Liebe/r Leser/in, ja, auch ich habe in dieser Woche erstmals in meinem Leben mehr als zwei Euro für den Liter Superbenzin gezahlt. Und ich erinnerte mich wehmütig und kopfschüttelnd an mein erstes Mal Tanken im Jahr 1994: Ich war 18 Jahre alt, hatte gerade die Führerscheinprüfung bestanden, fuhr einen Toyota Starlet, den ich meiner Mama abkaufte, und der Liter Sprit kostete um die 1,50 DM.
27 Jahre später, Herbst 2021: unsere Währung heißt Euro und beim Blick auf die Preisschilder fröstelt es mich. Denn der Preisauftrieb in Deutschland gewinnt rasant an Fahrt. Und plötzlich sorgen wir uns um etwas, was bisher als gegeben galt: dass es nämlich im kommenden Winter alle warm haben.
Das Statistische Bundesamt gab in dieser Woche bekannt, dass die Verkaufspreise im deutschen Großhandel im September so stark gestiegen sind wie seit über 47 Jahren nicht mehr – um 13,2 Prozent lagen sie höher als ein Jahr zuvor. Besonders die Energiekosten steigen spürbar und schnell. So verteuerte sich Heizöl laut Statistischem Bundesamt im September um 76,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diesel und Benzin kosteten 28,4 Prozent mehr, der Preis für Erdgas verzeichnet ein Plus um 5,7 Prozent, Strom plus 2,0 Prozent.
All dies hat zur Folge, dass auch für viele andere Produkte im Handel die Preise steigen, denn es gibt für produzierende Firmen ja kaum Alternativen, als höhere Produktionskosten auf die Kunden umzulegen. Und: Zusätzlich zur Energiepreis-Explosion kämpfen viele Unternehmen schließlich auch mit Rohstoffknappheit und Fachkräftemangel – laut einer Ifo-Umfrage haben 74 Prozent der Einzelhändler derzeit Lieferprobleme. Erste Unternehmen reagierten bereits: Am Dienstag kündigte der Versorger E.on an, wegen der hohen Preise vorerst keine neuen Gaskunden mehr zu akzeptieren. Der deutsche Stahlkonzern Salzgitter drohte am selben Tag mit Produktionsstopp an seinem stromintensiven Standort in Peine.
Warum die Preise so steigen, welche Rolle Russlands Präsident Putin und die Gastrasse Nord Stream 2 in diesem neuen Kältekrieg spielen und was Sie persönlich tun können, um Kosten zu sparen – all das erfahren Sie in unserer Titelgeschichte ab Seite 52. Ziehen Sie sich warm an!
Nun zu positiven Wirtschafts-News: Hunderte Unternehmen sind unseren Aufrufen gefolgt und haben sich für den diesjährigen
FOCUS Innovationspreis beworben. Welche zehn Kandidaten es mit welchen Ideen in die Endauswahl geschafft haben, erfahren Sie auf den Seiten 66 und 67. Ende Oktober wird der Preis (dotiert mit einer Million Euro Mediavolumen) feierlich in München übergeben – dann verraten wir auch, wer gewonnen hat.
Zum Schluss dieser Kolumne möchte ich Ihnen noch verraten, warum ich in dieser Woche so viel mit dem Auto unterwegs war. Ich war in Bayern, in der Schweiz, im Badner Land und in Hessen. Die Bahn war für meine Strecken leider keine Alternative, das Flugzeug auch nicht – wer weiß, ob ich vom Berliner Chaos-Flughafen überhaupt weggekommen wäre. Im Badner Land traf ich übrigens den von mir verehrten Winzer und preisgekrönten Gastronomen Fritz Keller, der in dritter Generation den Familienbetrieb führt. Er erntet ob des Klimawandels im Durchschnitt der letzten Jahre sechs Wochen früher als noch seine Großmutter und fragte abends bei einem Glas Spätburgunder ernüchtert: „Wie konnten sich CDU und CSU nur das Thema Umweltschutz von den Grünen so aus der Hand nehmen lassen? Schöpfungsbewahrung ist doch ein Kernelement des christlichen Gedankenguts.“
Ähnlich irritiert beim Blick auf die Selbstzerfleischung der Union war am Dienstag auch der Badener Unternehmer Roland Mack, Gründer des Europa-Parks Rust, als ich ihm zum Geburtstag gratulierte. „Wenn bei mir in der Firma alle so feindlich gesinnt aufeinander losgehen würden wie in der Union derzeit, wären wir in drei Tagen tot.“ Es tut gut, Berlin zu verlassen. Es tut gut, mal klare Worte zu hören. |