Liebe Frau Do, NRW plant weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen, in dieser Woche soll entschieden werden. Dabei soll es um eine schnellere Öffnung der Schulen gehen. Thüringen plant sogar den kompletten Exit: Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) empfiehlt die Aufhebung aller Einschränkungen ab 6. Juni. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warnt vor einem „bundesweiten Wettlauf der Länder, der aus medizinischer Sicht katastrophal wäre“, berichten Kirsten Bialdiga und Jan Drebes. Ramelow hinterlasse den Eindruck, als knicke er „vor Aluhüten und rechtsradikalen Schreihälsen ein“. Bereits Anfang April hatte Friedrich Merz dafür geworben, Lockerungen auszuprobieren, und war dafür heftig kritisiert worden. Als Exit-Strategie schlug er „Versuch und Irrtum“ vor, was mindestens auf den ersten Blick zynisch klingt. In dem Vorschlag stecke allerdings „ein Grundprinzip unseres öffentlichen Handelns“, das wir nicht über den Haufen werfen sollten, schreibt mein Kollege Frank Vollmer in seiner Analyse. Versuch macht eben klug. Dass dieser Ansatz Grenzen haben muss, liegt auch für ihn auf der Hand. Die K-Frage der Union, in der Friedrich Merz eine Rolle spielt, ist immer wieder Thema, auch in diesem Newsletter. Die K-Frage der SPD eher selten, nicht zuletzt, weil die Partei verheerende Umfragewerte erzielt. Auch aktuell kommt sie bei der Sonntagsfrage nur auf 15 bis 16 Prozent. Aber weil die Krise die Stunde der Exekutive ist, stehen auch SPD-Minister im Licht. Olaf Scholz, Vizekanzler und Mann der Milliarden-Hilfspakete, hat beste Chancen, Kanzlerkandidat zu werden, wie Jan Drebes und Birgit Marschall in ihrem Porträt schreiben. Die Corona-Krise bestimmt nicht nur politische Karrieren, sondern beschleunigt auch Trends. Die elektronische Zahlung, mit der sich die Deutschen lange schwer taten, setzt sich gerade rasant durch. Bares ist nicht mehr Wahres – unser Wirtschaftsredakteur Georg Winters analysiert das Phänomen. Vor knapp einem Jahr habe ich ohne auch nur einen Dollar in der Tasche eine Woche in New York verbracht. Dass ich mühelos alles per Karte zahlen konnte, empfand ich als einen krassen Kontrast zu den Usancen zu Hause. Aber jetzt ist es auch hier so – die Bäckerei bei mir um die Ecke nimmt überhaupt kein Bargeld mehr an. Ihr frischgebackenes Brot ist wunderbar altmodisch, die Bezahlung nicht. Die Beschleunigung der Digitalisierung, die sich auch daran zeigt, hat – natürlich – nicht nur gute Seiten. Studien haben gezeigt, dass Frauen bei der Arbeitsplatzsuche, bei der Kreditvergabe und in vielen anderen Bereichen durch Auswahlverfahren im Internet systematisch benachteiligt werden. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) konstatiert, dass nahezu jedes System, das auf Algorithmen beruht, anfällig für Diskriminierung ist. NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) startet nun eine bundesweite Initiative gegen diskriminierende Algorithmen. „Gleichstellung darf nicht bei der Google-Suche aufhören“, sagte sie meiner Kollegin Kirsten Bialdiga. Recherche darf auch nicht bei der Google-Suche aufhören, und dafür steht unsere Redaktion. Ich freue mich, dass wir Sie hier in die neue Woche begleiten durften. Bleiben Sie gesund – jetzt erst recht. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |