Update zum DAX-Verfallstag Wird der Future-Handel für Privatanleger verboten?
Update zum DAX-Verfallstag von Torsten Ewert Sehr verehrte Leserinnen und Leser, zunächst ein kurzes Update zum bevorstehenden großen Verfallstag am Freitag: Wesentliche Änderungen des Szenarios, dass ich in der Vorwoche beschrieben habe, gibt es nicht: Es bleibt für den DAX bei dem Kursziel von 14.000 Punkten. Was sich im Verfallstagsdiagramm geändert hat Es gab zwar einige Änderungen im Verfallstagsdiagramm gegenüber der Vorwoche, aber diese betrafen Call- und Put-Positionen relativ gleichmäßig (siehe hellrote/-blaue Balken und Pfeile): Quelle: https://www.stockstreet.de/boersen-tools/verfallstag-diagramm#/ Bei der 14.000er Marke gab es sogar Veränderungen in beide Richtungen (siehe gelbe Markierung). Sie bleibt damit das neuralgische Niveau zum Verfallstermin am Freitagmittag, zumal auch das theoretische optimale Kursziel nach der MaxPain-Kurve (unterer Diagrammteil) unverändert im Bereich von 13.800 Punkten liegt.. Der DAX auf dem Weg in Richtung Verfallstags-Kursziel Der DAX hat auch schon seine Abwärtsbewegung in Richtung 14.000 Punkte begonnen: Dabei zeigt er sich aber immer noch recht robust. So drehte er am Freitag schon deutlich vor der kleinen Unterstützung vom November (grau) wieder nach oben. Wie eine nachhaltige Trendwende wirkt das zwar noch nicht, aber er hält sich damit immerhin die Möglichkeit offen, seine Seitwärtsbewegung fortzusetzen. Das kann sich jedoch nach den US-Inflationsdaten, die morgen veröffentlicht werden, und der Fed-Sitzung am Mittwoch radikal ändern. Prognosen dazu sind schwierig. Aber wir können davon ausgehen, dass die Aktienmärkte einen Rücksetzer hinnehmen müssen, wenn die Verbraucherpreise in den USA in den USA höher ausgefallen sind, als erwartet – wie es auch schon in der Vorwoche nach der Veröffentlichung der Erzeugerpreise der Fall war (siehe Börse-Intern vom Freitag). Wie Sie sich in der Verfallstagswoche positionieren sollten Die größte Unsicherheit geht jedoch vom Fed-Meeting, der nachfolgenden Pressekonferenz von Fed-Chef Powell und vor allem den neuesten Fed-Projektionen aus, die wie immer zum Quartalsende veröffentlicht werden. Bei letzteren dürften vor allem die neuen Zinsprojektionen der Fed-Mitglieder („dot plots“) stark beachtet werden. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass diese zeigen werden, dass die bisherigen Erwartungen der Anleger an den weiteren Zinspfad der Fed Wunschdenken sind (siehe auch Börse-Intern vom 28.11.2022). Das könnte sogar zu stärkeren Verlusten an den Aktienmärkten führen und den DAX sogar in Richtung des MaxPain-Minimums bei 13.800 Punkten drücken. Geschieht das nicht, ist auch eine kräftige Erleichterungsrally möglich. In jedem Fall sind sehr starke Kursausschläge möglich, Wer nicht genau darauf traden will, sollte also weiterhin abwarten und sich besser nach diesen Ereignissen neu positionieren.
