Cicero Neue Ausgabe
 
 
 
 
 
Liebe Leserinnen und Leser,
 

im Dunkeln ist bekanntlich gut munkeln. Diese pragmatische Feststellung stammt vermutlich schon aus dem 17. Jahrhundert und geht zurück auf den Barock-Satiriker Johann Michael Moscherosch und dessen Buch „Wunderbahre Satyrische gesichte verteutscht durch Philander von Sittewald“. Benjamin Strasser, seines Zeichens nach Rechtsanwalt, FDP-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Untersuchungsausschusses, der sich ein Gesamtbild zu dem Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin verschaffen sollte, weiß, dass Moscheroschs Weisheit auch im 21. Jahrhundert ganz sicher noch Gültigkeit hat. 

 

Immer wieder, so erzählt Strasser im Cicero-Interview, sei er bei den Untersuchungen zum Fall Anis Amri auf systemische Probleme bei Polizei und Nachrichtendiensten gestoßen, auf verschlossene Akten und auf Behinderung der Aufklärungsarbeit. „Wir haben als Opposition zweimal gerichtlich klagen müssen, einmal auf Aktenherausgabe, die man uns nicht geben wollte. Da haben wir vor dem Bundesgerichtshof gewonnen. Und ein zweites Mal vor dem Bundesverfassungsgericht“, sagt Strasser, der gegenüber dem Cicero für eine Reform der föderalen Sicherheitsstruktur sowie für eine Änderung bei der parlamentarischen Kontrolle wirbt:  „Die parlamentarischen Zügel bei der Kontrolle von Nachrichtendiensten müssen massiv angezogen werden. Wir haben ein sogenanntes Parlamentarisches Kontrollgremium, in dem neun von 709 Abgeordneten des Deutschen Bundestages sitzen. Dieses Gremium tagt geheim. Und es wird vor allem von den Behörden informiert, die man kontrollieren soll.“

 

Im Dunkeln ist eben …  na, Sie wissen schon. Das haben übrigens nicht nur Strasser und Moscherosch erkannt, das weiß auch die chinesische KP, die am heutigen 1. Juli ihren 100. Geburtstag feiert. Doch während in Peking die Agitationen und Propagandaschauen in hellem Licht erstrahlen, liegt die Sonderverwaltungszone Hongkong mehr und mehr im Schatten der Aufmerksamkeit. Dabei ist es erst knapp zwei Jahre her, dass in der einstigen britischen Kronkolonie eine Protestwelle gegen ein geplantes Auslieferungsgesetz mit China losbrach. Heute ist es um diese Proteste ruhig geworden. Führende Köpfe sitzen im Gefängnis und kritischen Stimmen wird immer öfter der Saft abgedreht. Cicero sprach daher mit einem Hongkonger Studenten, der vor zwei Jahren noch mit der Demokratiebewegung auf die Straße gegangen ist, und der heute immer öfter Angst davor hat, seine Meinung offen zu sagen: „Viele Hongkonger haben ihren Glauben an Veränderung verloren. Noch während der Corona-Pandemie wurden wichtige Anführer der Proteste verhaftet, und im Juni 2020 wurde das neue Sicherheitsgesetz verabschiedet. Von da an wurden unsere schlimmsten Albträume wahr.“  

 

Das Interview, das Alissa Kim Neu mit dem Hongkonger Aktivisten geführt hat, ist, wie jeder andere Artikel auf cicero.de auch, der Versuch, etwas Licht ins Dunkel zu bekommen. Hoffentlich wird das Munkeln hernach klarer.
 

Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur

 
 
 
 
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