| Wenn gelernte DDR-Bürger das Wort „Errungenschaften“ hören, dann klappen nicht wenige die Ohren zu oder denken schlimmstenfalls an den Staatsbürgerkunde-Unterricht in der Schule oder gar Gewerkschafts- und Parteiversammlungen. Da war immer von den „sozialistischen Errungenschaften“ die Rede, meist in Verbindung mit dem Verweis auf die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Na, jedenfalls scheint für die Verwaltung von Kultur- und Europasenator Klaus Lederer (Linke) fast 30 Jahre nach dem Mauerfall die Zeit gekommen, es mal wieder mit den Errungenschaften zu versuchen – wegen der „wiederkehrenden, vielfach negativen Einstellung zur EU bei den Bürgerinnen und Bürgern“, wie es in einem Schreiben von Europastaatssekretär Gerry Woop (ebenfalls Linke) heißt.
Alle Senatsverwaltungen erhielten mit Datum von 17. April Post aus dem Kultur- und Europaressort. Beigefügt war ein „Factsheet“, das laut Kleingedrucktem eben die „Errungenschaften der Europäischen Union (…) darstellen“ und laut Großgedrucktem die „Europakommunikation stärken“ und auch „gegenüber der Presse oder aus gegebenen Anlass gute Argumente für die EU-Mitgliedschaft“ liefern solle. Während sich DDR-Bürger früher ständig anhören mussten, wie sich Partei und Staat für sie ins Zeug legten, dreht sich die aktuelle, 58-seitige Faktensammlung um die Frage „Was tut die EU für mich?“ Sie solle „anhand von guten, lebensnahen Beispielen aufzeigen, welchen positiven Einfluss die EU“ auf den Alltag habe. Ein Aufruf, doch mal wieder eine Wandzeitung zum Thema fürs Büro zu basteln, war zum Glück nicht enthalten.
Mal abgesehen von dem Agitprop-Wortgeklingel ist dann aber zugegebenermaßen durchaus interessant, wo in Berlin über all „EU“ drinsteckt: Von Erasmus-Programmen über die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, der Modernisierung der Bibliotheken, Tram-Erweiterungen, Wohnungsbau – bis hin zur Anlage für Wasserbüffel in Tegel (dafür gab’s 47.000 Brüssel-Euro). Ob es übrigens eine Ochsentour ist, Europasenator zu sein, darüber ist mehr im Gespräch von Tagesspiegel-Kollegin Sabine Beikler mit Klaus Lederer zu erfahren. |
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