Daraus errechnete sich eine Bewertung von rund 1,7 Milliarden Dollar. 10 Jahre später ist Tesla der mit großem Abstand wertvollste Auto-Hersteller der Welt. Wie ist das möglich? Gemessen am Börsenwert liegt der Elektro-Autobauer mittlerweile sogar in den Top 20 aller Unternehmen der Börsenwelt, noch vor Giganten wie Intel, Coca-Cola, Pfizer oder ExxonMobil. Seit dem COVID-19 bedingten Börsen-Crash im März ist der Aktienkurs in der Spitze um mehr als 400% gestiegen. Dabei ist das Unternehmen - zumindest auf kurze Sicht - kein Krisenprofiteur. Insbesondere die zwischenzeitliche, mehrwöchige Schließung des Hauptwerkes in Fremont im US-Bundesstaat Kalifornien hatte zunächst für regelrechte Panik unter Investoren gesorgt und der Aktie zwischen Mitte Februar und Mitte März einen Kursverlust von mehr als 60% beschert. Trotzdem überraschte Tesla vor zwei Wochen mit deutlich über den reduzierten Erwartungen liegenden Auslieferungszahlen. Obwohl die Produktion im Vergleich zum Vorquartal um rund 20% gesunken war, konnten die Auslieferungen um 3% auf 90.650 Fahrzeuge gesteigert werden. Da das Unternehmen bereits im 1. Quartal profitabel arbeitete, sollten aufgrund der leicht gestiegenen Auslieferungszahlen eigentlich auch im 2. Quartal Gewinne erzielt werden. Allerdings erwarten Analysten im Durchschnitt nach wie vor einen nennenswerten Verlust. Die offensichtliche Chance auf deutlich über den Erwartungen liegenden Quartalszahlen hat dem Aktienkurs noch einmal einen gehörigen Schub gegeben. Seit der Veröffentlichung der Produktions- und Auslieferungszahlen für das 2. Quartal ist der Aktienkurs in der Spitze um weitere 66% gestiegen. Nachdem die Tesla-Aktie immerhin 10 Jahre für das Erklimmen der 1.000 US-Dollar-Marke benötigt hatte, scheint sie jetzt nur noch wenige Wochen für die nächsten tausend Dollar zu benötigen. Erinnerungen an die Jahrtausendwende Ältere Semester mögen sich angesichts derartiger Kurssprünge binnen kürzester Zeit durchaus an die Jahrtausendwende erinnert fühlen. Seinerzeit brachten die schier unbegrenzt erscheinenden Möglichkeiten des Internets eine ganz neue Generation von Anlegern an die Börse - und bis dato vorherrschende Bewertungskriterien für börsennotierte Unternehmen zum Einsturz. Gewinnerwartungen spielten auf einmal keine große Rolle mehr. Stattdessen wurde Wachstum um beinahe jeden Preis gefordert. Das Ende des Liedes dürfte bekannt sein: Die sogenannte Dot.com-Blase platzte und hinterließ tiefe Wunden in den Technologie-Indizes und Depots der Anleger. Tatsächlich benötigte die US-Technologiebörse Nasdaq mehr als 15 Jahre um neue Hochs zu erreichen, während die Deutsche Börse das nach diversen spektakulären Betrugsfällen in Verruf geratene Äquivalent „Neuer Markt“ einige Jahre später zugunsten des neu eingeführten „TecDAX“ komplett aufgab. Parallelen zu damals drängen sich aktuell durchaus auf. Die sechs wertvollsten Unternehmen der Welt (Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Facebook, Alibaba) sind sämtlich dem Technologie-Bereich zuzuordnen. Den meisten Anlegern dürften zudem die sogenannten FAANG-Aktien mittlerweile ein Begriff sein. Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google (Alphabet) haben heute zusammen einen Börsenwert von deutlich über 5 Billionen US-Dollar. Gemessen an der Marktkapitalisierung machen alleine diese fünf Unternehmen heute rund 20% des S&P 500 und mehr als 40% des Nasdaq 100-Index aus. Und während Tesla im Nasdaq 100 bereits an Position 7 rangiert, könnte das Unternehmen schon sehr bald endlich auch in den breiter gefassten S&P 500-Index aufrücken. Zur Erfüllung der formalen Kriterien muss das Unternehmen allerdings für das 2. Quartal zwingend einen Gewinn nach dem Rechnungslegungsstandard US-GAAP ausweisen. Anderenfalls wäre Tesla auf eine Ausnahme der Index-Wächter angewiesen. Aber selbst im Falle eines Quartalsgewinns wäre die Index-Aufnahme kein Automatismus, sondern müsste zunächst vom monatlich tagenden Index-Ausschuss beschlossen werden. Allerdings dürfte das dann wohl angesichts der erreichten hohen Marktkapitalisierung nur noch Formsache sein. Eine Aufnahme