Wird der Future-Handel für Privatanleger verboten? von Torsten Ewert Wer an den Terminbörsen Futures handelt, hat in den vergangenen Tagen Post von seinem Broker bekommen. Darin geht es um neue Regulierungen für den Futurehandel für Privatanleger. Hintergrund ist eine Verfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von Ende September. Danach ist Wertpapierfirmen „die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures an Kleinanleger […] mit Sitz in Deutschland untersagt.“ Diese Verfügung gilt ab 01.01.2023. Worum es bei der neuen BaFin-Verfügung geht Es geht letztlich darum, dass die Nachschusspflicht für Privatanleger ausgeschlossen werden soll. Hintergrund: Futures werden mit Margin gehandelt, das heißt, dass die Kunden nicht den gesamten Gegenwert der Position auf ihrem Konto haben müssen. Das führt jedoch im Extremfall dazu, dass durch überraschende, sehr starke Kursausschläge – insbesondere über Nacht oder übers Wochenende – die Position durch die Kundeneinlagen auf dem Brokerkonto nicht mehr gedeckt ist. So etwas geschah z.B. im Januar 2015, als die Schweizer Notenbank völlig unerwartet den Mindestwechselkurs des Schweizer Frankens aufhob und der Franken daraufhin sofort um rund 15 % aufwertete und etliche Trader-Positionen pulverisierte. Und zu Beginn der Corona-Pandemie gab es einen Einbruch des Ölpreises, der zeitweilig sogar zu negativen Preisen gehandelt wurde. Auch das führte dazu, dass etliche Trader erhebliche Verluste erlitten. Normalerweise werden solche kritischen Positionen (bzw. gegebenenfalls andere, die man im Depot hat) durch die Broker zwar zwangsweise liquidiert, aber das Minus bleibt zunächst bestehen und muss ausgeglichen werden. In den genannten Extremfällen können die Verluste so groß werden, dass man quasi „Haus und Hof“ verkaufen muss – und dann immer noch auf Verlusten sitzt. Eine Nachschusspflicht gab es auch lange bei CFDs, bis die BaFin die Broker mit einer ähnlichen Regelung zwang, sie abzuschaffen. Nun also Futures. Warum wird ein längst reguliertes Produkt weiter reguliert? Die BaFin beruft sich dabei darauf, dass der Futures-Handel nach der CFD-Regulierung von den Anbietern „verstärkt vermarktet“ wurde und die Umsätze mit Futures (insbesondere Mini- und Micro-Futures) zunahm – und dabei auch das Risiko für die Anleger. Letzteres mag sein (dazu gleich mehr), aber eine verstärkte Werbung für Futures gegenüber CFDs habe ich in den vergangenen Jahren nicht festgestellt. Oder hat Ihr Broker Ihnen schon mal den Future-Handel angepriesen? Dafür muss man nach wie vor ein Extra-(Unter-)Konto bei den Brokern eröffnen, besondere Formulare ausfüllen und Fragen beantworten und zum Teil happige Gebühren zahlen. Den CFD-Handel kann man dagegen meist mit einem Mausklick beantragen. Aus Kundensicht ist auch nicht verständlich, warum man von CFDs, bei denen es keine Nachschusspflicht gibt, zu Futures wechseln soll (mit Nachschusspflicht!). Dennoch bevorzugen viele Trader Futures. Dafür gibt es ein paar gute Gründe. So handelt es sich – anders als bei CFDs – um standardisierte Produkte, die an einer offiziellen vor allem regulierten Börse gehandelt werden. Die Kursstellung ist nachvollziehbar, was bei CFDs nicht immer der Fall ist bzw. war. (Es gab bereits nachgewiesenermaßen Betrugsfälle beim Handel bzw. der Kursstellung von CFDs.) Neue Futures mit weniger Risiko Was die Zunahme des Futures-Handels betrifft, so ist dieser tatsächlich vor allem durch die stärkere Verbreitung insbesondere von Mini-Futures bedingt. Und das ist auch völlig logisch, denn es war ein alter Wunsch vieler