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Liebe/r Leser/in,

der „Mao Tse-Scholz“, also das Bild, das eine Komposition aus Fotos von Olaf Scholz und Mao Tse-Tung in meinem Editorial zeigt, fiel mir in dieser Woche auf Linked­In auf. Ich fand das Bild und den Namen witzig, obwohl sie ein ernstes Thema symbolisieren.
Bei dem heftig umstrittenen Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einem Terminal im Hamburger Hafen durch ein chinesisches Staatsunternehmen geht es auch um ein Symbol – nämlich dafür, wie ernst wir es mit der neuen Unabhängigkeit von China meinen. Diesen symbolhaften Charakter verkennt auch der Bundeskanzler, wenn er meint, das Problem dadurch zu lösen, dass Cosco „nur“ einen Anteil von ­unter 25 Prozent statt der ursprünglich vereinbarten 35 Prozent erwerben darf. Und auch der Hinweis, es gehe nicht um den ganzen Hafen, sondern um eins von vielen Containerterminals, sticht nicht.
Denn das Terminal „Tollerort“ steht für die Frage, ob wir nach den bitteren Erfahrungen mit der Abhängigkeit von russischer Energie ungeachtet aller Reden bei China auf ein Weiterso setzen oder ernsthafte Konsequenzen ziehen. Gerade nach dem gruseligen Parteitag der chinesischen KP mit der Inthronisierung von Xi Jinping als unumschränkten Herrscher wäre ein unmissverständliches Zeichen an Peking erforderlich gewesen, dass mit der Naivität auf deutscher Seite endgültig Schluss ist.

Es geht also um viel, viel mehr als die Zukunft des Hamburger Hafens. Es geht um eine neue Austarierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu einer aufsteigenden Weltmacht, die zudem einer unserer wichtigsten Absatzmärkte ist. Es geht darum, den Handel – wo möglich – zu erhalten sowie darum, alte Abhängigkeiten zu reduzieren und neue zu verhindern. Das muss schon deshalb gelingen, weil der chinesische Absatzmarkt z. B. für unsere Autoindustrie oder den Maschinenbau nicht von heute auf morgen auch nur zum Teil durch andere Märkte ersetzt werden kann. Von einer gefährlichen Abhängigkeit aber muss man bei seltenen Rohstoffen sprechen wie seltene Erden oder bei Lithium und Kobalt. Sollte China mit militärischer Gewalt nach Taiwan greifen, könnte Peking versuchen, Deutschlands Handlungsfähigkeit durch Drohungen mit einem Lieferstopp einzuschränken. Wir brauchen also konkrete Zeitpläne für die Reduzierung dieser und anderer Importe aus China, wie es sie inzwischen für den Verzicht auf Öl und Gas aus Russland gibt.

Und: Es braucht in Europa – von Piräus bis Hamburg – glasklare Grundsätze im Umgang mit China. Einer davon sollte lauten: Wir erlauben chinesischen (Staats-)Unternehmen nichts, was deutschen und europäischen Firmen in China verwehrt wird, zum Beispiel den Erwerb kritischer Infrastruktur wie Häfen.
Und deswegen wäre es wichtig gewesen, wenn Olaf Scholz vor seiner Reise nach Peking den Cosco-Einstieg bei „Tollerort“ komplett gestoppt hätte, wie die halbe Regierung es vehement gefordert hatte. China, das sich im Ukraine-Krieg mit Russland untergehakt hat, würde dann begreifen, dass die von Putin erzwungene Zeitenwende die deutsche Politik nachhaltig verändert hat. Ich glaube, Xi Jinping würde den Kanzler dann mit mehr Respekt empfangen (siehe auch S. 28).
Noch mal zurück zu „Mao Tse-Scholz“. Das Bild ist ganz offensichtlich mit Photoshop entstanden, also klar als Kunst im Sinne von künstlich zu bewerten, zumal man auch weiß, wie die zwei Staatsführer im Original aussehen. In unserer Titelgeschichte beschäftigen wir uns ebenso mit Bild-Manipulationen, die aber weniger lustig sind, sondern vielmehr bedrohliche Folgen haben können.

Vor wenigen Monaten lernte ich einen jungen Mann kennen, der nach seinem Studium im Alter von 24 Jahren schon sein zweites Start-up gegründet und eins bereits verkauft hat. Noel Lorenz, so heißt der Berliner Unternehmer, zeigte mir Bilder von Robotern auf einer Parkbank, von Astronauten, die im Weltall Pferde reiten, und von Echsen im Raumanzug. Die Fotos waren allerdings nicht gephotoshoppt. Sie sind ohne Bild-Vorlagen entstanden, ohne Computer-Pinsel, Freisteller oder Composings – es sind Fotos, die allein von Algorithmen aus dem Nichts geschaffen wurden. Noels Start-up Mindverse bietet eine sogenannte Engine an: Einfach einen Satz eingeben und schon entsteht ein fotorealistisches Bild. Sie arbeitet mit künstlicher Intelligenz (KI), die innerhalb von Sekunden kurze Marketingtexte oder Werbeslogans schreibt – alles ohne menschliches Denken.
Ich war beeindruckt und erschrocken von diesen so echt wirkenden Bildern, die eine Realitat vortäuschten, die es nicht gibt. Noel Lorenz weiß um die Auswirkungen, die diese mächtige KI haben kann, und hat deshalb seiner Engine-Plattform Content-Filter einprogrammiert, die jede Art von Missbrauch verhindern.
Denn die Gefahren sind groß: Sie erinnern sich vielleicht an die Berliner Regierende Franziska Giffey, die glaubte, mit Vitali Klitschko per Video zu telefonieren, allerdings auf eine Fälschung hereinfiel. Auch wenn sich letztlich herausstellte, dass es kein Deepfake war – die Schlagzeile ging um die Welt. Deepfakes sind mithilfe von KI manipulierte Videos. Barack Obama, der seinen Nachfolger Donald Trump als Vollidioten bezeichnete, war so ein Beispiel.

Was ist also Wahrheit? Was sind Fakten, was ist Fake? Wir Journalisten bei FOCUS trauen ohnehin nie sofort dem, was wir sehen. Wir forschen nach, wir hinterfragen. Doch das tun längst nicht alle. Was ist, wenn solch mächtigen Werkzeuge massenhaft genutzt werden, um andere zu täuschen? Diese Frage hat sich meine Kollegin Corinna Baier in ihrer Geschichte ab Seite 44 gestellt. Ich kann sie Ihnen nur empfehlen.

Herzlich Ihr

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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