Das TOUR Tech-Briefing zur 4. Etappe der Tour de France 2024 |
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Auf der 4. Etappe sind Abfahrtskünste gefragt, Fotograf: Getty Images/Tim de Waele |
Vom 29. Juni bis zum 21. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage auf den Straßen Frankreichs entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 4. Etappe. |
Tour de France 2024 - 4. Etappe: Pinerolo - Valloire | 139,6 Kilometer |
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Das Höhenprofil der 4. Etappe, Fotograf: A.S.O. |
Ab in die Berge! Das Einrollen ist vorbei, auf der vierten Etappe der Tour de France 2024 steht der wuchtige Galibier auf dem Programm. Im Prinzip geht es beständig bergauf oder bergab, die Höhenmeter summieren sich auf 3600. Die Sprinter, die am Vortag noch so aktiv waren, werden sich auf der vierten Etappe frühzeitig zum Gruppetto zusammenschließen und mit Augenmaß und Blick aufs Powermeter die Etappe abrollen, um im Zeitlimit ins Ziel zu kommen. Gas geben werden die Sprinter eher bergab, denn hier können sie mit Risiko und Technik etwas an Boden gutmachen. |
Ferner ist zu erwarten, dass Aspiranten fürs Bergtrikot versuchen werden, sich früh aus dem Staub zu machen, in der Hoffnung, die Cracks auf Distanz halten zu können. So früh in der Tour wird allerdings kein namhafter Fahrer freie Ausfahrt bekommen. Zu erwarten ist eher ein Schlagabtausch der Klassementfahrer. |
In den Galibier rein werden sich die Helfer vor die Kapitäne spannen und Gas geben. Wird der Berg steiler, beginnt das Ausscheidungsfahren. Die Kletteradjutanten werden dann die Führung übernehmen und bergauf Windschatten spenden. Bei einem Klettertempo um 30 km/h in den milderen Passagen des Berges macht es einen gewaltigen Unterschied, ob man solo fährt oder einen Fahrer vor sich hat. |
Aber kommt es auch zur Attacke? Wird ernsthaft ums Klassement gefahren? Wahrscheinlich schon. Die Frage ist, wo die Attacke kommt. Der logische Ort ist die steilste Stelle des Anstiegs, vier Kilometer vor dem Gipfel, wo die Steigung bei 9 Prozent liegt. |
Downhill-Finale auf 4. Etappe der Tour de France 2024 |
In unserem Szenario sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Die Attacke erfolgt mutmaßlich dort, wo der Berg besonders steil ist und die Fahrzeit bergab ist in unserem Szenario länger als die Fahrzeit bergauf. Hinzu kommt, dass die Abfahrt trickreich ist. Gleich zu Beginn gibt es eine Reihe schwierig zu nehmender Kurven. Im weiteren Verlauf wird es dann eine Rollerstrecke – jedoch nicht so steil, dass man aufs Treten verzichten kann. |
Tom Pidcock fuhr auf dieser Abfahrt seinen Mitausreißern auf der 12. Etappe 2022 auf und davon und gewann später die Etappe, die in Alpe d’Huez endete. Auf YouTube können Profis Pidcocks Ritt als Fahrtechnik-Instruktion betrachten. |
Heute hat die Abfahrt allerdings noch mehr Bedeutung, denn das Ziel ist im Tal. Spitzengeschwindigkeiten über 80 km/h werden im oberen, steileren Teil der Abfahrt erwartet. Weiter unten liegt das Tempo bei 60-70 km/h, sodass noch Tretarbeit zu verrichten ist. Die Abfahrt beinhaltet 20 Kurven und stellt hohe Anforderungen an die Fahrtechnik. Andererseits ist klar, dass ein Aero-Setup hier enorm hilft. |
Zahl des Tages: 38 Sekunden |
Unter den skizzierten Bedingungen – Antritt vier Kilometer vor dem Gipfel – ist das schnellste Rad einmal mehr ein Aerorad. Wir kalkulieren für das Canyon Aeroad CFR die schnellste Gesamtzeit und 38 Sekunden Vorsprung auf das Cervelo R5. |
Beim Antritt an der steilsten Stelle wäre ein Leichtrad genau am Gewichtlimit von 6,8 kg ein paar Zehntel schneller als das Canyon, im weiteren Verlauf aber ein großes Handicap. Cervelos S5, Zweiter in der Gesamtfahrzeit trotz deutlichem Übergewicht, verliert bergauf rund eine Sekunde pro Kilometer gegenüber Leichträdern, ist aber bergab ganz vorne dabei. Ein gänzlich unaerodynamisches Bike, wie das Cervelo R5, ist für ein Downhill-Finale hingegen denkbar ungeeignet. Für welches Bike wird sich Jonas Vingegaard entscheiden? Auch Tadej Pogacars Colnago V4Rs überzeugt in der Disziplin Downhill übrigens nicht. |
Holt sich ein anderes Team den Etappensieg? Ein logischer Kandidat ist Tom Pidcock, der ja schon bewiesen hat, wie gut er die Abfahrt beherrscht. Ist er beim Galibier vorne dabei, ist er der logische Sieganwärter. |
Das (fast) gesamte Feld im Überblick* |
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Fotograf: Robert Kühnen |
*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation. |
Das Ranking der Räder für das Finale der vierten Etappe offenbart, dass auch im Hochgebirge Aero-Renner punkten – jedenfalls wenn das Ziel im Tal liegt. |
Um technische Vorteile auch ausnutzen zu können, bedarf es aber vor allem eines furchtlosen und technisch versierten Fahrers. Wer hier gewinnen will, muss bergauf wie bergab ein Könner sein. |
Unser Experte |
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Fotograf: Robert Kühnen |
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt. |
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