Es gibt wohl in der "westlichen Welt" keine Aktie, die mehr diskutiert wird als Tesla. Das ist eigentlich erstaunlich, denn was die Marktkapitalisierung betrifft gehört der Elektroauto-Pionier mit derzeit knapp 40 Milliarden US-Dollar sicher nicht zu den richtig großen Titeln am US-Markt. Auch an der Kursentwicklung kann es nicht liegen, zumindest nicht was die letzten fünf, sechs Jahre betrifft. Da trat Tesla unter dem Strich nämlich – unter großen Schwankungen – auf der Stelle. Worum es geht ist eher eine Art allgemeine Faszination für die Autos selber und den exzentrischen Gründer Elon Musk. Klar festzuhalten ist aber auch, dass es seit Anfang des Jahres rapide bergab ging mit Tesla – und zwar entgegen dem allgemeinen Markttrend, was das Ganze vom Prinzip her umso bedenklicher macht. Ich bin in der letzten Ausgabe bzw. in den letzten Videos auch schon auf die Hintergründe eingegangen. Was bewegt den Kurs im Moment: Zunächst mal steigt Tesla nun tatsächlich ins Autoversicherungsgeschäft ein – zumindest in Kalifornien. Die Idee dahinter: Tesla-Fahrer seien durch die besseren Fahrassistenzsysteme sicherer unterwegs als andere Autofahrer. Daher müssten sie auch weniger Versicherungsprämien bezahlen. Einsparungen von 30 Prozent seien möglich und Tesla könnte dann immer noch Geld verdienen, so zumindest der Plan. Ob das so sein wird, bleibt abzuwarten. Aber immerhin ist eine gute Idee, die nun auch umgesetzt wird. Dadurch, dass Versicherungsprämien ja im Voraus fällig sind, könnte sich auch die Liquiditätssituation von Tesla verbessern. Klar ist aber auch: Wirklich kursbeeinflussend ist diese Meldung eher nicht gewesen. Im Fokus bleibt stattdessen der weiter relativ schwache chinesische Markt. Dan Ives, Tesla-Analyst bei Wedbush Securities, sieht zumindest konstante Nachfrage aus Europa und hier speziell aus den Niederlanden und Deutschland. Die Frage ist aber, ob das wirklich die Delle in China ausgleichen kann. Wedbush selber bleibt pessimistisch und sieht eine insgesamt schwächere Nachfrage und steigenden Margendruck, weil mehr und mehr Umsätze auf das Model 3 entfallen. Unterdessen gab es am Freitag auch zwiespältige News aus China. Tesla hat die Verkaufspreise wegen des schwächeren Yuans (Renmimbi) wieder erhöht. Das Problem dabei: Die Kosten fallen ja im starken US-Dollar an (weil in den USA produziert wird) und wenn der Yuan nun schwächer wird, sinken die Umsätze in US-Dollar und damit letztlich die Marge. Immerhin hat sich der (politisch gesteuerte) Yuan zuletzt stabilisiert. Wichtiger ist aber wohl eine andere Meldung: Tesla wird von den erhobenen Zöllen auf Autoimporte nach China ausgenommen. Das ist einem Statement des chinesischen Industrieministers auf dessen Webseite zu entnehmen. Der Hintergrund: Peking will die Elektroauto-Industrie wieder stärker unterstützen, nachdem zuvor ja die Subventionen für die einheimischen Elektroauto-Bauer zurückgenommen worden waren (es gab hier zuviel Subventionsmissbrauch). Diese Entwicklung ist auf jeden Fall positiv für Tesla, die ja ohnehin gerade eine eigene Gigafactory in China bauen, die Ende des Jahres die ersten Autos produzieren soll. Damit würde Tesla dann potenziellen weiteren Zöllen großteils entgehen. Und: Wallstreet Journal-Autoexperte Jacky Wong sieht Licht am Ende des Tunnels im chinesischen Automarkt. Nach 13 Monaten mit rückläufigen Autoverkaufszahlen war der Rückgang im Juli mit 4,3 Prozent relativ moderat. Zudem erhöht Peking den Druck auf die regionalen Regierungen, mehr Anreize zum Kauf von Elektroautos zu schaffen. Auch das würde Tesla natürlich Aufwind geben. Letztlich entscheidend ist aber wohl, ob die Nachfrage in China insgesamt so hoch ist, wie Musk sich das erhofft. Tesla will ja zukünftig in China pro Jahr 150.000 Autos verkaufen. Zum Vergleich: Die beiden führenden chinesischen Elektroauto-Hersteller haben im ersten Halbjahr 2019 weniger als 50.000 Autos verkauft und das obwohl der eine Hersteller mit seinem Konkurrenzprodukt um 65 Prozent günstiger als Teslas Model 3 ist und der andere um 35 Prozent. Insofern ist das Ziel von Tesla – wieder mal – sehr ambitioniert. Das heißt: Vom traditionellen Standpunkt aus, soll heißen: von den aktuellen Verkaufszahlen her gesehen, geht Tesla wohl schwierigen Monaten entgegen. Mit meiner Vermutung aus dem Juli, dass die fürs zweite Halbjahr 2019 von Musk in Aussicht gestellte Profitabilität wieder mal nicht erreicht wird, dürfte ich richtig liegen. Tesla als Technologie-Firma Für alle die Tesla vor allem als "normalen" Autohersteller sehen, der deshalb auch mit normalen Bewertungsmaßstäben gemessen werden muss, ist das Urteil sowieso klar: "Tesla verkaufen. Die Aktie ist viel zu teuer", wiederholen diese fast gebetsmühlenartig. Sie ignorieren dabei aber eben