Fallstudie zur Bauer AG ++ Value-Aktien: Vorsicht Falle?
 
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Value-Aktien:
Vorsicht Falle?

Lieber Geldanleger,

 

harte Zeiten für Value-Anleger! Immer mehr scheinbar günstig bewertete Aktien haben zuletzt steile Abwärtstrends ausgebildet und entwickeln sich mehr und mehr zu Value-Fallen! Lest was dahinter steckt und wie ihr die Value-Fallen umgehen könnt.

Welche Rolle das Geschäftsmodell dabei spielen kann erkläre ich euch am Beispiel des Tiefbauspezialisten Bauer.

Zunächst aber wie gewohnt der Hinweis auf mein ganz neues Video auf meinem YouTube-"Aktien Kanal" über die sich zuspitzende Situation beim Bitcoin:


Zurück zum Thema Value-Aktien:

Schaut man sich die langfristig erfolgreichsten Investoren vom Kaliber Warren Buffett an, so fällt auf, dass sich die allermeisten das "Value-Investing" auf die Fahne geschrieben haben. Das heißt, es geht darum im Vergleich zum Gesamtmarkt unterbewertete Titel zu finden.

Titel die auf Basis verschiedener fundamentaler Bewertungskennzahlen deutlich günstiger sind als der Gesamtmarkt. Damit landet man aber oft automatisch genau bei Unternehmen mit eher durchschnittlichen Geschäftsmodellen, die es zu einem sehr günstigen Preis gibt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Buffett selbst hier im Lauf der Jahre – unter anderem unter dem Einfluss seines kongenialen Partners Charlie Munger – seine Ausrichtung geändert hat. Weg von den extremen Value-Aktien, hin zu den qualitativ hochwertigen Geschäften, die es zu einem fairen Preis gibt.

Zumindest in den letzten Jahren war diese Strategie auf jeden Fall profitabler als nur auf "günstig" zu setzen. Warum?

Nun, in meinen über 20 Jahren an der Börse habe ich selten eine Zeit erlebt, in der so viele Geschäftsmodelle von börsennotierten AGs durch neue Technologien angegriffen und möglicherweise komplett vernichtet werden.

Das gilt speziell für Branchen, die am deutschen Aktienmarkt eine wichtige Rolle spielen und entsprechend in den Indizes hoch gewichtet sind, z.B. die Automobilindustrie, der Einzelhandel und auch Banken, wobei hier weniger die klassischen Geschäftsbanken aus dem Genossenschafts- oder Sparkassensegment gemeint sind als vielmehr die großen privaten Universalbanken, die sowohl Investment-Banking als auch Privatkundengeschäft vereinen, also namentlich natürlich die Deutsche Bank und die Commerzbank.

Am Krassesten ist die Entwicklung aber eindeutig im Einzelhandel. Ich weiß, ich habe da schon öfters drüber referiert, aber ich finde das so dramatisch, was hier im Moment abläuft, dass ich euch heute nochmal zwei Charts zeigen möchte: Und zwar diesmal die von Ceconomy und Metro.

Diese beiden Firmen waren vor etwas über einem Jahr noch vereint unter dem Dach der Metro und haben sich dann aufgespalten in die Elektronikfachmarkt-Sparte Ceconomy (also Klartext sind das Media Markt und Saturn) und die Metro Großmärkte zusammen mit den Kaufhaus-Aktivitäten und der Supermarktkette Real.

Schon vor der Aufspaltung hat die Metro-Aktie schlecht performt. Und jetzt schaut euch mal diese Charts an seit der Aufspaltung:

Hier die Ceconomy Stamm-Aktien:


Hier der Metro-Chart:


Es geht hier in den letzten Monaten in einem fast beängstigenden Tempo abwärts. Dabei spucken mir meine Value-Screener genau diese Aktien immer und immer wieder als extrem günstig bewertete Value-Aktien aus.

Wie passt das zusammen? Nun, diese Screener sind vergangenheitsorientiert, sie berücksichtigen nur vergangene Ergebnisse.

Was sie nicht bieten können ist z.B. eine qualitative Analyse einer Branche. Das ist genau das, was ich seit Wochen und Monaten im Einzelhandel mache. Und was ich dort sehe, ist absolut beängstigend. Die Disruption, ausgelöst vor allem von Amazon, zieht sich hier quasi durch alle Untersegmente des Einzelhandels.

