Er ist ein Entrepreneur alter Schule, der den Menschen Visionen verkauft und ihnen dafür das Geld aus der Tasche zieht. Doch anders als die South Sea Company, die mit der „South Sea Bubble“ unrühmliche Wirtschafts- und Börsengeschichte schrieb oder der legendäre P. T. Barnum verkauft Elon Musk nicht nur heiße Luft, sondern er liefert auch. Tesla ist der erfolgreichste Hersteller elektrobetriebener Autos und SpaceX eines der erfolgreichsten Raumfahrt-Unternehmen der Gegenwart. Dabei hat erst der Eintritt privater Unternehmen wie SpaceX, Blue Origin von Jeff Bezos oder Virgin Galactic von Sir Richard Branson die Kosten in der Raumfahrt-Industrie dermaßen gedrückt, dass sie kommerziell nutzbar wurde. Das große Aushängeschild von Elon Musk ist aber Tesla. Innerhalb von nur 2 Jahren hatte sich der Aktienkurs bis November 2021 glatt ver-10-facht und Musk damit zum reichsten Menschen der Welt gemacht. Tesla war an der Börse mehr wert als alle anderen Autohersteller der Welt zusammen! Doch das war auch der Höhepunkt, der Rest ist bekannt: Steigende Preise und Lieferengpässe führten zu 2-stelligen Inflationsraten, der Ukraine-Krieg befeuerte dieses Szenario noch in Form explodierender Energie-Preise, worauf die Notenbanken mit radikalen Zinserhöhungen reagierten und so die Wirtschaft abwürgen, um die Inflation einzudämmen. Inzwischen geht kaum noch jemand davon aus, dass Europa oder die USA nicht mit Volldampf auf eine Rezession zusteuern. In der Folge stürzten auch die Börsenkurse ab und machten 2022 zu einem der schlechtesten Börsenjahre aller Zeiten. Insbesondere Technologie- und Wachstums-Aktien verloren 2-stellig, nicht selten mehr als 50% oder manchmal sogar mehr als 90% vom 2021er Hoch. Auch Tesla stürzte gnadenlos ab: Innerhalb von 6 Monaten ging es von 400 Richtung 200 US-Dollar runter, dann erfolgte im Herbst eine Erholungs-Rallye Richtung 300 US-Dollar. Bis Ende Dezember brach der Kurs dann nochmals um mehr als zwei Drittel ein und stoppt nur marginal über der psychologisch wichtigen Marke von 100 US-Dollar. Elon Musk fuhr in 2022 einen Rekord ein, denn noch nie hatte ein Mensch zuvor mehr als 200 Mrd. US-Dollar in einem Jahr verloren. Blick nach vorne, nicht (nur) zurück Ein gewaltiger Kurseinbruch, doch im Vergleich zu den anderen Autoherstellern ist Tesla noch immer sehr hoch bewertet. Ob sich die Aktie für ein Investment lohnt, macht sich auch an der Bewertung fest und nicht nur an den – hoffentlich – rosigen Aussichten. Neben der allgemeinen Marktschwäche gibt es bei Tesla viele hausgemachte Probleme und Herausforderungen, aber auch Chancen. Tesla ist führend im Bereich der E-Autoproduktion und konnte in den letzten Jahren viele Kunden gewinnen. Zeitgleich wurden die Produktionskapazitäten weltweit hochgefahren, so dass immer mehr Teslas vom Band rollen. Der Erfolg ist auch darauf zurückzuführen, dass die Wettbewerber Tesla lange nicht ernst genommen und völlig unterschätzt haben. Inzwischen haben alle den Zeitgeist verstanden und investieren Milliarden-Beträge, um aufzuholen. Mit Erfolg, denn es kommen hunderte von E-Automodellen auf den Markt, wo sie auf großes Interesse der treuen Kunden stoßen. Im größten Wachstumsmarkt China ist die Lage aber eine andere. Dort stehen die Kunden nicht so sehr auf Marken, sondern auf technische Gimmicks. Auch deshalb tun sich die westlichen Automarken schwer im EV-Sektor, wo ihnen die chinesischen Hersteller total den Rang ablaufen. Und auch Tesla hat zu kämpfen; mal gab es Produktionsausfälle im Werk in Shanghai wegen Corona, mal wegen Lieferengpässen, und nun musste Tesla wegen der Absatzschwäche die Preise radikal senken. Kein gutes Zeichen. Als Sportwagen-Hersteller erreichte Tesla schnell Kultstatus, aber als Hersteller von Massen-PKWs kann man nicht so sehr glänzen. Immer häufiger treten Produktionsmängel auf mit teuren und imageschädigenden Rückrufaktionen. Massenproduktion