Ein ungewöhnlicher Artikel hat am Wochenende den ersten Platz der Social-Media-News-Charts erklommen. In dem Text von Ulrich Stock auf Zeit Online geht es um die Jazz-Saxofonistin Anna-Lena Schnabel. Oder genauer: um eine 3sat-Doku über die Musikerin. Oder noch genauer: darum, dass Anna-Lena Schnabel der Musikpreis Echo Jazz verliehen wurde und sie bei der Verleihung nicht ihre eigene Musik spielen durfte, weil der NDR meinte, die Musik sei "nicht gefällig genug, da würden die Leute wegschalten." So zumindest Zeit Online. Man muss sich das vorstellen: das NDR Fernsehen zeigte die Aufzeichnung der Verleihung im Juni ab 0.20 Uhr. Eine Veranstaltung, die sich ohnehin nur Jazz-Fans anschauen - erst recht so spät. Und dann soll der Künstlerin untersagt worden sein, ihre eigenen Songs zu spielen?
Die Doku mit dem doppeldeutigen Namen "Der Preis der Anna-Lena Schnabel" zeigt jedenfalls den Konflikt, in dem die Musikerin steckt. Eigentlich würde sie den Preis am liebsten ablehnen, wenn sie ihre eigene Musik nicht spielen darf, andererseits kann der Preis aber etwas von der Existenzangst nehmen, in der Musiker oft stecken. So bekommen die Preisträger beim Echo Jazz zum Beispiel nichtmal die Reisekosten oder eine Hotelübernachtung erstattet und der Preis ist undotiert. Bei Auftritten und Konzerten ist ebenfalls nicht viel zu verdienen. Der Echo Jazz könnte Anna-Lena Schnabel immerhin bekannter machen, ihre CD-Verkäufe steigern, usw.
Der Zeit-Online-Artikel bescherte der Doku nun zusätzliche Aufmerksamkeit und wurde zum echten Social-Media-Erfolg. Stolze 20.000 Likes, Reactions, Shares, Kommentare und Retweets gab es für den Text auf Facebook und Twitter. Interessant übrigens: Auch die ARD warb für die Doku auf Facebook. "Der Preis der Anna-Lena Schnabel" sahen auf 3sat am Samstagabend nach 22 Uhr dann immerhin 140.000 Menschen. Genau so viele wie damals im Juni die Aufzeichnung der Echo-Jazz-Verleihung nach Mitternacht im NDR Fernsehen. Auch das dürfte eine kleine Genugtuung für Anna-Lena Schnabel sein.
Gegenüber Bild sagte NDR-Unterhaltungs-Chef Thomas Schreiber am Sonntagabend dann: "Der Vorschlag für diesen Titel und zwei Alternativen war von Frau Schnabels Tour-Management gekommen. Am 4. Mai 2017 teilte Frau Schnabel zu der Auswahl des Titels 'Peace' schriftlich mit: 'Das ist alles von meiner Seite gar kein Problem.' Uns macht betroffen und entsetzt, dass Frau Schnabel die Entscheidung gegen eines der anderen Stücke als 'Verbot' bezeichnet hat." Über Zeit-Online-Artikel und Doku wird also auch am Montag noch diskutiert werden.