Ich habe bereits mehrfach den Modesektor angesprochen mit den katastrophalen Entwicklungen bei Adler Mode, Gerry Weber und Co. In dieser Woche gab es hier erneut eine Insolvenz, bei der Stones Men´s Fashion GmbH, einer Tochter der börsennotierten Beteiligungs AG, Solvesta. Hier sehe ich übrigens durchaus Parallelen zur Kids Brands House, die ich ja in früheren Videos besprochen habe:


Du erkennst am Chart. Es gibt hier kaum Handelsvolumen. Die Solvesta-Aktie wird nur an der Regionalbörse Düsseldorf gehandelt. Selbst im Insolvenzfall wird hier kein Aufschrei in den Medien ertönen, zumal Stones Men´s Fashion, die aus dem Steilmann-Umfeld stammen, schon mal insolvent waren. Auch Solvesta wurde von Value-Fanatikern immer wieder empfohlen.

Das Frappierende aber ist, dass es auch bei den Premium-Aktien in diesem Bereich zuletzt deutlich abwärts ging. Beim Modeschmuckanbieter Bijou Brigitte schon seit Jahren, zuletzt auch bei Fielmann oder auch dem dänischen Schmuckhändler Pandora. In den USA ist die Bereinigung teilweise schon weiter fortgeschritten.

Warum erzähle ich euch das? Nun, es ist als Börsianer natürlich wichtig, solche Branchen-Trends zu erkennen und zu hinterfragen. Es ist keinesfalls erfolgsträchtig sich gegen solche Trends zu stellen und die Aktien trotzdem zu kaufen, auch wenn die vermeintlich günstigen fast jeden Tag noch ein bisschen günstiger werden.

Wenn tiefgreifende strukturelle Probleme vorhanden sind, die sich kaum lösen lassen – zumindest kurz – und wahrscheinlich auch mittelfristig – brechen die operativen Gewinne weg und dann sind die Aktien auch auf Basis der fundamentalen Bewertungskennzahlen auf einmal nicht mehr günstig. Der Markt bzw. der Chart nimmt diese Entwicklung oft schon lange vorher vorweg bevor dann irgendwann die Gewinnwarnung des Unternehmens kommt.

Was könnt ihr also Anleger, die ihr nicht die Zeit habt, so in die Tiefe zu recherchieren wie ich das als Börsen-Profi machen kann, für Möglichkeiten diese Value-Fallen zu umgehen?

Nun, ganz einfach, ihr bezieht den Chart mit in eure Analyse ein und achtet darauf, dass die Value-Aktien, die ihr ausgesucht habt, auch in einem Aufwärtstrend sind. Und das am besten im 1-Jahres-Chart, aber auch mittel- und langfristig, z.B. im 5-Jahres-Chart:


Wenn ihr das so macht, dass ihr nur solche Value-Aktien auswählt, die sich auch im charttechnischen Aufwärtstrend befinden, lasst ihr euch quasi vom Markt bestätigen, dass diese Aktie tatsächlich günstig ist und keine Value-Falle.

Das Faszinierende dabei ist, dass Langfriststudien wie die von James P. O`Shaughnessy herausgefunden haben, dass man mit dieser Strategie den Markt historisch tatsächlich um Längen, also so um 5-8% p.a., schlagen konnte – und zwar mit einer simplen Buy-and-Hold-Strategie.


MEIN FAZIT:

Value-Aktien ja, aber nur qualitativ hochwertige. Und wer wenig Zeit hat, um qualitative Analyse zu betreiben – und selbst diejenigen, die das können – sollten den Chart zur Hilfe nehmen, und nur solche Aktien kaufen, die günstig sind und sich gleichzeitig in Aufwärtstrends befinden. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass diese Strategie über Jahrzehnte beeindruckend gut funktioniert hat.

So, und nun quasi als Bonus noch eine Fallstudie zur Bauer AG, ebenfalls einer Value-Aktie, die die Erwartungen der Anleger schon seit Jahren nicht erfüllen kann.

 



Fallstudie zur Bauer AG


Bauer wurde bereits 1790 im oberbayerischen Schrobenhausen gegründet. Das Kerngeschäft war immer der Spezialtiefbau. In den 1980er-Jahren entschied sich das Unternehmen dafür, sich internationaler auszurichten und den Geschäftsbereich zu erweitern. Bauer ist für das Fundament bei einigen der höchsten Gebäude der Welt verantwortlich, u.a. für das Burj Khalifa in Dubai oder den Kingdom Tower in Jeddah in Saudi-Arabien.

Um solche anspruchsvollen Projekte technisch bewältigen zu können, baute Bauer zunächst gekaufte Maschinen um, begann aber später damit selbst Maschinen zu entwickeln und herzustellen. Heute hat das im SDAX vertretene Unternehmen in diesem Sektor einen Weltmarktanteil von 20 Prozent.

