Mehr als fünf Millionen Menschen weltweit erleiden pro Jahr ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. In einigen Fällen stellen zumindest Ärzte in den USA nach etwa 72 Stunden die Angehörigen vor die Frage: Geräte abschalten – ja oder nein? Eine Untersuchung am anerkannten Krankenhausverbund Mass General Brigham in Boston legt nun nahe, dass die Entscheidung zum Abschalten manches Mal zu früh fällt. Eine nicht unbedeutende Anzahl der nicht von „den Geräten“ getrennten Patienten, nämlich 40 Prozent, erlangt laut Studie sechs Monate nach dem oft unfallbedingten Ereignis einen Teil seiner Unabhängigkeit zurück, kann sich also bis zu einem gewissen Grad bewegen und verständigen. „Unsere Ergebnisse unterstützen eine vorsichtigere Herangehensweise an frühe Entscheidungen, ob man die lebensunterstützenden Maßnahmen einstellen soll oder nicht“, wird die Studienleiterin und Neurologin Yelena Bodien in einer Mitteilung ihrer Klinik zitiert. Die Methode der Untersuchung: Über siebeneinhalb Jahre hinweg sammelte das Forscherteam Daten zu 1400 Schädel-Hirn-Trauma-Patienten in den USA. Am Computer bildeten sie dann medizinisch und nach anderen Kriterien vergleichbare „Paare“ von jeweils einem, bei dem die Ärzte die Unterstützungsmaßnahmen einstellten und einem, bei dem sie das nicht taten. Seltener als angenommen fielen die „Überlebenden“ in eine Art Wachkoma. Die Studie, die sicherlich Diskussionen nach sich ziehen wird, ist im Journal of Neurotrauma erschienen. Kurt-Martin Mayer, Wissen & Gesundheit |