Wie nachhaltig diese Entwicklung ist und ob die seit der Finanzkrise 2008/09 andauernde Outperformance der Growth-Aktien gegenüber den Value-Titeln sich dauerhaft umkehrt, bleibt abzuwarten. Fakt ist für den Moment jedenfalls, dass sich konjunktursensible Aktien deutlich besser schlagen, während bei vielen Wachstums-Aktien Luft abgelassen wird. Bei vielen Anlegern, vor allem jüngeren, die nichts anderes kennen als starke Kurs-Zuwächse bei Wachstums-Aktien, ruft diese Situation Unverständnis hervor. Als gängigstes Argument hört man immer wieder, die Unternehmen würden doch so aussichtsreich in ihrem Sektor sein und hätten ein geradezu einzigartiges und zukunftsgestaltendes Angebot zu bieten. (Spätestens) an dieser Stelle ist nun eine der grundlegendsten Lektionen des Investierens zu lernen, der Unterschied zwischen Preis und Wert. „Nicht der Preis, sondern der Wert einer Anlage ist maßgeblich. Preis ist was du zahlst, Wert ist was du bekommst.“ (Warren Buffett) Viele Anleger glauben, sie könnten Aktien zu jedem Preis kaufen. Weil sich immer jemand finden wird, der ihnen diese Aktien später zu einem noch höheren Kurs abkaufen wird. Und in den letzten 10 Jahren war das auch so (hör ich hier jemanden „Wie beim Bitcoin!“ rufen; Anm. Armin Brack). Denn die Notenbanken pumpten immer mehr billiges Geld ins System, das seinen Weg an die Aktien-Märkte fand. Das simple Gesetz von Angebot und Nachfrage trieb durch das immer höhere Angebot an Geld die Kurse in die Höhe. Und jede deutliche Kurskorrektur sorgte gleich wieder für neues, zusätzliches Interesse. Dieses bewährte Konzept scheint momentan nicht mehr aufzugehen. Zinsen sind der Preis für Risiko. Bis vor kurzem waren die Zinsen an der Null-Linie und durch den steten Zustrom an billigem Geld schien es kein Risiko mehr zu geben. Die steigenden Zinsen treiben nun den Preis für Risiko-Anlagen in die Höhe. Und Wachstums-Unternehmen, die keine Gewinne erwirtschaften und noch auf lange Zeit auf Geldzuflüsse von außen angewiesen sind, sind Risiko-Anlagen. Je höher die Zinsen, desto niedriger die Bewertungs-Relationen, die Anleger für sich zu zahlen bereit sind. Und an der Börse herrscht ja kein Mangel an Wachstums-Unternehmen, die mit dem 30-fachen ihrer aktuellen Jahres-Umsätze bepreist sind. Hier hatten sich Preis und Wert entkoppelt und es besteht durchaus weiteres Abwärtspotenzial. Ungeachtet dessen, ob es sich um ein hervorragendes und sehr aussichtsreiches Unternehmen handelt. Prosus N.V. Von diesen aussichtsreichen Wachstums-Unternehmen in boomenden Branchen hat die niederländische Beteiligungsgesellschaft Prosus eine ganze Reihe in ihrem Portfolio. Dem entsprechend hat der Kurs zuletzt auch gelitten. Allerdings gibt es bei Prosus einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Zum einen ist es die Groß-Aktionärin; die südafrikanische Mutter Naspers hält rund 70 Prozent der Anteile an Prosus. Und sie war es auch, die vor einigen Jahren ihre Tochter ausgliederte und separat an die Börse brachte, wobei man erklärte, man wolle langfristig mindestens ein Viertel der Anteile behalten. Naspers ist der größte und dominierende Aktien-Wert im Börsen-Index von Südafrika, doch sein Kurs lag immer deutlich unter dem Wert seiner vielen Beteiligungen. Durch die neue Struktur und die Ausgliederung der meisten Internet-Beteiligungen in die Tochter Prosus sollte dieser Abschlag