Als drittes Standbein dient der Bereich "Resources" (Umwelttechnik). Dazu gehören u.a. die Reinigung von kontaminierten Böden und die Wassergewinnung in schwierigem Umfeld. Im vergangenen Jahr konnte hier z.B. ein Großauftrag zur großflächigen Bodensanierung im Industriegebiet "Schwarze Pumpe" im brandenburgischen Spremberg gewonnen werden. Die Fläche umfasst insgesamt 720 Hektar. Die Maßnahmen begannen im November und sollen erst 2022 abgeschlossen werden.

Eine absolute Hochphase erlebte Bauer Mitte der 2000er-Jahre als man kaum hinterher kam, die Bestellungen abzuarbeiten. Verantwortlich dafür war u.a. der Bauboom in China, der viele Bauaufträge brachte aber auch eine hohe Nachfrage nach Baugeräten. Chinesische Hersteller bauten allerdings schnell eigene Kapazitäten auf und sorgten letztendlich für eine Überversorgung des Marktes. Von Überkapazitäten im Umfang von 300 bis 400 Prozent war damals die Rede.

Die Folgen waren noch Jahre später spürbar. Zwischen 2012 und 2016 sei der Markt für Baumaschinen weltweit um 31 Prozent rückläufig gewesen berichtet das Branchenmagazin "International Construction". Bauer hat zwar in dieser Zeit seinen Umsatz zwischen 520 und 560 Millionen Euro gehalten, aber die Gewinne waren stark rückläufig.

Lag der (Rekord)gewinn in 2008 noch bei 108 Millionen Euro so waren es 2016 nur noch 11,3 Millionen Euro, also nur etwas mehr als ein Zehntel. Der Markt strafte dies gnadenlos ab. Von einem Hoch bei über 70 Euro fiel die Aktie im Dezember 2016 auf ein historisches Tief von nur noch 9,45 Euro. Die MDAX-Zugehörigkeit ging verloren.

Zum schwierigen Marktumfeld kamen interne Probleme hinzu: Technische Probleme beim Bau einer Trinkwasserversorgung in Jordanien kosteten das Unternehmen im Jahr 2013 mehrere Millionen. Beim Megaprojekt der Sanierung des Center Hill Damms im US-Bundesstaat Tennessee kam es in den Jahren 2013 bis 2015 immer wieder zu Verzögerungen auf der Baustelle. Auch das verursachte hohe Zusatzkosten bei Bauer.

Langfristig ausgerichtet – auch bei der Personalplanung

Aber noch ein weiterer – aus Anlegersicht sehr interessanter Faktor – trug zum Gewinneinbruch bei. Bauer weigerte sich, Entlassungen im großen Stil vorzunehmen und fuhr auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung kaum zurück. Die Stammbelegschaft sollte im Unternehmen gebunden werden. Nur so könne man sich über lange Jahre aufgebautes Know-how sichern. Ohnehin könne man ansonsten Schwierigkeiten bekommen, wieder gute Fachkräfte zu bekommen, wenn der Branchenzyklus nach oben drehe.

Die Anstrengungen in der Forschung und Entwicklung bei den Baumaschinen seien auch deshalb sehr gut gewesen, erklärt der langjährige Konzernchef Thomas Bauer, der nun in den Ruhestand geht. In den letzten vier Jahren habe man es geschafft, den Energieverbrauch und die Lärmemissionen spürbar zu senken und gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen. So habe man den Technologievorsprung und damit letztlich auch den Umsatz halten können.

Dass das mehr als leere Worte sind zeigt auch das 2016er-Ranking im "International Construction"-Magazin, das Bauer auf Rang 36 führt mit einem konstanten Umsatz von 718 Millionen US-Dollar (in etwa so viel wie 2012). Auf Rang 1 steht hier Caterpillar (minus 47 Prozent im gleichen Zeitraum), auf den Rängen 3 und 4 Hitachi und Liebherr (minus 36 Prozent). Besonders hart hat es chinesische Hersteller wie Sany (minus 55 Prozent) oder Zoomlion (minus 61 Prozent) erwischt.

Interessant: Der wichtigste direkte Konkurrent von Bauer im Bereich des Spezialtiefbaus, die italienische Trevi-Gruppe, taucht gar nicht in den Top 50 auf. Trevi verlor 2016 bei einem Umsatz von 1.080 Millionen Euro 86 Millionen Euro.

Das alles unterstreicht eigentlich, dass Bauer relativ zur Konkurrenz gar nicht so schlecht abgeschnitten hat und auch die Nachhaltigkeit mit der der Vorstand das Geschäft des mehrheitlich im Familienbesitz befindlichen Unternehmens führt.