würde insbesondere den Index abbildende Fonds zu zeitnahen Käufen veranlassen, was zu weiteren Kursgewinnen führen könnte – so jedenfalls die Spekulation vieler Anleger in den USA aktuell. Auf der führenden US-Privatanleger-Plattform Robinhood hat sich aufgrund der vorherrschenden Spekulationen die Anzahl der Anleger mit Tesla-Aktien im Depot in den letzten Wochen fast verdoppelt: Hier die Grafik vergrößern... Die Zahl der Tesla-Aktionäre unter den Robin Hood-Kunden ist seit Anfang des Jahres von rund 145.000 auf aktuell 480.000 gestiegen. (Quelle: RobinTrack) Zum von Tesla-Bullen generiertem Momentum gesellt sich zudem noch eine weitere, zentrale Einflussgröße, nämlich die Verluste der Tesla-Bären, sprich: der Leerverkäufer. Das Volumen der Short-Wetten gegen Tesla hat mittlerweile laut des amerikanischen Finanzdaten-Analyse Unternehmens S3 Partners historisch einmalige 20 Milliarden US-Dollar erreicht. Noch höher sind allerdings die bereits in diesem Jahr aufgelaufenen Verluste für Leerverkäufer, die S3 Partners mit sage und schreibe 23,2 Milliarden US-Dollar beziffert. Die sich auftürmenden Verluste zwingen viele Leerverkäufer zum Eindecken ihrer Position, sei es aus Gründen des Risiko-Managements oder schlichtweg durch einen Margin Call des Brokers. Das Resultat ist der vielbeschriebene „Short Squeeze“, in dem erzwungene Eindeckungen von zuvor leer verkauften Aktien den Kurs weiter in die Höhe treiben. Tatsächlich ist jedoch die Anzahl der leer verkauften Tesla-Aktien seit einiger Zeit stark rückläufig, einen vorübergehenden Anstieg gab es nur auf dem Höhepunkt der COVID-19 Panik. Ende Juni waren noch knapp 14 Millionen Aktien leer verkauft verglichen mit mehr als 26 Millionen Aktien zum Jahresende 2019 und mehr als 40 Millionen Aktien zum 30. Juni 2019. Der Grund für den Rückgang an leer verkauften Aktien liegt auf der Hand: Der extrem gestiegene Aktienkurs. Wer vor einem Jahr mit 50.000 Dollar gegen Tesla wetten wollte, musste noch knapp 200 Aktien shorten – heute dagegen nur noch rund 30. Auf diese Weise ist zwar die Menge an leer verkauften Aktien im Zeitablauf gesunken, das absolute Dollar-Volumen der Wetten gegen die Tesla-Aktie hat sich jedoch in den letzten 12 Monaten verdoppelt. „Bären bitte in der Höhle bleiben“ Am Montag, den 13. Juli konnte man die enorme Dynamik der Aktie besonders gut beobachten, nachdem vorbörslich die Analysten der vergleichsweise kleinen Investment-Bank Piper Sandler ihr Kursziel kurzerhand von 939 US-Dollar auf gewaltige 2.322 US-Dollar angehoben hatten. In der Spitze legte die Aktie daraufhin bei hohem Volumen um mehr als 15% oder knapp 50 Milliarden US-Dollar an Börsenwert zu; nur um dann letztendlich den Tag im Minus zu beenden, nachdem die führenden Indizes im späten Handel stark eingebrochen waren. Selbst die insbesondere aus bewertungstechnischen Gründen seit einiger Zeit skeptisch eingestellten Analysten der führenden Investment-Banken Barclays und Morgan Stanley haben zuletzt eingeräumt, dass zumindest auf kurze bis mittlere Sicht keine relevanten negativen Ereignisse absehbar erscheinen, die dazu geeignet wären das Momentum der Aktie nachhaltig zu stoppen. Der wörtliche Rat des Barclays-Analysten lautete entsprechend, dass Tesla-Bären doch bitte vorerst in ihrer Höhle bleiben sollten. Selbst sich häufende Berichte über gravierende Qualitätsmängel bei der Produktion des neuen Model Y hatten bislang keinen spürbaren Einfluss auf den Aktienkurs. Dabei dürfte sich das aufwändige Nachbessern der Fahrzeuge durchaus auf die während des Hochlaufens der Produktionszahlen ohnehin schwache Marge dieser Modellreihe auswirken. Auf der anderen Seite war Produktqualität im klassischen Sinne noch nie eine Stärke des Unternehmens. Tesla-Kunden erwarten neben einem guten Gewissen und überzeugenden Fahrleistungen vor allem Innovationen bei Funktion und Design und eine gegenüber der Konkurrenz überlegene Technologie-Plattform. Und so sieht sich Tesla nach wie vor mit dem Luxusproblem einer überschießenden Nachfrage nach Fahrzeugen konfrontiert, dem man mit neuen Produktionsstätten in Texas, Deutschland und China