haben die anderen Hersteller viel besser drauf aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung. Andererseits wagt sich Tesla an neue Methoden, wie z.B. der Technologien wie der Gigapresse, einer riesigen Maschine, die aus einer 750 Grad heißen Aluminiumlegierung komplette Teile der Karosserie herstellt. Das reduziert Fehler, Gewicht, Kosten und stellt einen großen Wettbewerbsvorteil dar. Darüber hinaus hat Tesla die Software für seine Fahrzeuge selbst entwickelt, was andere Hersteller nicht auf die Reihe kriegen (so wie VW, zumindest bisher). Und auch beim autonomen Fahren, wo Tesla mit großen Problemen zu kämpfen hatte, hat man einen neuen anderen Weg gewählt als die „klassischen LIDAR-Systeme“ der Wettbewerber: Tesla will nun das neue „4D Imaging Radar“ einsetzen. Im Erfolgsfall könnte Tesla damit einen weiteren großen Wettbewerbsvorteil erzielen. Doch Tesla ist noch mehr als E-Automobilherstellung. So entwickelt und produziert Tesla Batteriespeicher, Photovoltaik-Anlagen, Solardachziegel und die Powerwall Gleichstrom-Schnellladestationen Tesla Supercharger. Auch wenn die Tesla-Autos das Aushängeschild sind, ist Tesla eher ein Elektrifizierungs-Unternehmen und man kann starke Parallelen ziehen zwischen Thomas Alva Edison und Elon Musk. Auch Edison war ein Visionär und hatte die Fähigkeit, seine Erfindungen marktfähig zu machen. Anders als Musk war er auch Erfinder – und, Ironie der Geschichte, leistete sich einen jahrzehntelangen Wettstreit mit Nikola Tesla, der mit seinen Erfindungen nicht einmal ansatzweise so viel Erfolg hatte. Aber sie waren nicht minder wichtig für die Geschichte der Elektrizität und daher trägt das Unternehmen den Namen Tesla nicht ohne Grund. Glücks- und Problemfall Elon Musk Die treibende Kraft hinter Teslas Erfolg ist Elon Musk, und ohne ihn wäre das Unternehmen heute wohl nur eine Randnotiz der Geschichte, wenn überhaupt. Er hat die Vision geformt und verkauft, er hat immer wieder das dafür nötige Geld von Investoren eingeworben und es an den richtigen Stellen eingesetzt. Das gilt auch für SpaceX. Tesla ohne Musk ist kaum vorstellbar – ohne einen CEO Musk allerdings durchaus. Denn Musk ist auch ein Problembär. Er trollt sich durch Twitter, legt sich mit der US-Börsenaufsicht an, manipuliert ungeniert Aktienkurse, nicht nur den von Tesla, und sorgt spätestens als Chef und Eigentümer von Twitter für reichlich negative Publicity. Die Stimmen, dass Musk als CEO von Tesla zurücktreten solle, werden immer lauter. Und für Tesla wäre das wohl das Beste. Auch andere Wachstums-Unternehmen gingen diesen Schritt, und wuchsen danach über sich hinaus. So wie Google, dessen Gründer ihre Posten räumten und mit Eric Schmidt einem erfahrenen CEO das Steuer überließen, der die Suchmaschine zu einer der stärksten Geschäftsmodelle der Welt ausbaute. Gut möglich, dass sich Musk dem Druck beugt. Unlängst hat er Tom Zhu als neuen zweiten Mann bei Tesla installiert. Zhu war bisher Teslas China-Chef und wird künftig Musks Stellvertreter sowie Boss über die US-Fabriken sowie den Vertrieb in den USA und Europa. Und auch bei Twitter hat Musk angekündigt, einen neuen CEO zu suchen, nachdem eine deutliche Mehrheit bei einer von ihm selbst gestarteten Twitter-Umfrage ihn als CEO abgelöst sehen wollte. Sollte Musk den Chefposten bei Tesla räumen, wäre er dennoch weiterhin dessen Großaktionär und meinungsprägender Einflussfaktor. Nur das Tagesgeschäft würde professionalisiert, was dem Unternehmen eher nicht schaden würde. Haben E-Autos Zukunft bei Tesla? Eine wichtige Zukunftsfrage betrifft das Kernsegment Automobilbau. Heute dominiert die Produktion von E-Autos das Unternehmen, aber schaut man sich die Qualität der Fahrzeuge an, ist Tesla allenfalls zweitklassig. Zudem ist Automobilbau sehr kapitalintensiv und ein stark zyklisches Geschäft. Bedenkt man zudem, dass Musks wahrer Traum die Besiedlung