Trader, z.B. Mini-Futures auf den DAX handeln zu können. Im Oktober 2015 erfüllte die EUREX diesen Wunsch endlich durch Einführung von Mini-Futures. (Seit 2021 gibt es auch Micro-Futures, die aber kaum eine Rolle spielen.) Der Unterschied wird in folgender Tabelle deutlich: Quelle: BaFin Der altbekannte DAX-Future (FDAX) hat einen Kontraktwert von 25 €. Bei einem Stand von 16.000 Punkten (der für die Berechnung der Tabelle beispielhaft angenommen wurde), bewegt man also 400.000 € und muss eine Margin von 31.200 € vorweisen (idealerweise als Cash-Gegenwert auf dem Future-Konto). Die Mini- und Micro-Futures haben kleinere Kontraktwerte (5 bzw. 1 €) und entsprechend geringe Gegenwerte und Marginanforderungen. Dabei reduzieren sich die Werte genau im Verhältnis der Kontraktgrößen. Es ist also ein Fehlschluss, dass sich das Risiko durch die Mini- und Micro-Kontrakte erhöht! Im Gegenteil: Es verringert sich. Natürlich bleibt das Problem der Nachschusspflicht und entsprechender Verluste bestehen, aber pro Kontrakt ist es zweifellos gesunken. Anleger können nun die Kontraktgröße viel besser ihrem Risikomanagement anpassen. Was die Daten zeigen Aber was hat es nun mit den höheren Umsätzen auf sich, welche die BaFin beklagt und zum Anlass für ihr Handeln genommen hat? Schauen wir uns die Zahlen an: Quelle: MarketMaker mit Daten von VWD, eigene Berechnungen Hier sehen Sie die gesamte Historie des FDAX seit 1991. Bis zu Finanzkrise gab es sowohl beim Volumen (oberes rote „Gebirge“ als auch Open Interest (OI; unteres „Gebirge“) einen kräftigen Anstieg. Danach stagnieren die Werte – bestenfalls. Worauf sich die BAFin offenbar bezieht, ist die rote (kurze) Kurve im zweiten Chartteil. Sie zeigt das Verhältnis der Volumina von Mini-DAX-Future und FDAX. Dieses stieg nach Einführung der „Minis“ kräftig – was ja auch zu erwarten war – und erreichte im April 2021 sein bisheriges Hoch bei 0,968. Damals war das gehandelte Volumen im „Mini“ fast so hoch wie im (großen) FDAX. Massenphänomen Future-Handel? Aber ist das ein Zeichen dafür, dass der Future-Handel ein Massenphänomen ist? Die BaFin erweckt diesen Eindruck. Sie verweist darauf, dass laut einer Marktuntersuchung, die sie durch Befragen von ausgewählten Brokern durchgeführt hat, „sowohl das Handelsvolumen als auch die Anzahl der Kleinanleger, die Futures handeln, […] über den Beobachtungszeitraum der durchgeführten Marktuntersuchung [von Juli 2019 bis Juni 2020 – TE] um rund 15 % angestiegen“ sind. Außerdem hat die BaFin festgestellt, dass „die Anzahl an Kleinanlegern, die Futures handeln, erheblich höher als die Anzahl an professionellen Kunden“ ist. Das lässt sich von außen nicht überprüfen, aber klar ist, dass die Kleinanleger aktiver sind, als die Profis. Das zeigt die blaue Kurve im zweiten Chartteil. Sie zeigt das Verhältnis der Open Interests von Mini-DAX-Future und FDAX, also die Anzahl der jeweils umlaufenden Kontrakte (hier: die Maximalwerte des jeweiligen Monats). Dieses Verhältnis ist erheblich geringer als beim FDAX (maximal 0,298, also rund 30 %). Bezogen auf den Kontraktgegenwert ist es nochmals um den Faktor 5 geringer, da ein Mini-Kontrakt nur ein Fünftel eines FDAX-Kontrakts wert ist. Auch daran zeigt sich, dass das Risiko bei Kleinanlegern (die vorzugsweise die „Minis“ handeln, erheblich geringer ist als bei den FDAY-Profis. Dafür handeln die privaten Trader öfter, wodurch das Volumenverhältnis so hoch ist. Doch das ist kein spezielles Phänomen bei Futures – das würde man vermutlich auch bei CFDs, Knock-Out-Zertifikaten, Optionsscheinen usw. feststellen. Daher ist