Die Steuertrickser

Konzerne wie Amazon, Google oder Facebook machen in Europa Riesengewinne – doch Steuern zahlen sie kaum. Den Staaten entgehen Milliarden. Eine Mehrheit in der EU will diese Steuertricks aufdecken – aber CDU-Wirtschaftsminister Altmaier blockiert die Abstimmung. Jetzt kommt es auf Justizministerin Lambrecht (SPD) an: Sie kann erreichen, dass die EU doch noch über Steuertransparenz entscheidet.

 

Hallo John Do,

mal ganz ehrlich: Haben Sie in den letzten Monaten auch öfter Waren im Internet bestellt? Oder häufiger Filme und Serien online geschaut? Gut möglich – Konzerne wie Amazon und Netflix gehören zu den großen Gewinnern in der Corona-Krise. In Deutschland setzen sie Milliarden um. Aber Steuern zahlen sie kaum.[1]

Der Trick: Die multinationalen Konzerne verschieben ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Steuern. Die wahre Dimension dieser aggressiven Steuervermeidung liegt im Dunkeln. Doch eins ist klar: Es geht um riesige Summen. Es wird geschätzt, dass Deutschland in den letzten zehn Jahren etwa 300 Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgangen sind.[2] Geld, das wir dringend brauchen – die Kosten der Corona-Pandemie sind enorm.

Eine Mehrheit der EU-Staaten will jetzt für mehr Steuertransparenz sorgen. Mit einem neuen Gesetz wollen sie öffentlich machen, in welchen Ländern Großkonzerne wie viel Steuern zahlen. Die Idee dahinter: Wenn klar ist, wie niedrig die Abgaben von Amazon, Facebook und Co. tatsächlich sind, steigt der Druck auf Politik und Unternehmen, die Steuertricks zu stoppen.

In diesem Prozess spielt die Bundesregierung eine Schlüsselrolle. Deutschland hat derzeit den Ratsvorsitz in der EU inne – und bestimmt maßgeblich die Agenda der Ratssitzungen. Doch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will verhindern, dass auf EU-Ebene über mehr Steuertransparenz abgestimmt wird[3] – er folgt damit dem konzernfreundlichen Kurs seiner Partei.

Deshalb kommt es nun auf Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) an. Als zuständige Ministerin kann sie das Gesetz noch bis zum 5. November auf die Tagesordnung der entscheidenden Ratssitzung setzen – und die EU-Staaten abstimmen lassen. Wir müssen also schnell sein: Unterzeichnen Sie jetzt unseren Appell. Sobald wir 100.000 Unterschriften gesammelt haben, wollen wir sie übergeben. Denn die SPD will wieder als Partei der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen werden. Sieht die Ministerin, wie wichtig den Bürger*innen das Thema ist, steigt der Druck, sich für mehr Steuertransparenz einzusetzen.

Es ist erstaunlich, wie einfach internationale Großkonzerne ihre Steuern auf ein Minimum drücken können – und das völlig legal. Sie verrechnen konzerninterne Leistungen und Produkte so, dass die Kosten in Ländern mit normalen Steuersätzen anfallen. Die Gewinne landen dann in Niedrigsteuerländern.[4] Ein Vorgehen, das sich lohnt – zumindest für die Konzerne. Doch den betroffenen Staaten entgehen Milliardensummen.

Dieses Geld fehlt woanders: in Kitas, Schulen und Universitäten, im Gesundheitswesen oder beim Ausbau des Schienennetzes. Alles Dinge, die aus Steuermitteln bezahlt werden – und von denen auch Unternehmen wie Amazon, Google und Facebook profitieren. Dennoch drücken sie sich davor, diese öffentliche Infrastruktur mitzufinanzieren.

Das könnte sich nun ändern. Auf EU-Ebene ist erstmals eine Mehrheit der Staaten dafür, die Steuertricks der Konzerne aufzudecken.[3] Jetzt muss nur noch Deutschland den Weg frei machen für mehr Steuerfairness. Gemeinsam mit dem Netzwerk Steuergerechtigkeit, dem Corporate Europe Observatory und Transparency International wenden wir uns deshalb mit unserem Appell an die Ministerin. Fordern auch Sie Christine Lambrecht auf, die EU über mehr Steuertransparenz abstimmen zu lassen.

Herzliche Grüße
Annemarie Großer, Campaignerin
Yves Venedey, Campaigner

PS: Reich dank Steuertricks: Das Vermögen von Amazon-Chef Jeff Bezos ist während der Corona-Krise auf 200 Milliarden Dollar angestiegen. Selbst wenn er allen Amazon-Mitarbeiter*innen weltweit einen Bonus von 100.000 Dollar zahlen würde, wäre der reichste Mann der Welt immer noch reicher als vor der Pandemie.[5]

[1]„Steuervermeidung von Amazon, Apple und anderen angeblich 100 Milliarden schwer“, t3n Online, 5. Dezember 2019

[2]„Der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung hat begonnen – aber der Weg ist noch lang“, Netzwerk Steuergerechtigkeit, veröffentlicht im Juli 2016, eingesehen am 26. Oktober 2020

[3]„Kampf gegen Steuervermeidung: Deutschland verhindert EU-Initiative“, Tagesschau Online, 19. August 2020

[4]„Steuertricks: Wie Konzerne ganz legal Steuern sparen“, Wirtschaftswoche Online, 6. November 2017

[5]„Pandemic profits for companies soar by billions more as poorest pay price“, Pressemitteilung von Oxfam International, 9. September 2020