verringert werden. Was – bisher zumindest – nicht gelungen ist. Vielmehr gibt es nun einen doppelten Abschlag. Naspers mit Abstand größte Beteiligung ist Prosus, aber für eine Naspers-Aktie zahlt man viel weniger als eine Prosus-Aktie wert ist. Gleiches gilt für Prosus, denn eine Prosus-Aktie kostet viel weniger, als ihre Beteiligungen wert sind. Wer in Prosus investiert, setzt daher nicht nur auf das Beteiligungs-Portfolio, sondern erhofft sich auch eine Reduzierung dieses Kurs-Rabatts. Prosus-Beteiligungen Die Aktien von Prosus notieren seit einigen Wochen im europäischen Auswahl-Index Stoxx50 und haben dort den Konsumgüter-Hersteller Unilever ersetzt. Prosus hat eine ganze Reihe von aussichtsreichen und bekannten Beteiligungen im Depot. Bei Prosus richtet sich der Blick zumeist auf Tencent, die mit Abstand größte und wertvollste Beteiligung, an der man noch rund 31 Prozent hält. Ursprünglich waren es sogar mal mehr als 46 Prozent gewesen, für die man in der Gründungszeit von Tencent nur einige wenige Millionen US-Dollar bezahlt hatte. Tencent ist der führende Anbieter von Online-Spielen und doch auch selbst in gewisser Weise eine Art Beteiligungsgesellschaft und hat sich in den vergangenen 10 Jahren an mehr als 700 aufstrebenden Firmen beteiligt. So hält man jeweils mehr als 10% der Anteile an Pinduoduo, Meituan Dianping (18%), JD.com (18%), Snapchat (12%), Sea Limited (ca. 20%), EPIC Games oder Didi, so dass Prosus durchgerechnet jeweils mehr als 3% an diesen Firmen besitzt. Darüber hinaus hält Tencent Minderheits-Anteile u.a. an Tesla (5%), Activision Blizzard (5%), Spotify (7,5%) und Uber. Auch beim autonomen Fahren mischt Tencent mit. Die neue Kooperation mit dem chinesischen Auto- und Motorrad-Hersteller Geely soll fahrerlose und smarte Auto-Technologien vorantreiben, wobei man sich auf die Bereiche Digitalisierung, sowie autonomes und emissionsarmes Fahren fokussiert. Des Weiteren strebt „das Uber für Lastkraftwagen“ an die Börse. Das chinesische Start-up Full Truck Alliance hat kürzlich in den USA sein IPO beantragt und soll dabei Einnahmen von ein bis zwei Milliarden US-Dollar anpeilen. Bei der jüngsten Investorenrunde war es mit 12 Milliarden US-Dollar bewertet worden. Bei der chinesischen Online-Plattform für LKW-Ladungen geht es um die Vermietung und effiziente Nutzung freier Ladekapazitäten. Mehrere Millionen Fahrer sind bereits registriert und in 2020 konnte aufgrund des erhöhten Versandaufkommens in der Pandemie sogar ein kleiner Gewinn erzielt werden. Zu den Investoren bei Full Truck Alliance, die in China als Manbang firmiert, zählen unter anderem Tencent, Softbank Group, CapitalG (Alphabet), Permira und Yunfeng Capital, der Investmentfonds von Alibaba-Gründer Jack Ma. Prosus selbst ist stets auf der Suche nach der „neuen Tencent“ und hat eine Vielzahl von interessanten Werten mit Potenzial im Depot. Zu diesen gehört auch die in den deutschen Auswahl-Index DAX aufgestiegene Lieferplattform Delivery Hero (21,0%), aber auch mail.ru (28,0%), OLX (100,0%), Avito (100,0%), PayU21 (98,8%), iFood (54,8%), SwiggyEtail (38,8%), MakeMyTrip (42,6%) oder SimilarWeb (24,2%). Zahlen überzeugen Die zuletzt vorgelegten Unternehmenszahlen konnten überzeugen. Prosus steigerte den Umsatz in den ersten 6 Monaten des Geschäftsjahrs um 32 Prozent auf 1,27 Milliarden US-Dollar und legte vor allem in den Bereichen