Das TOUR Tech-Briefing zur 7. Etappe der Tour de France 2024
Tour Newsletter
Fotograf: Getty Images/Michael Steele
Vom 29. Juni bis zum 21. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage auf den Straßen Frankreichs entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 7. Etappe.
Tour de France 2024 - 7. Etappe: Nuits-Saint-Georges - Gevrey-Chambertain | 25,3 Kilometer (Einzelzeitfahren)
Das Höhenprofil der 7. Etappe, Fotograf: A.S.O.
Das Höhenprofil der 7. Etappe, Fotograf: A.S.O.
Die siebte Etappe ist ein Zeitfahren. Die Strecke ist wenig spektakulär. Auf 25,3 Kilometer kommen 300 Höhenmeter zusammen. Im Wesentlichen gibt es einen sanften Anstieg mit einer Steigung von knapp fünf Prozent und eine Abfahrt – ein Rollerkurs, der auch schwereren Zeitfahrern liegen dürfte.
Die Zahl des Tages: 30 Sekunden
Bei diesem relativ flachen Zeitfahren ist die Aerodynamik der Schlüssel zu Top-Speed. Da wir keine konkreten Daten zu Zeitfahrrädern haben, haben wir einen Schwung fiktiver Räder durch unsere Streckensimulation laufen lassen, um zu zeigen, welchen Einfluss die Aerodynamik auf die Fahrzeit hat.
Eine fünfprozentige Verbesserung des cwA-Wertes spart auf der Strecke rund 30 Sekunden Fahrzeit ein. Fünf Prozent Verbesserung entsprechen bei Tempo 52 einer Leistungseinsparung von rund 18 Watt (umgerechnet auf 45 km/h rund 12 W). Das ist viel. Im Windkanal wird ein Fahrer, der bereits mit einer sehr guten Position startet, eher kleinere Gewinne erzielen. Aber in der Summe mehrerer Details sind solche Verbesserungen durchaus möglich. Denn die Aero-Baustellen sind zahlreich:
  • Optimaler Rennanzug für die anvisierte Geschwindigkeit
  • Maßgeschneiderter Aero-Lenker
  • Der beste Helm für den Fahrer und seine Körperform
  • Aero-Details: Schuhe, Socken, Handschuhe
  • Laufrad/Reifen-Kombination
  • Rahmen und weitere Anbauteile
Weitere Zutaten zum unbeschwerten Rasen sind rollwiderstandsoptimierte Zeitfahrreifen und optimierte Kettenschmierung. Außerdem sollte das Zeitfahrrad möglichst leicht sein. Auf der siebten Etappe sind die Gewichtseffekte aber gering, wie unsere Simulation zeigt. Ein Kilogramm Einsparung bringt 2-3 Sekunden. Im Zweifel gilt es daher, eher die Aerodynamik zu optimieren und beim Gewicht Kompromisse einzugehen.
Simulation verschiedener Zeitfahr-Set-ups für die 25,3 Kilometer lange Strecke*
Fotograf: Robert Kühnen
Fotograf: Robert Kühnen
Die Tabelle zeigt die Fahrzeiten für verschiedene Konfigurationen, mit Variationen des Gewichts und der Aero-Leistung. Die markierten Zeilen mit TT9 und TT15 entsprechen der oben besprochenen fünfprozentigen Verbesserung. Für Jonas Vingegaard, der 2023 ein sensationelles Zeitfahren hinlegte, erwarten wir cwA-Werte am unteren Rand der Tabelle. Wir sind gespannt, welche Tricks die Fahrer hier aus den Team-Trucks ziehen werden. Augen auf! Es kommt auf Details an.
Nachklapp zur vierten Etappe: 1x12 Aero-Set-up im Hochgebirge
Jonas Vingegaard startete zur vierten Etappe über den Galibier auf einem gewichtsoptimierten S5 Aerorenner. Damit hat er seine Strategie gegenüber dem Vorjahr geändert, wo er häufiger das aerodynamisch viel schlechtere Cervelo R5 fuhr.
Das Cervelo S5, das er am Galibier einsetzte, war in mehrfacher Hinsicht besonders: Vingegaard fuhr ein 1x12 Setup und Schlauchreifen. Nach Fotoanalyse haben wir eine Übersetzung von 52 auf 10-36 ausgemacht. Im Hochgebirge haben wir solch ein Set-up noch nicht gesehen.
Aber da der Galibier nicht supersteil ist, war dieses Getriebe problemlos einsetzbar. Der längste Gang bergab war sogar größer als üblich und sicherlich kein Hindernis. Bergauf wurde so schnell gefahren, dass der kleinste Berggang 52 x 36 vermutlich gar nicht zum Einsatz kam.
Hintergrund des 1x12-Set-ups: Gewicht sparen und die Aerodynamik verbessern. Das S5 wird der 6,8-kg-Marke vermutlich nahe gekommen sein, wiegen durften wir es aber leider nicht. Aero-Kettenblatt und der Verzicht auf den Umwerfer sparten ein paar Watt Luftwiderstand. So wurde das ohnehin sehr schnelle S5 nochmal schneller. Im Windkanal würden wir trotz der nicht sehr tiefen Reserve-Laufräder, die Vingegaard wohl aus Gewichtsgründen wählte, genau wie die Schlauchreifen, mutmaßlich Aero-Werte unter 200 Watt messen (die Benchmark für Super-Aero-Bikes im TOUR Windkanaltest mit Dummy-Beinen). Aerodynamisch war Vingegaard damit besser für die Abfahrt gerüstet als Pogacar. Denn sein Colnago ist auch mit den schnellen Enve-Laufrädern weit weg von der Aero-Performance des S5. Damit ist klar: Den Unterschied machten in der Abfahrt vom Galibier die Beine von Tadej Pogacar.
Unser Experte
Fotograf: Robert Kühnen
Fotograf: Robert Kühnen
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt.
Jetzt TOUR digital lesen
Redaktion: redaktion@tour-magazin.de • Leser-Service: abo@delius-klasing.de
Diese E-Mail wurde an newsletter@newslettercollector.com verschickt. Wenn Sie keine weiteren E-Mails erhalten möchten, können Sie sich hier abmelden.
Delius Klasing Verlag GmbH, Siekerwall 21, 33602 Bielefeld
Amtsgericht Bielefeld HRB 7332, USt-IdNr.: DE 123999126
Geschäftsführung: Rüdiger Dienst, Tim Ramms, Lars Rose