Morgen kommt der Nikolaus - oder wie der Österreicher sagt: der Nikolo. Wenn er denn kommt. Wolfgang Fellners Boulevard-Zeitung "Österreich" will eine Wiener Schule aufgespürt haben, in der der Nikolo "verboten" ist: "Der Nikolo hat seit Jahren Hausverbot, aus Rücksicht auf den hohen Anteil an nicht-christlichen Kindern sind alle christlichen Symbole verpönt", schreibt "Österreich", bzw. oe24, "Das Christkind muss ebenfalls draußen bleiben. Das Weihnachtsfest heißt jetzt Winterfest" und vieles mehr. Die Story "Streit um Nikolo-Verbot an Wiener Schule" war der große Aufreger in Österreich, sammelte über 20.000 Interaktionen bei Facebook und Twitter ein, viele davon dank FPÖ-Chef HC Strache. Kein deutschsprachiger journalistischer Artikel war am Montag so erfolgreich in den sozialen Netzwerken.
Das Problem: Es ist so eine Sache mit dem Journalismus. Denn: Der Stadtschulrat Wien teilte später per Pressemitteilung mit: "Heutiger Bericht in der Tageszeitung 'Österreich' vollständig falsch". Punkt für Punkt werden die Behauptungen auf oe24 relativiert, widerlegt, entkräftet. Da steht dann: "Bisher hat der Elternverein, der üblicherweise an Wiener Volksschulen einen Nikoloauftritt organisiert, dies nicht getan. Sollte dieser organisiert werden, würde sich die Schule freuen." Oder: "Seit Jahren steht ein Christbaum im Eingangsbereich, das Schulhaus ist überdies geschmückt - derzeit hängen von den SchülerInnen gebastelte Nikoläuse unterschiedlichster Art in den Gängen, die Aula ist weihnachtlich geschmückt." Oder: "Auf der Einladung zum Winterfest (es gibt analog auch ein 'Sommerfest') wird 'Weihnachten' angeführt, es gibt auch den alljährlichen Adventbastelmarkt." Und so weiter. Die Antworten sind teilweise so detailreich, dass die Behörde schon extrem dreist sein müsste, wenn sie nicht stimmen. Die Pressemitteilung endet mit: "Der Stadtschulrat für Wien weist die im 'Österreich' erhobenen Vorwürfe gegenüber der Schule schärfstens zurück. Dass seitens des Mediums überdies ein dem journalistischen Ehrenkodex entsprechender Re-Check der behaupteten Vorkommnisse nicht einmal versucht wurde, stimmt mehr als bedenklich." Interaktionen für die Mitteilung bei Facebook und Twitter: immerhin über 4.100. Darunter natürlich kein Share von HC Strache und Kollegen.
In einem "Update" unter dem Artikel geht oe24 dann auf die Pressemitteilung ein, schreibt: "Die Fakten in der ÖSTERREICH-Berichterstattung zur Volksschule Jochbergengasse sind überprüfbar und stimmen", bestätigt dann aber doch verschiedene Punkte aus der Pressemitteilung. Die "Nikolo-Verbots"-Berichte scheinen in Österreich unter dem Motto "Alle Jahre wieder" zu laufen - wie der Faktencheck des seriöseren Kuriers zeigt. Der landete bei 300 Interaktionen. Empörung läuft in den sozialen Netzwerken leider meist besser als nüchterne Fakten.