Newsletter, 28.06.2019 Verstehen Sie alle Neben- und Wechselwirkungen Ihrer Medikamente? Die Ärztin und Fachjournalistin Heike Grosse zum Thema |
Heike Grosse ist Ärztin und Medizinjournalistin. Seit 2011 arbeitet sie neben ihrem ärztlichen Beruf für verschiedene Fachzeitschriften. Ihre große Leidenschaft ist die Patientenkommunikation. Für die Verbraucherzentrale hat sie den Ratgeber „Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten. Erkennen und bewerten“ geschrieben.
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Frau Grosse, warum ist ein Buch über Nebenwirkungen heutzutage wichtig, wo jeder im Internet alles zu Nebenwirkungen von Medikamenten finden kann? Sie haben recht! Im Internet finden sich mittlerweile sehr viele Informationen über Medikamente. Das große Problem ist aber: Diese Informationen sind sehr oft ungefiltert. Und weil dieser Filter häufig fehlt, möchte ich Patienten zeigen, wie sie Informationen auswählen und beurteilen können. Also nicht nur, woher sie wissen, welche Nebenwirkungen für sie wichtig sind und wie sie sie bemerken und mit ihrem Arzt besprechen. Sondern auch, wo sie gute Informationen finden.
Trauen Sie es den Laien nicht zu, sich selbst über die Nebenwirkungen ihrer Medikament zu informieren? Doch, das machen die meisten Patienten auch toll, wenn sie zum Beispiel zum Arztgespräch Ausdrucke mitbringen und mir zeigen: Ich habe meine Hausaufgaben gemacht! Ich habe mich „belesen“! Aber wie ich schon sagte: Es ist für die Patienten gerade wegen dieser Informationsflut nicht unbedingt leichter geworden zu unterscheiden, was denn jetzt für sie wichtig ist. Manche bringen mir in die Praxis so viele Ausdrucke mit, dass buchstäblich sichtbar wird, wie sie sich verzetteln: Sie kramen in einem Haufen von Papieren, und am Ende der fünf, zehn Minuten, die man als Arzt für ein Gespräch hat, haben die Patienten gar keine konkreten Fragen gestellt. Vor lauter Zetteln wissen sie am Ende gar nicht mehr, was ihnen wichtig ist oder was sie mir eigentlich sagen wollten. Dieses Buch soll dabei helfen, sich gezielt zu informieren: Was sind die Risiken, wenn ich dieses Medikament einnehme? Auf welcher Basis entscheide ich, ob ich dieses Risiko eingehen will? Und wie entscheide ich überhaupt, was mir bei einer Medikamenteneinnahme wirklich wichtig ist? Dabei soll das Buch helfen.
In Ihrem Ratgeber spielt die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten eine große Rolle. Sie schreiben, dass sich der Patient auf das Gespräch mit seinen Ärzten vorbereiten soll. Aber ist es nicht auch Teil des ärztlichen Berufs zu verstehen, was der Patient meint? Natürlich gehört es auch zur ärztlichen Kunst zu verstehen, was Patienten einem sagen wollen. Aber nur, weil es dazugehört, heißt das noch lange nicht, dass Ärzte das auch können! Es war ja lange auch gar nicht Teil der ärztlichen Ausbildung. Das heißt, wem ein gewisses Talent für die Kommunikation nicht in die Wiege gelegt wurde, der hat es im Studium nicht gelernt. Heute ist das anders: Es gibt an vielen Universitäten Kommunikationstraining für Ärzte. Und das ist auch unglaublich wichtig! Denn aus meiner Sicht ist es für Ärzte, die sich schon so lange mit medizinischen Inhalten beschäftigen und diese auch anders bezeichnen, unheimlich schwierig, sich auf das Laienniveau der meisten Patienten zu begeben. Also Dinge so zu erklären, dass man sie auch als Nicht-Arzt versteht, und zu begreifen, was der Patient einem sagen will. Mir liegt es am Herzen, zwischen den Laien, die vielleicht nicht so gut ausdrücken können, wo es gerade juckt und piekt, und den Ärzten, die Patienten nicht gut verstehen, eine Brücke zu bauen. Es hilft einfach enorm, wenn der Patient schon beim ersten Mal detailliert beschreiben kann, welche Beschwerden er oder sie hat. Und ich ihm als Ärztin das nicht erst in zwei Gesprächen aus der Nase ziehen muss. Dann ist manchmal wertvolle Zeit vergangen, in der ich dem Patient schon viel besser hätte helfen können!
In Ihrem Buch wird gleich zu Beginn auf die schweren Nebenwirkungen eingegangen. Warum gleich diese „Keule“ zu Anfang? Verängstigt das die Leser nicht viel zu sehr? Da sprechen Sie etwas an, worüber wir uns in der Redaktion viele Gedanken gemacht haben. Verängstigen wir die Patienten mit diesem Kapitel gleich zu Beginn stärker, als dass wir ihnen sinnvolle Informationen mit auf den Weg geben? Überwogen hat letztlich die Überzeugung, dass es nicht hilft, den Patienten einzureden, es werde schon nichts passieren, und sie nicht verängstigen zu wollen! Jedes Medikament hat Nebenwirkungen, und das muss auch jeder wissen, der Medikamente einnimmt. Und zwar um entscheiden zu können: Will ich dieses oder jenes Medikament wirklich einnehmen? Selbst wenn meistens nichts Schlimmes passiert. Damit ich weiß, was mich erwartet, muss ich eben auch wissen, was Zeichen für ernste Nebenwirkungen sein können. Wie soll ein Patient sonst ein Gefühl dafür bekommen, wann eine Nebenwirkung gefährlich ist und wann nicht? Das gehört für mich als Ärztin an den Anfang eines Buches über Nebenwirkungen. Aber da kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein.
Warum interessiert Sie persönlich dieses Thema? Das liegt an meiner Mutter. Sie war lange Augenärztin mit einer eigenen Praxis in einem Berliner Bezirk, und als ich für ein Jahr als Hausärztin in der Nähe gearbeitet habe, sind immer wieder Patientinnen und Patienten zu mir gekommen und haben gesagt: „Ihre Mutter war so eine phantastische Ärztin! Es ist so schade, dass sie aufgehört hat.“ Die Patienten haben sie so geliebt, weil sie ihre Probleme verstanden hat und ihnen gleichzeitig ihr immenses Wissen über Augenkrankheiten gut vermitteln konnte. Sie ist mir ein Vorbild und deshalb habe ich ihr Anliegen – Menschen mit ihren Problemen immer ernst zu nehmen und ihnen Dinge so zu erklären, dass sie sie auch wirklich verstehen – auch zu meinem gemacht.
Liebe Frau Grosse, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. |
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Ratgeber | | Die Einnahme eines Arzneimittels soll uns heilen oder Beschwerden lindern – aber es kann auch unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen auslösen. Für eine informierte Entscheidung für oder gegen eine Behandlung müssen Sie als Patient Ihre Risiken kennen. Mit diesem Ratgeber erfahren Sie mehr – umso besser sind Sie auf ein Gespräch mit Ihrer Ärztin oder dem Apotheker vorbereitet. 184 Seiten | 1. Auflage | 16,5 x 22,0 cm | Klappenbroschur | € 16,90 | Weiterlesen |
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