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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

14. Mai 2020

Liebe Frau Do,

die Grenzen in Europa werden nach und nach geöffnet. Reisen an die Nordsee in Holland oder in die österreichischen Alpen rücken wieder in den Bereich des Möglichen. Und weiter entfernte Ziele? Auch das könnte im Sommer oder Herbst vielleicht noch klappen. Was beim Flug zu beachten ist, um das Corona-Risiko klein zu halten, hat unser Medizinexperte Wolfram Goertz zusammengetragen. Mir wird bei dem Gedanken mulmig, aber Sie und ich müssen jeder für sich entscheiden, ob wir die Lockerungen zur Grundlage für Urlaubspläne machen oder Fernreisen für dieses Jahr doch streichen. Da das Angebot kleiner ist, dürfte es jedenfalls teurer werden als in früheren Jahren.

Große Rechnungen muss auch der Staat bewältigen – dabei sinken seine Einnahmen gerade dramatisch. Heute legt Bundesfinanzminister Olaf Scholz die amtliche Steuerschätzung vor. Aber nicht nur Bund und Länder sind betroffen, sondern natürlich auch die Kommunen, die nach Schätzungen des Städte- und Gemeindebundes mit Ausfällen von 40 bis 60 Milliarden allein in diesem Jahr rechnen müssen. In NRW ist von Ausfällen „in nie dagewesenem Ausmaß“ die Rede. Die Debatte zeichnen Birgit Marschall und Maximilian Plück  nach – noch kommen die Forderung nach Steuererhöhungen zaghaft, aber das wird sich ändern. Einen Vorschlag in diese Richtung macht unser Politik-Chef Martin Kessler in seinem Leitartikel.

Um die Kosten des Kampfes gegen die Pandemie geht es auch im jenem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein führender Europarechtler als juristische Atombombe wertet. Denn Karlsruhe hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs über den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB kassiert. Und nun? Mein Kollege Henning Rasche beleuchtet in seiner Analyse die juristischen Hintergründe und politischen Folgen des komplexen Richterspruchs.  

Komplex ist auch die Figur von Bill Gates. Mit seiner Windows-Software hat er die Welt verändert und ist dabei unfassbar reich geworden. Die Methoden eines globalen Konzerns setzt auch seine wohltätige Hilfsstiftung ein. Nicht nur bei den sogenannten Hygiene-Demos zieht er Hass auf sich, obwohl er den Kampf gegen Infektionskrankheiten mit vielen Milliarden unterstützt. Washington-Korrespondent Julian Heissler, der erst seit kurzem für uns arbeitet, hat sich mit Bill Gates, dessen Wirken und Wirkung beschäftigt.

Aber das Problem geht tiefer. Bei den Demos stellen einige Teilnehmer – nein, keineswegs alle – die Erkenntnisse der Wissenschaft und letztlich auch Überzeugungen der Aufklärung infrage. Wie unsere Gesellschaft darauf reagieren kann, beschreibt unsere Kulturredakteurin Dorothee Krings in ihrer Analyse. „Im Gespräch bleiben“, lautet ihr Rat – auch wenn es zuweilen schwerfällt.

Dazu gehört eine ordentliche Portion Gelassenheit. Muss eigentlich jede Meinungsverschiedenheit zur Grundsatzfrage werden? Über seine Lehren aus der Krise spricht der Kabarettist Michael Mittermeier in einem Interview mit Jörg Isringhaus. „Vielleicht lernen wir, dass Humor generell einen wichtigen Stellenwert hat“, hofft er und hoffe ich mit ihm. Das wäre doch was, wenn Humor nach der Krise als besondere Tugend der Deutschen gälte. Und selbst wenn Sie den letzten Satz absurd und gar nicht lustig fanden: Bitte lachen Sie jetzt genauso lange, wie Sie sonst Hände waschen, also 30 Sekunden lang. Dann gelingt der Start in den Tag, versprochen.

Herzlich

Ihr

Moritz Döbler

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