zu begegnen versucht. Der neue Tesla-Cybertruck (Quelle: Tesla-Homepage) Mit dem Cybertruck soll ab Ende nächsten Jahres ein neues Fahrzeug-Segment erschlossen werden. Die Anzahl der Vorbestellungen soll sich bereits auf rund 700.000 Stück belaufen. Allerdings wird Tesla sich im Pickup-Bereich voraussichtlich mit anderen Newcomern wie zum Beispiel Rivian („R1T“), Lordstown Motors („Endurance“) und Nikola („Badger“) auseinandersetzen müssen, wobei die Designs der Konkurrenz sich alle weit mehr an der klassischen Pickup-Form orientieren. Mittelfristig möchte man zudem mit dem Tesla Semi auch bei den schweren Lastkraftwagen ein Ausrufezeichen setzen. Allerdings steht hier der Produktionsbeginn noch nicht fest. Dagegen plant Konkurrent Nikola in Zusammenarbeit mit seinem neuen Partner Iveco den Produktionsstart des vollelektrischen Nikola Tre bereits im nächsten Jahr. Die vielbeachtete Brennstoffzellen-Version wird dagegen erst frühestens 2023 erhältlich sein. Tesla, Inc. (ISIN: US88160R1014) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A1CX3T / TSLA | 278 Mrd. USD | 1.500 / 177 / 95 | 1.507,33 USD |
Mein Fazit: Vor dem Hintergrund des sich immer deutlicher abzeichnenden Trends zur Dekarbonisierung spielen fundamentale Bewertungskriterien derzeit für Anleger keine Rolle. Dies zeigt sich nicht nur bei Tesla oder dem chinesischen Konkurrenten Nio, sondern insbesondere auch bei der Wasserstoff-Konkurrenz. Die Aktien von Unternehmen wie Nikola, NEL, Ballard Power, ITM Power, McPhy oder Plug Power haben teilweise eine noch beeindruckendere Performance vorzuweisen. Insbesondere in Nikola scheinen viele Anleger derzeit die nächste Tesla zu wittern, anders lässt sich eine Bewertung von mehr als 20 Milliarden US-Dollar für ein umsatzloses Unternehmen, dessen Kernprodukt nicht vor 2023 auf den Markt kommen wird, kaum erklären. Insgesamt hat der Vorreiter-Status der Tesla-Aktie in Verbindung mit dem extrem gestiegenen Börsenwert in den letzten Monaten eine gewaltige Sogwirkung entfacht und beinahe jede irgendwie der Dekarbonisierung zuzuordnende Aktie in schwindelerregende Höhen mitgezogen. Eine Trendumkehr ist derzeit kaum abzusehen. Zu sehr beherrscht das Thema die Schlagzeilen und zudem hat im Zuge der COVID-19 Krise offensichtlich eine neue Anleger-Generation den Weg an die Börsen gefunden. An der Speerspitze dieses Trends steht der amerikanische Online-Broker Robinhood, der alleine in den letzten Monaten die Anzahl seiner Kunden-Depots um 30% auf mehr als 13 Millionen steigern konnte. Robinhood bietet seinen Kunden einen provisionsfreien Handel und damit quasi eine Einladung zum aktiven Trading. Die etablierte Konkurrenz von Ameritrade und Interactive Brokers hat in den vergangenen Monaten zwangsweise nachziehen müssen. Nie war der Zugang zum Börsenhandel für amerikanische Privat-Anleger einfacher und günstiger als heutzutage. Für die Tesla-Aktie scheinen im wahrsten Sinne des Wortes momentan alle Ampeln auf Grün zu stehen: Der anhaltende Trends zu „grünen“ Investments, eine neue Generation von Anlegern, die mögliche Aufnahme der Aktie in den S&P 500-Index sowie ein Rekordvolumen an Leerverkäufen könnten kurzfristig für weitere spektakuläre Kursgewinne sorgen. Zusätzliche Phantasie bringen in den Startlöchern stehende Projekte wie der Tesla Cybertruck oder der Tesla Semi, während das Unternehmen konsequent seine weltweiten Produktionskapazitäten für die Volumen-Modelle Modell 3 und Modell Y ausbaut. Selbst dem kritischen Betrachter fällt es schwer, angesichts der aktuellen Situation eine echte Verkaufsempfehlung auszusprechen. Auf der anderen Seite wird die aktuelle Börsenparty insbesondere in Anbetracht der sich verschlechternden COVID-19-Situation in den USA möglicherweise nicht ewig anhalten. Partielle Gewinnmitnahmen könnten daher durchaus angebracht sein. Neue Positionen sollten dagegen nur nach einem deutlichen Rücksetzer eingegangen werden. Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels NICHT investiert. Es können daher keine Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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