des Mars ist, dann ist die Frage durchaus berechtigt, ob Tesla wirklich dauerhaft Autos herstellen will. Sie könnten auch nur Mittel zum Zweck sein, weil sie das Paradebeispiel für eine elektrisierte und CO2-minimierte Zukunft sind: quasi eine Zukunftsvision zum Anfassen. Tesla könnte sich irgendwann von der Autoproduktion trennen und sich als Dienstleister und Zulieferer positionieren. Software für Autos zu produzieren, Steuerungssysteme für autonomes Fahren, Elektrobatterien und Ladestationen könnte Tesla auch ohne eigene Autoproduktion herstellen, nachdem der Durchbruch für die E-Autos gelungen ist. Darüber hinaus ist Tesla in weiteren Zukunftstrends führend, wie der Künstlichen Intelligenz und der Robotik, wo man Anfang letzten Jahres den ersten Prototyp des humanoiden Roboters "Optimus" vorgestellt hat. Tesla, Inc. (ISIN: US88160R1014) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 22e/23e/24e | Kurs | A1CX3T / TSLA | 343 Mrd. USD | 31 / 24 / 18 | 109,89 USD |
Unser Fazit Tesla ist unter Druck, weil viele Anleger mit der Aktie viel Geld verloren haben in den letzten 12 Monaten. Und nicht wenige lasten dies Elon Musk und seinen vielen Eskapaden an, auch und vor allem seit seiner Twitter-Übernahme. Insofern wäre es wohl kein schlechter Zug, seinen CEO-Posten abzugeben und lieber etwas mehr hinter den Kulissen seine Visionen zu verfolgen. Eine Professionalisierung des Alltagsgeschäfts würde Tesla und Twitter gut tun und auch anderen seiner Firmen. Seine Boring Company z.B. hat bisher fast nur große Versprechen geliefert, aber kaum bis keine Resultate. Auch das färbt negativ auf Tesla ab, weil sich hier ein Muster zeigt. Neue Modelle werden großspurig angekündigt und Anzahlungen von Kunden eingesammelt, aber dann lassen die neuen Modelle oft jahrelang auf sich warten. Der 2019 vorgestellte Cybertruck wurde immer wieder verschoben; nun soll es Mitte 2023 mit der Produktion losgehen. Zu große Versprechen, zu oft nichts dahinter – aber eben nicht immer. Musk liefert auch und das nicht selten spektakulär. Auch deshalb wollen so viele, dass er Erfolg hat, trotz seiner Eskapaden, und sie folgen ihm bereitwillig. Die einseitig positiven Vorschusslorbeeren, die Tesla 2021 einheimsen konnte, sind allerdings Geschichte. Momentan nähert sich Tesla der Bewertung anderer Autohersteller an und das würde noch sehr viel Luft nach unten lassen beim Aktienkurs. Andererseits ist Tesla eben auch viel mehr als nur ein reinrassiger Autobauer und sollte dieser Blickwinkel sich wieder an der Börse durchsetzen, stünde einem Turnaround der Notierung kaum noch etwas im Weg. Hätte Tesla nicht die Autoproduktion „am Bein“, wäre diese Frage längst entschieden. Und kein Anleger müsste sich mehr Gedanken machen, wie stark übertrieben Cathie Woods Produktionsziel von 10 Mio. Autos pro Jahr für das Jahr 2026 wohl ist – oder gar 17 Mio. Einheiten in ihrem „Bullen-Szenario“. Doch erstmal bleibt Tesla eine Autofirma und damit die Bewertung in einem besonderen Spannungsfeld. Eine tolle Vision, eine tolle Company, aber auch ein guter Preis? Verglichen mit vorherigen Bewertungen ja, verglichen mit anderen Autoherstellern nein. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Daher wird es auch und nicht zuletzt auf die allgemeine Börsenstimmung ankommen, ob und wann der Tesla-Kurs neue Impulse bekommt. Für ein „All-in“ wäre mir das eine zu wenig tragfähige Basis, als Depot-Beimischung bleibt die Tesla-Aktie interessant. PS: Wer eine optimistischere Sicht auf Elon Musk und Tesla bevorzugt, sollte sich unbedingt am Sonntag Armins YouTube-Video ansehen...
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig. | |
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte: Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: Tesla Weitere Informationen dazu findest Du hier... Meine neuesten Videos
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