Am Mittwoch fand sich weit oben in den Social-Media-News-Charts mal wieder ein gutes Beispiel, wie fremdenfeindliche Politiker und ihre Anhänger Einzelfälle ausschlachten, um Hetze zu verbreiten und den Untergang des Abendlandes zu prophezeien. Es ging um ein Freibad im Zwickauer Stadtteil Crossen. Das schien bis Ende der vergangenen Woche zu wenige Besucher zu verzeichnen. Auf Facebook wurde daher dazu aufgerufen, Gründe zu nennen oder besser: vorbei zu kommen. Einige lokale Medien berichteten. Tag24 beispielsweise. Und Bild. Neben den genannten potenziellen Gründen - "Das Freibad sei als Hot-Spot vieler Jugendlicher nicht mehr so sehr gefragt wie noch vor einigen Jahren. Da helfe auch kein Traumsommer wie dieser", schrieb Bild noch ein Zitat aus anonymer Quelle auf: "Weiterer Grund für den Besucherschwund: 'Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind', so ein Bad-Betreiber aus dem Vogtland zu BILD."
Doch schon in der Diskussion unter dem Ursprungs-Post des Crossener Freibades wurde genau das als Grund ausgeschlossen: "Das ist aber weit weit hergeholt als Argument. Sorry. Erstens haben wir noch fast keine, wie sagtet ihr, Neudeutschen, bei uns gehabt und zweitens ist es immer möglich, gegenüber evtl. Daneben Benehmen einzuschreiten", schrieb das "Freibad Crossen". Und ein anderer Nutzer kommentierte: "Also 'Neubürger' findet man gerade in Crossen so gut wie gar nicht, dieses Argument ist also völlig fehl am Platz."
Mit dem Zitieren des anonymen "Bad-Betreibers aus dem Vogtland" und dem Ignorieren der gegenteiligen Facebook-Kommentare rief Bild aber sofort AfD & Co. auf den Plan. Ein AfD-Politiker twitterte: "Unser Land verändert sich, und das drastisch - und zwar zum Schlechten. Natürlich meiden Mädchen und junge Frauen, auch Kinder, die Bäder, wenn sie dort Angst haben müssen. Und das ist die Hauptklientel." Die AfD-Fraktion Hamburg ergänzte: "Freibäder klagen trotz Rekordtemperaturen über Besucherschwund. Einer der Gründe: 'Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind.'" Autorin Anabel Schunke schrieb auf Facebook, sie höre ähnliches "aus Goslar, Braunschweig und Co. auch immer wieder. Man sucht sich gezielt die wenigen Freibäder, in denen der Migrantenanteil nicht so hoch ist, oder geht gleich an den Badesee, wo oftmals eine etwas andere Klientel unterwegs ist. Das liegt aber nicht nur an der Lautstärke bzw. dem generellen Auftreten, sondern vor allem auch daran, dass man als junges Mädel oder Frau teils extrem belästigt wird."
Also. Halten wir fest. Ein Freibad aus Zwickau klagt über unbefriedigende Besucherzahlen und Schuld sind wieder einmal die Ausländer. Obwohl es die in Crossen offenbar gar nicht gibt. Und obwohl sie in anderen Freibädern der Republik offenbar nicht stören, wie ein Googlen nach "Besucherzahlen Freibäder" zeigt: "Rekordkurs" in Peine (in der Nähe von Braunschweig übrigens), "hohe Besucherzahlen" in Osnabrück, "Rekordjahr" im Landkreis Borken, "bester Sommer seit Jahren" in Fulda, "50 Prozent mehr Besucher" in Sachsen-Anhalt. Und. So. Weiter. Und auch das Freibad Crossen meldete am Mittwoch nun: "Der erste Bericht auf Grund meiner Facebook Anfrage heute in der Bild. Anmerkungen dazu: die letzten Tage waren sehr, sehr gut besucht. Vielen Dank den Badegästen." Aber Hauptsache, man kann die Ausländer mal wieder für etwas verantwortlich machen. Und wie praktisch, dass man am gleichen Tag vom anderen Ende der Republik direkt noch ein Beispiel als ultimativen Beweis anführen kann, dass es nun wirklich zu Ende geht mit Deutschland. Beide Artikel landeten mit 16.200 bzw. 8.300 Interaktionen unter den vier erfolgreichsten journalistischen Texten des Tages.