Lebensmittel-Belieferung, Einzelhandel und Bildung deutlich zu. So gab es 141 Prozent Umsatz-Wachstum bei der Lieferung von Lebensmitteln, 70 Prozent bei eTail (E-Commerce) und 54 Prozent bei edTech (Education Technologies). Der Handelsgewinn stieg um 43 Prozent auf 2,7 Milliarden US-Dollar nach 1,9 Milliarden im Vorjahr, da sich die Aktienkurse und Bewertungen der Beteiligungen deutlich erhöht haben gegenüber dem 30. Juni 2019. Aber auch operativ gab es bedeutsame Fortschritte. Der Kerngewinn stieg um 29 Prozent von 1,7 auf 2,2 Milliarden US-Dollar, was auf die verbesserte Rentabilität der E-Commerce-Einheiten und den wachsenden Beitrag von Tencent zurückzuführen ist. Der Free Cashflow sprang von 14 auf 370 Millionen US-Dollar und das ist vor allem auf geringere Verluste im Bereich Lebensmittel-Lieferung, ein starkes Working-Capital-Management und die Erhöhung der Dividende von Tencent um 81 Millionen US-Dollar zurückzuführen. Der hohe Cash-Bestand und der starke Free Cashflow sollen nicht mehr nur für Beteiligungskäufe genutzt werden; hier kam Prosus aufgrund der inzwischen sehr hohen Bewertungen zuletzt nicht zum Zug. Stattdessen kauft man nun eigene Aktien im Volumen von insgesamt 5 Milliarden US-Dollar zurück. Hiervon sollen 1,4 Milliarden in Prosus-Aktien fließen und 3,6 Milliarden in die Aktien der Mutter Naspers, die noch rund 70 Prozent der Prosus-Anteile hält. Trotz der Aktien-Rückkäufe hat Prosus genügend „Dry Powder“, um auch weitere Zukäufe tätigen zu können. Insbesondere der Bereich Essens-Lieferungen dürfte weiter im Fokus stehen. Hier hält Prosus 21 Prozent am DAX-Wert Delivery Hero, aber auch knapp 55 Prozent an iFood und eine signifikante Beteiligung an JustEatTakeaway, die in Deutschland mit Lieferando Marktführer sind. Im weitesten Sinne auch mit Lebensmitteln hat ein anderes Engagement von Prosus zu tun. So hat Prosus Ventures eine neue Finanzrunde von 30 Millionen US-Dollar für das Indische Agritech-Startup DeHaat angeführt, eine Online-Plattform, die Landwirten umfassende landwirtschaftliche Dienstleistungen anbietet. DeHaat hat nun bereits 46 Millionen in Finanzierungsrunden eingesammelt, da das indische Unternehmen trotz der Pandemie sein beschleunigtes Wachstum beibehalten will. Ebenfalls in Indien will Prosus Ventures rund 200 Millionen US-Dollar in die indische Online-Apothekenplattform PharmEasy investieren, was die Bewertung von PharmEasy auf über eine Milliarde US-Dollar heben würde. Daneben beabsichtigt Prosus, auch sein Portfolio an Gesundheits-Unternehmen zu erweitern, insbesondere Plattformen, die sich auf ältere Menschen und ihre Versorgung konzentrieren. In diesem Segment hatte Prosus vor einiger Zeit das US-Unternehmen Honor gekauft und das in San Francisco ansässige Start-up sammelte im Oktober 140 Millionen US-Dollar in einer neuen Finanzierungsrunde von neuen und bestehenden Aktionären, einschließlich Prosus, um sein Wachstum zu beschleunigen. Tencent bleibt das Maß der Dinge So attraktiv die vielen anderen Beteiligungen sind, Prosus hängt weiterhin an der Entwicklung von Tencent, denn der 31%-Anteil ist knapp 200 Milliarden Euro schwer. Prosus selbst wird aktuell mit weniger als 150 Milliarden Euro an der Börse bewertet, so dass alle anderen Beteiligungen gar nicht berücksichtigt zu sein scheinen. Doch auch bei Tencent ist nicht alles Sonnenschein. Das Unternehmen sieht