es auch kein Argument, wenn die BaFin darauf verweist, dass die Broker-Daten ergaben, dass „mehr als die Hälfte der Kleinanleger Verluste im Future-Handel“ erleiden. Auch das ist bei privaten Tradern leider die Norm – unabhängig vom gehandelten Produkt (Ich persönlich schätze die Quote sogar eher auf 90 % + X…) Wie das Ziel erreicht werden soll Nun ist es ehrenwert, dass sich die BaFin dieses Themas annimmt – auch wenn der Future-Handel nach meiner Meinung eine absolute Randerscheinung unter privaten Tradern ist (und die meisten davon wissen, worauf sie sich dabei einlassen). Aber erreicht sie wenigstens ihr Ziel des angestrebten höheren Anlegerschutzes? Und was ist mit dem denkbaren Fall, dass Anleger mit Futures bestehende andere Positionen absichern wollen? Das BaFin-Verbot lässt daher für Broker und Anleger zwei Ausnahmen zu: Erstens können die Broker die Nachschusspflicht – wie bei CFDs – ausschließen. Das würde dem BaFin-Ziel „Anlegerschutz“ entsprechen. Zweitens können Anleger gegenüber ihrem Broker erklären, dass sie die Futures ausschließlich zu Absicherungszwecken erwerben. Dieser Punkt ist offenbar ein Entgegenkommen auf die Einwände der Broker, dass mit einem generellen Verbot genau diese Absicherung nicht mehr möglich wäre. Der gesunde Menschenverstand würde nun davon ausgehen, dass diese Erklärung eines Anlegers nur dann möglich ist, wenn er die Position, die er absichern will, auch bei dem Broker hält, bei dem er die Futures kaufen will. Gut, in der Praxis ist dieser Punkt problematisch, da viele Anleger mehrere Brokerkonten und Depots haben und es theoretisch denkbar ist, dass z.B. eine große ETF-Position auf dem DAX bei einem Broker liegt, dessen Konditionen für den Future-Handel völlig unattraktiv sind (was bei klassischen Brokern tatsächlich die Regel ist). Anlegerschutz? Fehlanzeige! (bei den meisten Brokern) Und daher ist es tatsächlich so, dass eine einfache Erklärung der Anleger über eine Absicherungsabsicht ausreicht, um Futures zu handeln. Ein Nachweis ist nicht vorgesehen. Damit wird der Anlegerschutz ad absurdum geführt, denn genau dieses „Schlupfloch“ haben die meisten Anbieter (in Deutschland) genutzt: Man kann bei Consors, onvista und Co. einfach eine Box anklicken, damit seine „Absicherungsabsicht“ erklären und handelt Futures dann genauso wie zuvor – inklusive Nachschusspflicht! Dabei bleibt also alles wie gehabt. Anlegerschutz? Fehlanzeige! Nur InteractiveBrokers (IB), ein Broker, der international tätig ist, schließt die Nachschusspflicht ausdrücklich aus. Und weil sein System von diversen „Klonen“ (z.B. Lynx, CapTrader) genutzt und vermarktet wird, die üblicherweise alle IB-Regularien übernehmen, gibt es noch ein paar mehr Broker, die das Ziel der BaFin erfüllen. Allerdings mit dem Nachteil für die Trader, dass die Marginanforderungen heraufgesetzt werden. Das Trading wird also „teurer“, der Hebel sinkt… Damit wurde wieder einmal eine Regulierung auf den Weg gebracht, die versucht, ein kleines Problem zu beheben, dabei aber viel (zusätzlichen) Aufwand produziert und am Ende wenig bis nichts erreicht. Das einzig Positive ist, dass der Future-Handel für Private weiter möglich bleibt. Mit besten Grüßen Ihr Torsten Ewert PS: Hier noch eine kleine Preisfrage für fortgeschrittene Börsianer: Welche Position(en) wäre(n) prinzipiell denkbar und praktisch vorstellbar, wenn ein Anleger beim Kauf eines Long-Future erklärt, diese damit absichern zu wollen? Schreiben Sie mir Ihre Ideen unter dem Stichwort „Future-Verbot“ an info@stockstreet.de!
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