Ausgabe vom 24.01.2019

Trübe Aussichten für die Wirtschaft der Eurozone

Trübe Aussichten für die Wirtschaft der Eurozone
von Sven Weisenhaus

Im Vorfeld der heutigen Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) wurden die aktuellen Schnellschätzungen zu den Einkaufsmanagerdaten der Eurozone veröffentlicht. Demnach ist der von IHS Markit erhobene Einkaufsmanagerindex für die gesamte Wirtschaft der Eurozone (Composite) im Januar auf 50,7 Punkte weiter zurückgegangen, von ebenfalls schon schwachen 51,1 im Vormonat. Der Frühindikator hat sich damit wieder ein Stück mehr der Schwelle genähert, die zwischen zukünftigem Wachstum und Kontraktion der Wirtschaft unterscheidet.

IHS Markit-Einkaufsmanagerindex der Gesamtwirtschaft in der Eurozone

Das Wachstumsmomentum lässt also derzeit kontinuierlich nach. Das Hoch der Messreihe wurde schon im Januar 2018 erreicht. Und nach einer leichten Erholung bzw. Stabilisierung im Sommer 2018 befindet sich der Wert des Index wieder auf dem Weg nach unten. Inzwischen hat er sogar ein 66-Monats-Tief erreicht. Das Wirtschaftswachstum fällt also demnach aktuell so schwach aus wie zuletzt vor fünfeinhalb Jahren (!).

Es wird noch schlimmer!

Und Besserung ist weiterhin nicht in Sicht. Denn laut IHS Markit gab es beim Auftragseingang erstmals seit November 2014 wieder ein Minus, das noch dazu so hoch ausfiel wie seit Juni 2013 nicht mehr. In der Industrie war es sogar schon der vierte Rückgang in Folge und der stärkste seit April 2013. Auch beim Exportneugeschäft war es der vierte Rückgang in Folge. Hier fiel das Minus so hoch aus wie noch nie seit Beginn der Erhebung der Composite-Daten vor über vier Jahren.

Da die Produktion derzeit noch hoch ist, aber weniger Neugeschäft reinkommt, nimmt inzwischen auch der Auftragsbestand ab. Dabei fiel der mittlerweile zweite Rückgang der Auftragsbestände in Folge so kräftig aus wie seit Dezember 2014 nicht mehr. Kein Wunder, dass auch der Jobaufbau schwächelt und sich zum Jahresbeginn das fünfte Mal hintereinander verlangsamte. Die Job-Komponente des Euro-Einkaufsmanagerindex fiel damit so schwach aus wie zuletzt im September 2016.

EZB muss tatenlos zusehen

Und vor diesem Hintergrund ist es auch kein Wunder, dass die EZB heute beschlossen hat, ihre derzeit noch klar wachstumsfördernde Geldpolitik zunächst unverändert fortzusetzen. Das gilt sowohl für die Leitzinsen als auch für die Reinvestitionen auslaufender Wertpapiere. Diese Entscheidung wurde im Vorfeld auch so erwartet, da die EZB erst mit dem Jahreswechsel 2018/2019 den zusätzlichen Erwerb von Anleihen eingestellt hat und nun erst einmal abwartet, wie sich diese Änderung auswirkt. Entsprechend waren die ersten Marktreaktionen gering.

Auch die heutige Pressekonferenz der EZB brachte nicht mehr Schwung an die Börsen. Denn EZB-Chef Mario Draghi äußerte sich zwar zur aktuell schwächelnden Wirtschaft, sagte dabei aber wenig Neues. Die EZB sehe zwar die derzeitige Verlangsamung des Wachstums, was auch noch länger anhalten könne, als zunächst erwartet, die Wirtschaft steuere aber nicht auf eine Rezession zu, so Draghi.

Die Gefahr einer Rezession ist extrem hoch

Ob er sich angesichts der oben genannten Daten zu optimistisch zeigt, muss wohl abgewartet werden. Aber höchstwahrscheinlich sieht die EZB sehr wohl die Gefahr einer Rezession, will diese Einschätzung aber nicht öffentlich machen, um die aktuelle Negativ-Entwicklung damit nicht auch noch zu verstärken.

Ich sehe dagegen gerade das Wirtschaftswachstum in Deutschland kritisch. Auch, weil hier der Industrie-PMI erstmals seit November 2014 sogar wieder unter die neutrale Wachstumsmarke von 50 Punkten gesunken ist, was auf die höchsten Einbußen beim Auftragseingang und beim Exportneugeschäft seit Dezember 2012 zurückgeführt werden kann.

IHS Markit-Einkaufsmanagerindex der Industrie in Deutschland

Und die Eurozone nähert sich zumindest der Stagnation (Null-Wachstum). Die aktuellen Einkaufsmanagerdaten deuten nur noch auf ein Quartals-Wachstum von 0,1 % hin.

Die Börsen nehmen die wirtschaftliche Entwicklung vorweg

Mit seiner Einschätzung konnte Draghi jedenfalls die Märkte dennoch beruhigen bzw. ruhig halten. Allerdings wird immer deutlicher, warum gerade die Aktienkurse in der Eurozone und speziell im DAX in den vergangenen Monaten so stark gesunken sind. Es war aber auch schon immer so, dass die Kurse ihr Tief gesehen hatten, wenn eine Rezession in den BIP-Daten sichtbar wurde. Schließlich nehmen die Börsen die wirtschaftliche Entwicklung sechs bis neun Monate vorweg.

Während also die Wirtschaft ihre schlimmste Zeit noch vor sich zu haben scheint, könnten wir am Aktienmarkt das Tief bereits gesehen haben. Das hängt aber natürlich auch noch davon ab, wie lange sich das Wachstum noch verlangsamt, wie lange die USA noch im Regierungsstillstand bleiben und wie lange der Handelsstreit und das Brexit-Chaos noch anhalten. Kommt es hier zu Verschärfungen, wäre wohl auch noch ein neues Tief an den Aktienmärkten zu überstehen.


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Ihr
Sven Weisenhaus
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