier Wochen in den Lockdown gehen, um das Weihnachtsfest und Geschäft zu retten und wir im Januar wieder vor dem gleichen Dilemma stehen.“ Sebastian Czaja (FDP): „Ab sofort darf die Pandemie-Bekämpfung nur noch einem Grundsatz folgen: Freiheit und Verantwortung. […] Verstehen Sie [der Regierende, Anm. d. Red.] diese Sitzung heute als das Ende der Verordnungspolitik.“ Bettina Jarasch (Grüne): „Weder Moralpredigten noch die Suche nach Sündenböcken helfen uns weiter, und erst recht nicht der öffentliche Aufruf aus Bayern, dass Nachbarn sich gegenseitig ausspähen sollen. […] Die 2. Welle ist kein Tsunami, der uns ohne Vorwarnung überrollt. Wir können ihren Verlauf bremsen und sie wieder unter Kontrolle bringen. Und wir können die Krise überwinden.“ | |||
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An den Corona-Maßnahmen hat die Debatte nichts geändert und so gilt in der Stadt der Freiheit ab heute die zehnte Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung. Wer keine Lust auf Paragrafen und Schachtelsätze hat, hier gibt’s die neuen Regeln in verständlich. Ausgenommen bei den Grundrechts-Einschränkung bleibt die Religionsfreiheit. Während Gastronomie, Sportvereine und Kultureinrichtungen schließen, dürfen Gotteshäuser offenbleiben – obwohl dort vermehrt Risikogruppen verkehren und sich aus religiösen Zusammenkünften in der Vergangenheit schon mehrfach Corona-Hotspots entwickelt haben. Die Kirchen sollten vernünftige Vorbilder sein und auf Präsenz-Gottesdienste verzichten, fordert Kollege Christoph Stollowsky, selbst überzeugter Protestant. Beten allein hilft in der Pandemie nicht. | |||
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Die Gebete von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup wurden dagegen erhört. „Endlich, endlich können wir unseren Flughafen in Betrieb nehmen“, sagte er und wirkte selbst fast ungläubig. Aber es stimmt: Der BER hat am Samstag pannenfrei eröffnet! Das mit der Doppellandung klappte wegen tiefhängender Wolken zwar nicht, aber um 14:01 Uhr setzte EJU 3110 aus Tegel (!) auf und machte aus dem Fluchhafen endlich einen Flughafen. Ein historischer Tag, auch, weil unser BER-Counter nun Geschichte ist. „Die Zeit der Jokes über den BER muss jetzt zu Ende sein“, befahl Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und ordnete in Richtung Medienvertreter an, den Flughafen von nun an „positiv zu begleiten“. Die „SZ“ kam dem pflichtschuldig nach und titelte in der Nacht auf Montag auf ihrer Homepage: „Mit dem Lachen ist’s jetzt erst mal vorbei.“ | |||
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Aber wir sind hier ja nicht in Bayern! Deshalb ein unerschrockener Bericht über erste Pannen: Der BER ist noch gar nicht fertig. Den Beweis liefert PNN-Fotograf Sebastian Gabsch, in Terminal 1 fand er ein Klo ohne Wand. Nur was für Exihibitionisten. (Beweisfoto) Gar keine Toilette hat dagegen das S-Bahn-Personal. Das stille Örtchen am unterirdischen Bahnsteig ist nicht mehr zu benutzen, da das elektronische Zahlenschloss ausgefallen ist. Nach CP-Infos informierte die S-Bahn Fahrerinnen und Fahrer am Sonntagmorgen. Sie seien aufgefordert worden, bei Bedarf eine der Toiletten im Terminal 1 aufzusuchen (also die ohne Wände…). „Wenn mir nur zehn Minuten bis zur Rückfahrt bleiben, habe ich weder Zeit noch Lust durch den unbekannten Flughafen zu irren auf der Suche nach einem Klo“, sagte ein Fahrer. Die historische Eröffnung – für manche ein Griff ins Klo! | |||
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Beschissen lief auch der erste Besuch am BER von Jens Twiehaus. Nachdem er bereits zweimal als Tester (2012 und 2020) auf der Baustelle war, wollte er am Sonntag mit seiner Freundin erstmals den Flughafen besuchen – und befand sich auf einmal in Blankenfelde! Der RE7 hatte nicht am Terminal 1 gehalten und so strandeten mit Twiehaus „sieben oder acht“ weitere Personen. Für sie ging es mit der S-Bahn nach Mahlow, dann mit dem Bus 600 nach Waßmannsdorf und von dort mit der S-Bahn zum BER. „Eine Stunde extra“, sagt Twiehaus. Immerhin: „Ich kann bestätigen, dass der BER offen ist.“ Laut einem Bahn-Sprecher lag die Umleitung an einem Einsatz der Bundespolizei, es habe einen Ersatzhalt am Terminal 5 gegeben. „Wäre gut gewesen, wenn man uns das an Bord erklärt hätte“, sagt Twiehaus, der es nach CP-Infos wieder nach Hause geschafft hat. | |||
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Noch mehr Drama um den BER gibt's in den Schnuppen, erst aber ein wichtiger Sicherheitshinweis: Wer auf E-Scootern unterwegs ist, sollte bei all dem nassen Laub derzeit lieber etwas Energie rausnehmen. Schnuppen-Erfinderin Naomi Fearn spricht da aus aktuelller und eigener Erfahrung (Hüft- und Oberarmfraktur – an dieser Stelle umfassende und schnelle Genesungs-Wünsche vom ganzen Team!). Damit wir unsere Berliner Schnuppen nicht in den Lockdown schicken müssen (und für ein paar Schmunzler im Krankenhaus sorgen können), sind Sie gefragt: Wer schon immer mal exklusiv aus der R2G-WG berichten oder mit Sau Kevin durchs Unterholz trampeln wollte, hat jetzt die Chance, uns einen selbstgemalten Comic zu schicken. Wie verzweifelt unsere Situation ist, sehen Sie mit Abo in der Vollversion – mehr Talent als ich haben Sie bestimmt. Egal ob Bunt-, Blei- oder Wachsmalstift – wir freuen uns über Einsendungen an checkpoint@tagesspiegel.de. | |||
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