Supermärkte für die Innenstädte
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Rheinische Post

Morgenausgabe

Stimme
des Westens

Dorothee Krings

14. Januar 2022

Liebe Frau Do,

die Innenstädte haben nicht erst seit Corona zu kämpfen, doch seit im öffentlichen Raum Ansteckung droht, fahren noch mehr Leute zum Einkaufen lieber den Computer hoch, als zum Bummeln in die Stadt. Um Kommunen bei der Attraktivitätssteigerung ihrer Innenstädte zu unterstützen, hat NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) jetzt den Einzelhandelserlass  angepasst. Kleine Ladenlokale können etwa einfacher zusammengelegt, Supermärkte leichter in Zentren angesiedelt werden, wie Maximilian Plück berichtet. Doch wird es wohl vor allem darauf ankommen, dass Städte ihrem Innenleben wieder mehr verschaffen als das übliche Trio aus Bäcker, Discounter, Drogerie. Die Zentren müssen das bieten, was das Internet gerade nicht bieten kann: Räume – und Anlässe für reale Begegnung. Denn das ist ja das Tolle an der Stadt, dass man dort unverbindlich Menschen treffen, sich auch ohne Verabredung als soziales Wesen erleben kann. „Leute gucken“ nennt der Rheinländer das. Wer das für ein verzichtbares Vergnügen hält, hat das Menschsein nicht verstanden.

Heute wichtig:

Prinz Andrew:  Queen Elizabeth II. hat ihrem Sohn Prinz Andrew alle militärischen Dienstgrade und royalen Schirmherrschaften entzogen. Er steht wegen Missbrauchsvorwürfen in den USA vor Gericht und muss sich nun als normaler Bürger verteidigen.

Stiko: Die Ständige Impfkommission hat sich generell für eine Corona-Auffrischimpfung auch bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren ausgesprochen. Gleichzeitig hat sich der Chef der Stiko, Thomas Mertens, in der Impfpflicht-Debatte positioniert. Er ist dagegen und setzt weiterhin auf Überzeugungsarbeit.

Studenten schützen Uniklinik: Medizinstudenten haben sich in der Nacht zu Freitag schützend vor die Uniklinik in Dresden gestellt, nachdem Gegner der Corona-Politik via Telegram zu einem illegalen Aufmarsch vor dem Krankenhaus aufgerufen hatten. Hier gibt‘s die Details.

Meinung am Morgen:

Impfen: Zur Impflicht kann man stehen, wie man will, bedenklich ist, dass Kanzler Olaf Scholz seine Meinung zum Thema nur noch als Privatmensch vorbringen will, nicht mehr als Regierungschef. Dabei wäre er genau jetzt gefordert, Führungsstärke zu beweisen und dem Parlament den Willen der Regierungskoalition vorzulegen, schreibt Kerstin Münstermann in ihrem Kommentar. Die Abstimmung  könnte wegen der moralischen Dimension ja trotzdem frei bleiben. Stattdessen legt nun nicht mal mehr der amtierende Gesundheitsminister einen Entwurf vor. Dabei sei die Entscheidung über die Impfpflicht die Reifeprüfung für die neue Regierung.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Das Oberlandesgericht  Koblenz hat einen syrischen Geheimdienst-Mitarbeiter, der als Vernehmungschef in einem syrischen Gefängnis für 1000-fache Folter und die Ermordung von Gefangenen verantwortlich gewesen sein soll, zu lebenslanger Haft verurteilt. Eine Überführung des Mannes vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag war nicht möglich. So könne Deutschland  stolz sein auf seine Gerichtsbarkeit, schreibt Martin Kessler in seinem Kommentar. Denn ohne solche Urteile blieben Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungestraft. Auch habe die Entscheidung internationale Bedeutung, denn weitere Verfahren stünden an. 

Wirtschaft:  Als Wirtschafts- und Klimaschutz-Minister will Robert Habeck (Grüne) quantitatives Wachstum nicht mehr als vorrangiges Ziel des Wirtschaftens behandeln. Neuen Aufschwung sollen Investitionen in den Klimaschutz bringen, Konsumverzicht  der Nachhaltigkeit dienen. Wie das bei Ökonomen ankommt, untersucht  Birgit Marschall in ihrer Analyse. Natürlich geht sie auch der Frage nach, wie Wirtschaftswachstum, Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit überhaupt versöhnt werden können.

So gesehen: Theodor Fontane (1819 – 1898) gehörte zu den hellsichtigsten Beobachtern der heraufziehenden industriellen Moderne und hatte vielleicht gerade darum ein Herz für das Feudale. „Wer den Adel abschaffen wollte, schaffte den letzten Rest von Poesie aus der Welt“, befand er 1860. Vielleicht gilt das auch für selbsternannten Adel, für Rudolph Moshammer zum Beispiel, der eigentlich nur Modeverkäufer war, doch als Modezar auftrat, als moderner Ludwig II. mit  Föhnfrisur, als Schikeriafürst im Samtrock. In einer neuen TV-Doku wird der 2005 ermordete Moshammer nun gewürdigt, ohne dass dabei viel Neues zu Tage treten würde, wie Martin Bewerunge in seiner Kritik schreibt. Doch habe der Szenekönig mit den wechselnden Hunden namens Daisy  der bayerischen Hauptstadt das gewisse Etwas gegeben. Den letzten Rest von Poesie. Vorbei. In Bayern regiert jetzt Söder, Fontane sah es kommen, die Prosa hat gesiegt. Um ein wenig Zauber im Alltag muss sich jetzt jeder selbst kümmern. Ich wünsche Ihnen einen poetischen Tag!

Herzlich,

Ihre

Dorothee Krings

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