sich in China starkem regulatorischen Gegenwind ausgesetzt, wo die Regierung das Duopol von Alibaba und Tencent zugunsten kleinerer Wettbewerber aufbrechen will. Insbesondere ihr monopolitisches Gebaren gerät ins Fadenkreuz und so müssen beide nun auch Händler auf ihre Plattform lassen, die bisher beim Konkurrenten angeboten haben. Und sie müssen die Zahlungsdienste von Wettbewerbern auf ihren Plattformen zulassen. Darüber hinaus werden ihre Finanzarme stärker unter Beobachtung und an die kurze Leine genommen. Alibaba musste daher vor einem halben Jahr das IPO der Finanztochter Ant abblasen und die Regierung macht weiter mächtig Druck, das Unternehmen viel stärker zu regulieren und ihm immer teurere Eigenkapitalanforderungen aufzuerlegen. Auch Tencent hat hier als zweitstärkster Player im Markt nicht mit Schonung zu rechnen. Prosus NV (ISIN: NL0013654783) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 21e/22e/23e | Kurs | A2PRDK / 1TY | 153 Mrd. EUR | 31 / 33 / 26 | 93,60 EUR |
Mein Fazit: Die Korrektur bei den Technologie-Werten trifft Prosus selbst, aber auch sein Beteiligungs-Portfolio. Viele dieser Unternehmen, auch solche von Tencent, streben aktuell an die Börse und das spült den Müttern jeweils satte Einnahmen in die Kasse. Geld, das dann für weitere, neue Beteiligungen zur Verfügung steht oder für Aktien-Rückkäufe und Dividenden. Das bedeutet nicht, dass die Aktien von Prosus nicht noch weiter fallen können. Aber Prosus hat direkt und indirekt über Tencent die Zukunft im Portfolio und viele dieser Unternehmen werden unsere Zukunft maßgeblich mit prägen, während andere die hohen an sie gesteckten Erwartungen enttäuschen und vielleicht sogar Pleite gehen werden. Über den Kauf von Prosus-Aktien kann man sich die eigene Aktien-Auswahl im Wachstums-Sektor sparen und auf einen ausgewiesenen Kenner und Könner in dem Sektor setzen. Um weit überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, reicht es aus, einige wenige Multibagger zu erwischen – wie es Prosus mit Tencent gelungen ist oder der Softbank Group mit Alibaba. Der deutliche Abschlag des Prosus-Kurses zu seinem inneren Wert stellt durchaus eine Sicherheitsmarge dar, obwohl auch dieser Abstand noch größer werden kann und sich nicht zwangsläufig verringern muss. Auch bei Prosus-Aktien ist der Kurs immer das Ergebnis von Angebot und Nachfrage und der wahre Wert der Aktie steht nur selten auf der Anzeigen-Tafel. Oder mit den Worten von Charlie Munger, Buffetts kongenialem Partner: „Jedes intelligente Investieren ist das Investieren in Werte. Mehr bekommen, als das, wofür du bezahlst“.
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“. | |
Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Prosus. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen & ein schönes Wochenende wünscht Dir Dein Armin Brack Chefredakteur Geldanlage-Report >> Die nächste Ausgabe erscheint am 3. April Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Gerne kannst Du uns auch Themenvorschläge unterbreiten. Fragen und Anregungen bitte per Mail an redaktion@geldanlage-report.de Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten! Hier kommst Du zu Tradesignal Online. Geldanlage-Report weiterempfehlen! Wir würden uns freuen, wenn Du den Geldanlage-Report Deinen Freunden und Kollegen weiterleiten würdest! Kostenlose Anmeldung unter www.geldanlage-report.de |