Bei Familienessen kommen sie häufig zum Vorschein - Vorgeschichten, alte Verletzungen und falsche Erwartungen. So wie in dem neuen Film „Alter weißer Mann“.
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25. Oktober 2024
Familie
Alles, was Eltern interessiert
Barbara Vorsamer
Christian Mayer
Ressortleiter Gesellschaft & Wochenende
SZ Mail
Guten Tag,
„Alter weißer Mann“ heißt der neue Film des Münchner Regisseurs Simon Verhoeven, den ich diese Woche vorab in einer Premierenaufführung sehen durfte, die mein Kollege Philipp Crone hier beschreibt (Plus). Die Komödie mit Jan Josef Liefers in der Hauptrolle erzählt die Geschichte eines Familienvaters namens Heinz. Als leitender Angestellter, als Ehemann und Vater wirkt er zunehmend überfordert und vergreift sich gerne mal im Ton – vor allem dann, wenn er sich bemüht, gendergerecht zu sprechen.

Seine Stärke spielt dieser Film immer dann aus, wenn es um die Familie geht. Um die Kinder, die gerade erwachsen werden und sich nicht mehr von Heinz herumkommandieren lassen. Um die Paarbeziehung zwischen Heinz und Carla, die ganz dringend einen kräftigen Schub braucht, ein bisschen Drama. Und um den Großvater, der partout nicht verstehen will, dass er besser mal den Führerschein abgeben sollte (hier musste ich an die sehr persönliche Geschichte eines älteren Autors denken, der in der SZ über genau diese Erfahrung berichtet hat (Plus)).

Komischer Höhepunkt des Films ist ein inszeniertes Familienabendessen. Heinz muss seinem narzisstischen Chef und einer aufstrebenden jungen Unternehmensberaterin beweisen, dass er trotz aller Defizite ein Gewinn für die Firma ist. Ein moderner Familienmensch, der gut mit Menschen kann. Und weil der Papa gerade in finanziellen Schwierigkeiten steckt und sein Job auf dem Spiel steht, spielen die anderen Familienmitglieder tapfer mit bei dieser Inszenierung im Eigenheim. Natürlich geht das alles nicht ohne dumme Sprüche und Peinlichkeiten über die Bühne – doch am Ende finden alle irgendwie zueinander. Man spürt: Die sind sich trotz aller Unterschiede doch sehr nah. Nur der Chef mit dem großen Ego wendet sich beleidigt ab, weil er nicht mehr die Hauptperson ist.

Beim Zuschauen hatte ich das eine oder andere Déjà-vu: Mir kamen viele Szenen und Dialoge bekannt vor. Es gibt in jeder Familie immer eine Vorgeschichte, alte Verletzungen und falsche Erwartungen. Spannend ist dabei auch das Verhältnis zwischen dem Sohn und seinem Vater. Dabei geht es auch manchmal um die Fähigkeit, verzeihen zu können. Meine Kollegin Kathrin Hollmer hat in dieser Wochenendausgabe ein großartiges Interview mit dem Kabarettisten Hannes Ringlstetter geführt (Plus), der über das Verhältnis zu seinem Vater spricht.
Außerdem erinnerte mich der Film an ein schönes Familienfest, das wir kürzlich gefeiert haben. Der 85-jährige Jubilar hatte seinen großen Moment - auch wenn er bei den Jüngeren mit ein, zwei ungeschickten Äußerungen Anstoß erregte. Er hatte in seiner Rede den aus Senegal stammenden, aber schon lange in Köln lebenden Kellner auf Englisch angesprochen. Dieser hatte dann sehr lustig im Kölschen Dialekt gekontert. Das fanden vor allem die Teenager im Restaurant total cringe. Diese Alten, unmöglich! (Über das Comedy-Potenzial von Reden hat übrigens mein Kollege Harald Hordych mal einen sehr heiteren Essay geschrieben. (Plus))

Am Ende des Abends, nach einem guten Essen und langen, oft hitzigen Gesprächen, fanden die meisten: Völlig egal, so was passiert. Man konnte schon wieder über alles lachen. Ich fand es jedenfalls sehr schön, dass die alten weißen Männer, die nicht ganz so alten Frauen und ihre Kinder und Enkelkinder gemeinsam diesen Abend verbrachten. Für mich war dieser 85. Geburtstag großes Kino, ein Fest der Generationen – besser als jede Premierenvorführung.

Ein schönes Wochenende wünscht
Christian Mayer
Ressortleiter Gesellschaft & Wochenende
SZ Mail
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