einen anderen Aspekt von Tesla: Das Unternehmen ist eben auch eine Technologie-Firma – und beim technologischen Know-how scheint Tesla seinen Wettbewerbern weiter weit voraus zu sein. Ein Beispiel: Bei der August Hot Chips-Konferenz in Palo Alto, Kalifornien, hat Tesla einen selbstentwickelten Halbleiter Chip im Bereich Künstliche Intelligenz für selbstfahrende Autos vorgestellt, die die 21-fache Performance eines Nvidia-Graphik-Chips hat und noch dazu 20 Prozent günstiger ist. Möglich wird das dadurch, dass Tesla nicht die Flexibilität eines Graphikprozessors im PC braucht, der alle möglichen Aufgaben erfüllen muss. Er muss nur ganz bestimmte Tasks beherrschen und kann deshalb auf Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit optimiert werden. Die Bullen argumentieren, dass das ein Teil der "secret sauce" ist, die dafür sorgt, dass Tesla technologisch weiter ist als die Konkurrenz und daher auf Dauer den Elektroauto-Markt dominieren wird. Die Frage ist halt, ob das wirklich stimmt. Ich bin ja in der Vergangenheit schon öfter auf die unterschiedlichen technologischen Ausrichtungen bei der Selbstfahr-Technologie eingegangen. Tesla gilt als führend beim so genannten assistierten Fahren. Gemeint sind damit Spurhalte-Assistenten u.ä., nicht aber bei echtem autonomen Fahren komplett ohne Fahrer. Die meisten Experten sehen hier Googles Waymo als führend an. Warum? Als Basis-Technologie beim Autonomen Fahren gilt die so genannte "detection layer", wörtlich übersetzt: die Entdeckungsschicht. Damit ist gemeint, dass die Selbstfahr-Technologie in jedem Fall in der Lage ist andere physische Objekte zu entdecken und es somit vermeiden kann, in diese Objekte zu crashen. Das ist natürlich nur die Basis des Systems. Es kommen dann viele weitere Aspekte hinzu wie das Interagieren mit anderen menschlichen Fahrern, das Befolgen der Verkehrsregeln, das Handling von komplexen Verkehrssituationen, die präzise Positionierung, die Navigation etc. Kritiker sagen aber, dass Tesla eben bei dieser grundlegenden "detection layer" schon Probleme hat, weil es sonst nicht passieren würde, dass Teslas immer wieder in andere statische Gegenstände rauschen. Das soll u.a. damit zusammen hängen, dass Tesla nicht die LIDAR-Technologie verwendet. LIDAR ist eine dem Radar verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. Statt der Radiowellen wie beim Radar werden Laserstrahlen verwendet. LIDAR hilft, um Positionen, Richtungen und Geschwindigkeiten genau zu kennen. Tesla dagegen muss mit einem Video- und Radar-Feed auskommen und versucht damit eine ebenso hohe Zuverlässigkeit bei der Objekterkennung zu erreichen wie Google. Tesla hat eine grobe Landkarte der Straßen an einer Kreuzung, die aber nicht direkt mit dem Video- und Radar-Feed übereinstimmt. Das Google-Auto dagegen hat nicht nur eine exakte 3D-Karte der Umgebung. Es kann sie dank LIDAR auch mit dem, was es sieht, in Beziehung zu setzen. Alle Sensoren können dann präzise mit der vorhandenen 3D-Karte kalibriert werden. Das Tesla-Auto dagegen muss versuchen, die ganze Szenerie quasi mit Hilfe künstlicher Intelligenz zu interpretieren und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Das Motto heißt: Trainieren statt programmieren. Das wird auch als maschinelles Lernen oder Deep Learning bezeichnet. Es werden dabei die neuronalen Netze geschaffen, die ich oben angesprochen habe. Die sind wie ein menschliches Gehirn aufgebaut und stellen Assoziationen zwischen der Umgebung des Autos und den daraus resultierenden Fahraufgaben her. Teslas haben entsprechend inzwischen mit insgesamt über 1,2 Milliarden auf Autopilot gefahrenen Meilen wesentlich mehr Erfahrungen in der "echten" Welt (mit entsprechenden Rückmeldungen an die neuronalen Netze) als zum Beispiel Waymo-Fahrzeuge, die nur 10 Millionen Meilen autonom in der "echten" Welt zurückgelegt haben. Dafür haben Waymo-Autos aber 10 Milliarden Meilen in der Simulation zurückgelegt. Interessant ist, dass Tesla mit seiner Herangehensweise ziemlich alleine ist. Die Konkurrenz wie Google, aber auch Uber und z.B. General Motors setzen mit ihrem Ansatz alle auch auf LIDAR. Tesla, Inc. (ISIN: US88160R1014) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 18/19e/20e | Kurs | A1CX3T / TSLA | 39 Mrd. USD | neg. / neg. / 50 | 225,40 USD | MEIN FAZIT: Ich bleibe sehr skeptisch gegenüber Tesla eingestellt und rate von einem Kauf ab. Was die Verkaufszahlen betrifft dürften die nächsten Monate schwierig werden und was die Technologie beim extrem wichtigen autonomen Fahren betrifft, befindet sich Tesla in einer Außenseiterrolle. Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es können daher keine Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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