Im vergangenen Jahr schien es dann auch tatsächlich wieder aufwärts zu gehen. Der Auftragsbestand hat sich im Frühjahr letzten Jahres zwei Quartale in Folge bis auf über eine Milliarde Euro verbessert. Entsprechend sollte der Nettogewinn in 2017 deutlich auf 23 bis 28 Millionen Euro steigen und der operative Gewinn (EBIT) auf 75 Millionen Euro bei einer Gesamtleistung von etwa 1,7 Milliarden Euro. Das roch stark nach den glorreichen alten Zeiten. Der Aktienkurs erholte sich prompt bis auf 32 Euro in der Spitze.

Wenn die Sondereffekte zur Normalität werden

Zeitsprung in den Juli 2018: Trotz eines in der Zwischenzeit relativ freundlichem Aktienmarktes ist das Bauer-Papier inzwischen wieder auf aktuell unter 18 Euro gefallen. Die Aktie hat sich also fast halbiert.


Was ist passiert? Nun statt der angepeilten 23 bis 28 Millionen Euro brach der Nettogewinn in 2017 auf nur noch 2,7 Millionen Euro ein. Der Grund: Sondereffekte!

Die Meldung dazu aus dem Januar:

Die BAUER Aktiengesellschaft (ISIN: DE0005168108) muss ihre für das Gesamtjahr 2017 gegebene Ergebnisprognose aufgrund eines unerwarteten Ausgangs eines langjährigen Schiedsgerichtsverfahrens reduzieren. Das Schiedsgerichtsverfahren bezog sich auf ein Projekt in Hongkong, bei dem ein verbundenes Unternehmen der BAUER Gruppe in den Jahren 2011 und 2012 große Baumaßnahmen zur Errichtung eines unterirdischen Bahnhofs durchgeführt hatte. Durch das nun gefällte Urteil erwartet der Vorstand, dass Vergütungsansprüche dieses verbundenen Unternehmens in der Bilanz in einer Größenordnung von etwas über 20 Mio. EUR wertberichtigt werden müssen.

Na, ja, dumm gelaufen, sagen die Bauer-Bullen. Wenn man diesen Sondereffekt herausrechnet hat das Unternehmen die Prognosen ja einigermaßen eingehalten.

Das Problem bei dieser Sichtweise ist folgendes: In Jordanien gab es damals technische Probleme, in Tennessee Verzögerungen, nun gibt es Rechtsstreitigkeiten und das waren jetzt nur drei Beispiele in der Historie von Bauer. Es ließen sich problemlos weitere finden. Meiner Ansicht sind diese negativen Sondereffekte quasi "geschäftsmodell-immanent".

Das bedeutet: Bauer macht sein Geschäft häufig mit sehr großen und komplexen Projekten. Genau da werden die besonderen Fähigkeiten, sprich: das technische Know-how, gebraucht. Hier liegt der Wettbewerbsvorteil des Unternehmens.

Genau bei solchen Projekten kommt es aber naturgemäß häufiger zu Verzögerungen und Schwierigkeiten. Spontan fällt mir hier der Flughafenbau in Berlin ein, obwohl Bauer hiermit nichts zu tun hatte. Aber ihr wisst, worauf ich hinaus will.

Wenn aber solche Sondereffekte geschäftsmodell-bedingt quasi zur Regel werden und man bei einem Unternehmen quasi ständig damit rechnen muss, dass so die Planungen verhagelt werden, dann muss man bei diesem Unternehmen einen Sicherheitsabschlag vornehmen, wenn man einen fairen Wert ermitteln möchte. Hinzu kommt bei Bauer eine relativ hohe Verschuldung und in der Folge eine relativ geringe Eigenkapitalquote.

Obwohl Bauer auf Basis einiger fundamentaler Bewertungskennzahlen sehr attraktiv bewertet ist und ich die Aktie in der Vergangenheit erfolgreich getradet hat bin ich daher bei Bauer inzwischen sehr zurückhaltend.


MEIN FAZIT:

Auch der Charakter des Geschäftsmodells bzw. Mängel im Geschäftsmodell können dafür sorgen, dass eine Aktie immer wieder in Screenern als extrem günstiger Valuewert erscheint und trotzdem kein attraktiver Kauf ist. Daher ist es so wichtig, Aktien auch qualitativ und in der Tiefe zu analysieren.


Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert: Es kann daher kein Interessenskonflikt vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.


Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen &
ein schönes Wochenende wünscht Dir

Dein
Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

>> Die nächste Ausgabe erscheint am 21. Juli

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